Die schönsten Erzählungen von Guy de Maupassant. Ги де Мопассан

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Die schönsten Erzählungen von Guy de Maupassant - Ги де Мопассан


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sehen, daß wir einen anderem Schmuck schaffen.

      Am nächsten Tage nahmen sie das Etui, worin der Schmuck gelegen hatte und gingen zu dem Juwelier, dessen Name sich darin verzeichnet fand. Er schlug in seinen Büchern nach:

      – Gnädige Frau, ich habe diese Riviere nicht verkauft, von mir ist offenbar nur das Etui.

      Da liefen sie von Juwelier zu Juwelier und suchten überall einen ähnlichen Schmuck und strengten ihr Gedächtnis an, beide ganz krank vor Kummer und Verzweiflung.

      In einem kleinen Laden im Palais Royal fanden sie eine Brillant-Schnur, die ihnen ganz genau so zu sein schien, wie die, die sie suchten. Sie sollte vierzigtausend Franken kosten, aber man wollte sie ihnen für sechsunddreißigtausend lassen.

      Sie baten also den Juwelier, ihnen drei Tage lang das Vorkaufsrecht zu lassen, und sie stellten die Bedingung, daß er ihn für vierunddreißigtausend Franken zurücknehmen mußte, wenn der erste Schmuck sich etwa vor Ende Februar wiederfände.

      Loisel besaß achtzehntausend Franken, die er von seinem Vater geerbt, den Rest wollte er borgen. Er borgte ihn zusammen, von diesem eintausend, fünfhundert von jenem, fünf Zwanzigfrankstücke hier oder drei dort, er schrieb Wechsel, machte verzweifelte Geldgeschäfte und trat mit Halsabschneidern und Wucherern aller Art in Verbindung, er kompromittierte seine ganze Existenz und wagte es zu unterschreiben, ohne zu wissen, ob er je würde zahlen können und, unausgesetzt im Gedanken an die Entbehrungen, an die Zukunft, an das Elend, das über ihren Hausstand kommen würde, durch die in Aussicht stehenden leiblichen Entbehrungen, durch die moralischen Qualen, holte er endlich den neuen Schmuck und legte sechsunddreißigtausend Franken auf den Ladentisch.

      Als Frau Loisel ihrer Freundin den Schmuck brachte, sagte diese etwas pikiert:

      – Du hättest ihn mir auch früher bringen können, ich hätte ihn doch brauchen können!

      Sie öffnete garnicht das Etui, wovor sich ihre Freundin gefürchtet. Wenn sie den Ersatz entdeckt, was hätte sie wohl gesagt? Hätte sie sie nicht für eine Diebin gehalten?

      Frau Loisel lernte das Leben der Bedürftigen kennen. Sie fügte sich übrigens darein, wie eine Heldin. Diese furchtbaren Schuldscheine mußten eben bezahlt werden, und sie würden sie zahlen.

      Sie schickte das Mädchen fort, sie nahm eine andere Wohnung, eine Mansarde unter dem Dach. Nun lernte sie die groben Hausarbeiten kennen, die entsetzlich groben in der Küche.

      Sie wusch selber auf und verdarb ihre rosigen Nägel an den fettigen Töpfen und Schüsseln, sie wusch die schmutzige Wasche, Hemden und Wischtücher, die sie auf einer Schnur zum Trocknen aufspannte.

      Gegen Morgen brachte sie den Kehricht auf die Straße, trug das Wasser herauf und blieb an jedem Treppenabsatz stehen, um Atem zu schöpfen. Wie ein gewöhnliches Weib gekleidet, ging sie selbst auf den Markt, in die Kolonialwarenhandlung, zum Fleischer, den Korb am Arm, handelte und ließ sich schimpfen, denn Pfennig um Pfennig verteidigte sie ihre jammervollen paar Groschen.

      Jeden Monat mußten Wechsel gezahlt werden und andere ausgestellt, nur um Zeit zu gewinnen.

      Der Mann arbeitete Abends daran, die Geschäftsbücher eines Kaufmannes zu führen, und Nachts oft fertigte er Abschriften an für fünf Sous die Seite.

      Und dieses Leben dauerte zehn Jahre.

      Nach zehn Jahren hatten sie alles abgezahlt mit Wucherzinsen und allem.

      Jetzt sah Frau Loisel wie eine alte Frau aus, sie war stark und hart geworden, grob wie ein armes Weib. Sie war nicht mehr frisiert, ihre Röcke saßen unordentlich, ihre Hände waren rot, sie sprach laut und scheuerte die Fußböden.

      Aber manchmal, wenn ihr Mann auf dem Bureau war, setzte sie sich ans Fenster und dachte an diesen Abend damals, an diesen Ball, auf dem sie so schön gewesen und so gefeiert worden.

      Was wäre wohl geschehen, wenn sie den Schmuck nicht verloren? Wer weiß! Wie seltsam veränderlich ist doch das Leben! Wie wenig ist nur von Nöten, uns zu stürzen, oder zu erheben!

      Da gewahrte sie eines Sonntags, als sie in den Champs Elysées, um sich von den Mühen der Woche zu erholen, spazieren ging, eine Dame mit einem Kinde an der Hand. Es war Frau Forestier, immer noch jung, hübsch, verführerisch.

      Frau Loisel war ganz erregt, sollte sie sie anreden? Ja gewiß! Und nun, wo sie alles bezahlt hatten, wollte sie ihr die Wahrheit sagen, und sie trat an sie heran:

      – Guten Tag, Johanna!

      Die andere erkannte sie nicht, sie war erstaunt, von dieser Bürgersfrau so angeredet zu werden und sie stammelte:

      – Ja, Frau – – ich weiß nicht – – Sie täuschen sich wohl?

      – Nein, ich bin Mathilde Loisel!

      Ihre Freundin stieß einen Schrei aus:

      – Ach, meine arme Mathilde, wie bist Du aber verändert!

      – Ja, ich habe schwere Zeiten durchgemacht, seit ich Dich nicht gesehen, und viel Elend und zwar Deinetwegen.

      – Meinetwegen? Wieso denn?

      – Erinnerst Du Dich der Diamant-Schnur, die Du mir geborgt hast, um auf den Ball ins Ministerium zu gehen?

      – Gewiß, und?

      – Nun, ich hatte sie verloren.

      – Aber wie ist denn das möglich, Du hast sie mir doch wieder gebracht!

      – Ich habe Dir eine andere, ganz gleiche wiedergebracht, und seit zehn Jahren zahlen wir daran ab. Du wirst einsehen, daß das für uns eine furchtbare Last gewesen ist, für uns, die wir nichts hatten. Na, nun ist’s vorbei, und jetzt bin ich glücklich!

      Frau Forestier war stehen geblieben:

      – Du sagst, Du hast eine Diamantschnur gekauft, um meine zu ersetzen?

      – Jawohl! Ja, Du wirst das nicht gemerkt haben, sie war ganz gleich.

      Und sie lächelte in naivem Stolz.

      Aber Frau Forestier faßte sie ganz erschüttert bei den Händen:

      – O Gott, o Gott, meine arme Mathilde, meine Schnur war ja falsch! Sie war höchstens fünfhundert Franken wert!

      Die Morithat

       Inhaltsverzeichnis

      Als der Briefträger Bonifacius die Post verließ, stellte er fest, daß heute sein Bestellgang kürzer sein würde denn sonst, und er freute sich darüber außerordentlich.

      Sein Bezirk war die ganze Umgegend von Vireville, und wenn er abends zurückkam in seinem langen, müden Schritt, hatte er manchmal mehr als vierzig Kilometer im Leibe.

      Die Briefabgabe würde also heute schnell gehen, er konnte sich sogar unterwegs ein bißchen aufhalten und würde um drei Uhr wieder zu Hause sein. So ein Glück!

      Er verließ den Ort, auf dem Wege nach Sennemare und begann seinen Dienst. Es war Juni, und alles grünte und blühte, der schönste Monat im Flachland.

      Der Mann, der eine blaue Bluse trug und ein schwarzes Käppi mit roten Streifen, durchschritt die schmalen Wege zwischen den Hafer-oder Getreidefeldern; bis an die Schultern ging ihm das Korn. Sein Kopf ragte über die Ähren, als schwimme der auf einem ruhigen, grünen Meer hin, das sonst eine leichte Brise wellt.

      Er betrat die Bauernhöfe durch das Holzthor in der Hecke, die zwei Reihen Buchen beschatteten. Er nannte jedesmal den Bauer beim Namen:

      – Morgen Herr Chicot!

      Und gab ihm seine Zeitung, den Petit Normand. Der Bauer wischte sich dann die Hand an der Hose, nahm das Blatt in Empfang und steckte es in die Tasche, um es nach dem Mitagessen in Ruhe zu lesen.

      Der Hund, der in seiner Hütte zu Füßen eines überhängenden


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