Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand


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Ar­men, als ob ihn plötz­lich ein Schmerz durch­zuck­te.

      – Du siehst Schwes­ter! sag­te der Graf lei­se zu ihr, er ist an die­se Auf­re­gun­gen nicht mehr ge­wöhnt, und du tust ihm Scha­den.

      In­des­sen war er doch selbst nicht ohne Be­sorg­nis, und tief be­wegt folg­te er sei­nem Soh­ne mit den Au­gen, um zu se­hen, ob er in sei­nem Be­neh­men ge­gen den Abbé ir­gend eine be­son­de­re Be­zie­hung zu die­sem Man­ne ent­de­cken könn­te; al­lein Al­bert emp­fahl sich sei­nem Gou­ver­neur mit kal­ter Höf­lich­keit.

      – Mein Sohn, sag­te der Graf, ich glau­be dei­nem Wun­sche ent­spro­chen und dir et­was Lie­bes er­zeigt zu ha­ben, in­dem ich den Herrn Abbé bat, dich nicht zu ver­las­sen, wie er schon Wil­lens schi­en, son­dern so lan­ge bei uns zu blei­ben als es ihm mög­lich sein wird. Ich möch­te nicht, dass das Glück, uns wie­der bei ein­an­der zu fin­den, dir durch ir­gend eine Ent­beh­rung ver­gällt wür­de, und ich hof­fe, dass dein ver­eh­rungs­wür­di­ger Freund uns hel­fen wird, dir die­se Freu­de un­ge­trübt zu ver­schaf­fen.

      Al­bert ant­wor­te­te nur durch eine tie­fe Ver­beu­gung, bei wel­cher ein selt­sa­mes Lä­cheln in sei­nen Mund­win­keln zuck­te.

      – Ach! sag­te das Stifts­fräu­lein, als er fort war, das ist also sein Lä­cheln jetzt.

      10.

      Die­se, sag­te man sich im Ka­min­win­kel, hat noch kei­nen Mann ge­se­hen. Sie ist im Klos­ter auf­ge­zo­gen und wird sich gern ver­mäh­len las­sen, um her­aus­zu­kom­men. Sie kann auf eine bes­se­re Par­tie kei­nen An­spruch ma­chen, und wenn auch in ih­rem Cou­sin noch ein Paar Wun­der­lich­kei­ten steck­ten, so wird doch die Ge­wohn­heit des Um­gangs von Kind­heit an, die Ver­wandt­schaft, und ein trau­li­ches Bei­sam­men­le­ben von ei­ni­gen Mo­na­ten hier im Schlos­se ge­wiss bald jede Ab­nei­gung be­sei­ti­gen und sie da­hin brin­gen, wäre es nur aus ver­wandt­schaft­li­chem Ge­füh­le, Din­ge still­schwei­gend hin­zu­neh­men, die ei­ner Frem­den viel­leicht un­er­träg­lich wä­ren.

      Der Zu­stim­mung mei­nes Va­ters war man ge­wiss, denn der hat nie et­was an­de­res ge­wollt als sein Äl­tes­ter und sei­ne Schwes­ter Wences­la­wa, und, die Wahr­heit zu sa­gen, er hat nie einen ei­ge­nen Wil­len ge­habt.

      Als man sich nach vier­zehn­tä­gi­ger sorg­fäl­ti­ger Beo­b­ach­tung über­zeugt hat­te, dass stä­te Schwer­mut und un­ab­än­der­li­che Ver­schlos­sen­heit den ent­schie­de­nen Cha­rak­ter mei­nes Vet­ters aus­zu­ma­chen schie­nen, ge­stan­den sich mein On­kel und mei­ne Tau­te, dass der letz­te Spross ih­res Hau­ses nicht dazu be­stimmt war, die­sem durch sein per­sön­li­ches Auf­tre­ten neu­en Glanz zu ver­schaf­fen. Er zeig­te kei­ne Nei­gung, ir­gend eine Rol­le in der Welt zu spie­len, we­der als Sol­dat, noch als Di­plo­mat, noch im Zi­vil­diens­te. Auf al­les was man ihm vor­schlug, ant­wor­te­te er mit der Mie­ne der Er­ge­bung, dass er dem Wil­len sei­nes Va­ters fol­gen wür­de, dass er selbst aber kein Ver­lan­gen nach Ruhm und Ehre trü­ge.

      Im Grun­de war die­se In­do­lenz nichts wei­ter als ein über­la­de­ner Ab­druck der­je­ni­gen, wel­che sein Va­ter be­saß, die­ser fried­se­li­ge Mann, des­sen Ge­duld an Fühl­lo­sig­keit grenzt und des­sen Selbst­ver­leug­nung weit über das Maß ge­wöhn­li­cher Be­schei­den­heit hin­aus­geht. Was mei­nem On­kel einen An­strich gibt, den sein Sohn nicht hat, ist ein le­ben­di­ges Ge­fühl, das je­doch frei von Prunk und Hoff­art ist, für sei­ne Pf­lich­ten in der Ge­sell­schaft.

      Al­bert schi­en all­ge­mach die Fa­mi­li­en­pflich­ten er­kannt zu ha­ben, al­lein die Pf­lich­ten des öf­fent­li­chen Le­bens, was wir so dar­un­ter ver­ste­hen, schie­nen ihn eben­so­we­nig als in den Ta­gen sei­ner Kind­heit zu be­schäf­ti­gen. Sein und mein Va­ter hat­ten un­ter Mon­te­cu­cul­li ge­gen Tü­ren­ne ge­dient. Sie hat­ten in das Kriegs­hand­werk eine Art re­li­gi­ösen Ge­fühls für die kai­ser­li­che Ma­je­stät hin­ein­ge­tra­gen. Es galt zu ih­rer Zeit für Pf­licht, sich dem ober­herr­li­chen Wil­len blind­lings zu un­ter­wer­fen. Die jet­zi­ge, auf­ge­klär­te­re Zeit streift den Herr­schern den Him­mels­glanz ab und die Ju­gend ist kühn ge­nug, an die Kro­ne so we­nig als an die Tia­ra zu glau­ben. Als mein On­kel es ver­su­chen woll­te, in sei­nem Soh­ne den al­ten rit­ter­li­chen Ei­fer wie­der zu ent­zün­den, ward er bald ge­wahr, dass sei­ne schö­nen Re­den an die­sen stol­zen Klüg­ler ver­lo­ren wa­ren.

      Da es ein­mal so ist, sag­ten sich mein On­kel und mei­ne Tan­te, so wol­len wir ihm nicht wi­der­spre­chen. Wir wol­len nicht noch die­se Wie­der­her­stel­lung ver­pfu­schen, die schon trau­rig ge­nug aus­ge­fal­len ist, die uns statt ei­nes über­spann­ten einen ab­ge­spann­ten Men­schen ge­lie­fert hat. Wir wol­len ihn still nach sei­ner Wei­se le­ben las­sen, möge er sich nun phi­lo­so­phi­schen Stu­di­en an­heim­ge­ben, wie meh­re­re sei­ner Vor­fah­ren, oder möge er lei­den­schaft­li­cher Jä­ger wer­den wie Bru­der Fried­rich, oder möge er sei­ne Freu­de dar­in su­chen, wie wir, sei­nen Un­ter­ta­nen ein ge­rech­ter und gü­ti­ger Herr zu sein. Füh­re er im­mer­hin das fried­sa­me, lei­den­schaft­lo­se Le­ben ei­nes Grei­sen, er wird der ers­te Ru­dol­stadt sein, der kei­ne Ju­gend ge­habt hat. Aber da­mit er nicht der letz­te sei­nes Stam­mes wer­de, wol­len wir ihn ver­mäh­len; viel­leicht wer­den die Er­ben un­se­res Na­mens die­sen Fle­cken im Glan­ze un­se­res Hau­ses wie­der aus­lö­schen. Wer weiß? Es soll viel­leicht das edle Blut sei­ner Ah­nen durch gött­li­che Fü­gung in ihm Ruhe ha­ben, um dann de­sto feu­ri­ger und stol­zer wie­der durch die Adern sei­ner Nach­kom­men zu strö­men.

      Es wur­de dem­nach be­schlos­sen, die Ver­mäh­lung bei Vet­ter Al­bert aufs Ta­pet zu brin­gen.

      Man be­gann mit lei­sen An­deu­tun­gen; da man ihn aber auch die­sem Vor­schla­ge wie je­dem an­de­ren ab­ge­neigt fand, mach­te man ihm ernst­li­che und eif­ri­ge Vor­stel­lun­gen. Er hielt sei­ne Blö­dig­keit ent­ge­gen, sein lin­ki­sches Be­neh­men ge­gen Frau­en.

      – Es ist frei­lich wahr, sag­te mei­ne Tan­te, dass mir in mei­ner Ju­gend ein so fins­te­rer Be­wer­ber wie Al­bert mehr Furcht als Lust ge­macht ha­ben wür­de, und dass ich nicht für mei­nen Hö­cker sei­ne Ge­sell­schaft hät­te ein­han­deln mö­gen.

      – So müs­sen wir denn, sag­te mein On­kel, auf un­se­ren Not­na­gel zu­rück­kom­men und


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