Das verborgene Netzwerk der Macht. Klaus-Peter Horn

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Das verborgene Netzwerk der Macht - Klaus-Peter  Horn


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dass Sie, beispielsweise auf einer Silvesterfeier, bestimmte biologische Gesetze Ihres eigenen Körpers übertreten haben? An einer Kater-Rückmeldung am Neujahrsmorgen! Wenn Sie die biologischen Grenzen und Gesetze respektieren, fühlen Sie sich wohl in Ihrer Haut. Ebenso fühlen Sie sich als Mitglied eines zwischenmenschlichen Systems unterstützt und gestärkt, wenn Sie dessen Gesetze einhalten, aber persönlich geschwächt, wenn Sie sie missachten.

      Im Unternehmen sind typische Symptome für die Missachtung von Systemgesetzen plötzlich kündigende Mitarbeiter und Kunden, interne Machtkämpfe, Sabotage, massive Umsatzeinbrüche oder lähmende Stagnation.

      Ohne systemische Einbindung steht Sanierung auf schwachen Füßen

      Diese Alarmzeichen werden bisher meist missdeutet. Was tun Unternehmensführer, wenn es hakt und bremst, wenn Motivation, Marktanteile und Umsätze sinken und die Fluktuation steigt? Sie rufen nach Sanierern und Kostendrückern! Doch deren Erfolg ist fraglich – wie manche »Star«-Sanierer öffentlich bewiesen haben. Denn erstens sind nicht alle Probleme durch Controlling in den Griff zu bekommen. Und zweitens verschlimmern viele Sanierer trotz bester Absichten in Unkenntnis ihrer systemischen Wirkung die Situation. Das System reagiert wie auf Eindringlinge und verbraucht so kontraproduktiv seine letzten Kräfte. Ähnlich einem menschlichen Immunsystem wehrt es sich mit Warnsymptomen gegen den Angriff.

      Menschliche Systeme – Familien ebenso wie Unternehmen und Organisationen – wollen überleben und schützen deshalb sich und ihre Mitglieder gegen Angriffe von außen. Wird eines ihrer systemerhaltenden Prinzipien massiv verletzt, folgen daher unbewusste Ausgleichsbewegungen mit unkontrollierbaren Wirkungen. Woran liegt das?

      Ein Unternehmen funktioniert wie ein Netzwerk aus Menschen, Informationen und Technologien und ist mit anderen Netzwerken (Kunden, Markt) eng verbunden. Jede Handlung hat eine Auswirkung auf alle Beteiligten. Deshalb gibt es im Netzwerk ein unausgesprochenes Wissen darüber, was gut ist, was stört und was das Ganze schwächt oder stärkt. Wenn Teile des Netzwerks gegeneinander arbeiten oder sich aus dem Ganzen lösen, funktioniert das System schlecht. Ein Problem bildet sich dann häufig wie ein Warnsymptom und weist auf ein »überzogenes Konto« hin.

      Systemerhaltende Prinzipien

      Was ist, muss sein dürfen: das Prinzip der Würdigung

      Anerkennen der Wirklichkeit eröffnet Lösungsperspektiven

      Was bedeutet »Was ist, muss sein dürfen«? Zunächst einmal ist damit gemeint:

      Die Wirklichkeit darf nicht geleugnet werden! Um handlungsfähig zu sein, müssen die Systemmitglieder anerkennen und würdigen, was ist.

      So einfach, wie das klingt, ist es in der Praxis leider nicht. Zu oft werden kritische Entwicklungen in Unternehmen schöngeredet. Immer wieder kommt es vor, dass Führungskräfte sich selbst einen Abwärtstrend nicht eingestehen. Folgerichtig verschweigen sie auch ihren Kollegen und Mitarbeitern den wahren Ist-Zustand. Alle spüren aber ganz genau, dass etwas nicht stimmt. In manchen Fällen ist das Ausmaß einer Krise im ganzen Unternehmen genauestens bekannt, aber niemand spricht es aus.

      Zuweilen gipfelt diese Verleugnung sogar in einem kollektiven Wahn: »Bald werden wir einen Riesenauftrag bekommen, der die Firma wieder ganz nach vorn bringt.« In Familien gibt es eine ähnliche Verleugnungspraxis, wenn z. B. alle wissen, dass der Vater unheilbar krank ist, diese Tatsache aber voreinander verheimlichen. Gelingt es, die Verleugnung fallen zu lassen und der Wirklichkeit ins Auge zu schauen, hat dieses gemeinsame Würdigen der realen Gegebenheiten etwas Befreiendes und öffnet das System für Lösungen. Denn nun schauen die Beteiligten der Wirklichkeit in ihrer ganzen, oft schmerzhaften Wucht unverstellt und mutig ins Auge. Erst jetzt sind sie handlungsbereit und entscheidungsfähig.

      Auch eine andere Form der Würdigung ist Ihnen vielleicht aus Ihrem beruflichen Alltag bekannt: aktives Anerkennen des Gegebenen. In Situationen von Unsicherheit oder Zweifel über die jeweilige Erwartung oder Aufgabe kann es klärend wirken, wenn die zugrunde liegende systemische Realität bekräftigt wird. Rein rational betrachtet macht es wenig Sinn, etwas auszusprechen, das der andere schon weiß. Trotzdem hat es eine stärkende Wirkung, wenn sinngemäß gesagt wird: »Sie sind der Chefin dieser Abteilung, und ich bin Ihr Mitarbeiter.« »Sie sind mein Kunde, und Ihre Zufriedenheit ist für mich ausschlaggebend.« »Sie sind schon seit 12 Jahren in der Firma, und ich bin jetzt neu dazugekommen.« Auf diese Weise kommuniziert der Sprecher, dass er den eigenen Platz im System und den des Gesprächspartners kennt, anerkennt und bestätigt.

      Der Ausgleich von Geben und Nehmen

      »Schonzeit« für neue Mitarbeiter

      Kennen Sie auch eines dieser Teams, in denen der Löwenanteil der Arbeit von einigen Mitgliedern erledigt wird? Das Ungleichgewicht eines solchen Arrangements ist für Außenstehende offensichtlich – für die Teammitglieder selbst bezeichnenderweise selten. Manchmal sind die Mitgetragenen neue, unerfahrene Kollegen, die sich erst noch einarbeiten müssen. Ein Ausgleich ist leicht möglich und geschieht oft auch ganz natürlich, indem die Neuen spontan würdigen, was sie bekommen. Sie können das zum Ausdruck bringen, indem sie helfen, wo sie können, selbst wenn manche Arbeiten nicht ihrer Qualifikation entsprechen. Wenn aber langjährige Teamkollegen sich bequem zurücklehnen, während andere die Arbeit erledigen, sind sie wohl eher vom »Stamme Nimm«.

      Teamerfolg kann sich erst einstellen, wenn solche Schieflagen korrigiert sind. Ist mehr Gleichgewicht erreicht, stellt sich eine neue Herausforderung: Sind die bisherigen Leistungsträger bereit, die Arbeitslast gerechter aufzuteilen? Auch das ist keinesfalls selbstverständlich! Denn dazu brauchen sie die Bereitschaft, sich selbst zurückzunehmen und Hilfe von anderen anzunehmen. Das verlangt aber ein gewisses Maß an Vertrauen, das gerade handlungsstarken Menschen schwerer fallen kann, als alles selbst zu tun.

      Geben ist nicht immer seliger als Nehmen

      Vielleicht kennen Sie Situationen, in denen gefährliche Schieflagen deshalb entstanden, weil eine Führungskraft sich weigerte, Unterstützung und Mitarbeit anzunehmen und damit auch anderen Entwicklungschancen zu geben. Stattdessen ist solch ein Chef immer für seine Mitarbeiter da, hilft ihnen fraglos, nimmt ihnen schwierige Aufgaben ab und löst sogar Probleme für sie. Die Kehrseite solcher Hilfsbereitschaft ist, dass wirkliche Zusammenarbeit nicht entstehen kann. Die Kluft zwischen seiner Kompetenz und der Abhängigkeit der Mitarbeiter ist schwer überbrückbar. Da die Mitarbeiter auf diese Weise keine Chance bekommen, selbst etwas zu leisten, fühlen sie sich bald nutzlos, verlassen das Unternehmen oder kündigen innerlich. Das Motto »Geben ist seliger als Nehmen« mag im religiösen Kontext ebenso Sinn machen wie im Boxring – systemisch führt es auf Abwege.

      Bei Fusionen ist das Gleichgewicht erfolgsentscheidend

      Wie verhält es sich aber mit dem Ausgleich zwischen Geben und Nehmen auf höheren und größeren Ebenen? Hat er auch in multinationalen Konzernen eine Bedeutung? Betrachten Sie einmal den aktuellen Trend zu Megafusionen mit Blick auf die Aktionäre. Schaut eine Unternehmensleitung einseitig auf den Shareholder-Value, ignoriert sie möglicherweise den Einsatz der Mitarbeiter, dem sie ihren Erfolg mitverdankt. Sie nimmt deren Leistung, ohne sie zu würdigen und angemessen zurückzugeben. Solche Schieflagen bergen heute eines der größten Gefahrenpotenziale, wenn im Zuge von Fusionierung und Globalisierung


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