Nichts ist wahr, alles ist erlaubt. Friedrich Nietzsche

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Nichts ist wahr, alles ist erlaubt - Friedrich Nietzsche


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im Vorgange der Handlung jedes andern zu verstehen. »Ich weiß, was ich will, was ich getan habe, ich bin frei und verantwortlich dafür, ich mache den andern verantwortlich, ich kann alle sittlichen Möglichkeiten und alle inneren Bewegungen, die es vor einer Handlung gibt, beim Namen nennen; ihr mögt handeln, wie ihr wollt, – ich verstehe darin mich und euch Alle!« – so dachte ehemals jeder, so denkt fast noch jeder.

      Auch der Mutigste von uns hat nur selten den Mut zu dem, was er eigentlich weiß …

      Aus der Kriegsschule des Lebens. – Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.

      Hilf dir selber: dann hilft dir noch Jedermann. Prinzip der Nächstenliebe.

      Warum das »Ich« verdoppeln! – Unsere eigenen Erlebnisse mit dem Auge ansehen, mit dem wir sie anzusehen pflegen, wenn es die Erlebnisse anderer sind, – dies beruhigt sehr und ist eine ratsame Medizin.

      Kann ein Esel tragisch sein? – Dass man unter einer Last zu Grunde geht, die man weder tragen, noch abwerfen kann? … Der Fall des Philosophen.

      Hat man sein »warum?« des Lebens, so verträgt man sich fast mit jedem »wie?« – Der Mensch strebt nicht nach Glück; nur der Engländer tut das.

      Die freie Natur. – Wir sind so gern in der freien Natur, weil diese keine Meinung über uns hat.

      Vom Wetter. – Ein sehr ungewöhnliches und unberechenbares Wetter macht die Menschen auch gegen einander misstrauisch; sie werden dabei neuerungssüchtig, denn sie müssen von ihren Gewohnheiten abgehen. Deshalb lieben die Despoten alle Länderstriche, wo das Wetter moralisch ist.

      Der Wille, einen Affekt zu überwinden, ist zuletzt doch nur der Wille eines anderen oder mehrerer anderer Affekte.

      Charaktervoll. – Charaktervoll erscheint ein Mensch weit häufiger, weil er immer seinem Temperamente, als weil er immer seinen Prinzipien folgt.

      Seine Umstände kennen. – Unsere Kräfte können wir abschätzen, aber nicht unsere Kraft. Die Umstände verbergen und zeigen uns dieselbe nicht nur, – nein! Sie vergrößern und verkleinern sie. Man soll sich für eine variable Größe halten, deren Leistungsfähigkeit unter Umständen der Begünstigung vielleicht der allerhöchsten gleichkommen kann: Man soll also über die Umstände nachdenken und keinen Fleiß in deren Beobachtung scheuen.

      Was? Du suchst? Du möchtest dich verzehnfachen, verhundertfachen? Du suchst Anhänger? – Suche Nullen! –

      Posthume Menschen – ich zum Beispiel – werden schlechter verstanden als zeitgemäße, aber besser gehört. Strenger: wir werden nie verstanden – und daher unsre Autorität …

      Der Weise als Astronom. – So lange du noch die Sterne fühlst als ein »Über-dir«, fehlt dir noch der Blick des Erkennenden.

      Der starke, gute Charakter. – Die Gebundenheit der Ansichten, durch Gewöhnung zum Instinkt geworden, führt zu dem, was man Charakterstärke nennt. Wenn jemand aus wenigen, aber immer aus den gleichen Motiven handelt, so erlangen seine Handlungen eine große Energie; stehen diese Handlungen im Einklange mit den Grundsätzen der gebundenen Geister, so werden sie anerkannt und erzeugen nebenbei in dem, der sie tut, die Empfindung des guten Gewissens. Wenige Motive, energisches Handeln und gutes Gewissen machen das aus, was man Charakterstärke nennt. Dem Charakterstarken fehlt die Kenntnis der vielen Möglichkeiten und Richtungen des Handelns; sein Intellekt ist unfrei, gebunden, weil er ihm in einem gegebenen Falle vielleicht nur zwei Möglichkeiten zeigt; zwischen diesen muss er jetzt gemäß seiner ganzen Natur mit Notwendigkeit wählen, und er tut dies leicht und schnell, weil er nicht zwischen fünfzig Möglichkeiten zu wählen hat.

      Wenn der Entschluss einmal gefasst ist, das Ohr auch für den besten Gegengrund zu schließen: Zeichen des starken Charakters. Also ein gelegentlicher Wille zur Dummheit.

      Nicht die Stärke, sondern die Dauer der hohen Empfindung macht die hohen Menschen.

      Wer sich selbst verachtet, achtet sich doch immer noch dabei als Verächter.

      Miterklingen. – Alle stärkeren Stimmungen bringen ein Miterklingen verwandter Empfindungen und Stimmungen mit sich; sie wühlen gleichsam das Gedächtnis auf. Es erinnert sich bei ihnen etwas in uns und wird sich ähnlicher Zustände und deren Herkunft bewusst. So bilden sich angewöhnte rasche Verbindungen von Gefühlen und Gedanken, welche zuletzt, wenn sie blitzschnell hintereinander erfolgen, nicht einmal mehr als Komplexe, sondern als Einheiten empfunden werden. In diesem Sinne redet man vom moralischen Gefühle, vom religiösen Gefühle, wie als ob dies lauter Einheiten seien: In Wahrheit sind sie Ströme mit hundert Quellen und Zuflüssen. Auch hier, wie so oft, verbürgt die Einheit des Wortes nichts für die Einheit der Sache.

      Hat man Charakter, so hat man auch sein typisches Erlebnis, das immer wiederkommt.

      Wer sein Ideal erreicht, kommt eben damit über dasselbe hinaus.

      Man hat schlecht dem Leben zugeschaut, wenn man nicht auch die Hand gesehen hat, die auf eine schonende Weise – tötet.

      Was man versprechen kann. – Man kann Handlungen versprechen, aber keine Empfindungen; denn diese sind unwillkürlich. Wer jemandem verspricht, ihn immer zu lieben oder immer zu hassen oder ihm immer treu zu sein, verspricht etwas, das nicht in seiner Macht steht; wohl aber kann er solche Handlungen versprechen, welche zwar gewöhnlich die Folgen der Liebe, des Hasses, der Treue sind, aber auch aus anderen Motiven entspringen können: Denn zu einer Handlung führen mehrere Wege und Motive.

      Selbstbeobachtung. – Der Mensch ist gegen sich selbst, gegen Auskundschaftung und Belagerung durch sich selber, sehr gut verteidigt, er vermag gewöhnlich nicht mehr von sich, als seine Außenwerke wahrzunehmen. Die eigentliche Festung ist ihm unzugänglich, selbst unsichtbar, es sei denn, dass Freunde und Feinde die Verräter machen und ihn selber auf geheimem Wege hineinführen.

      Unter friedlichen Umständen fällt der kriegerische Mensch über sich selber her.

      Mit seinen Grundsätzen will man seine Gewohnheiten tyrannisieren oder rechtfertigen oder ehren oder beschimpfen oder verbergen: – Zwei Menschen mit gleichen Grundsätzen wollen damit wahrscheinlich noch etwas Grundverschiedenes.

      Der Instinkt. – Wenn das Haus brennt, vergisst man sogar das Mittagsessen. – Ja: aber man holt es auf der Asche nach.

      Wer hat nicht für seinen guten Ruf schon einmal – sich selbst geopfert? –

      Wenn man sein Gewissen dressiert, so küsst es uns zugleich, indem es beißt.

      Vor uns selbst stellen wir uns alle einfältiger als wir sind: wir ruhen uns so von unsern Mitmenschen aus.

      Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.

      Heute möchte sich ein Erkennender leicht als Tierwerdung Gottes fühlen.

      Erleben und Erdichten. – Wie weit einer seine Selbstkenntnis auch treiben mag, Nichts kann doch unvollständiger sein, als das Bild der gesamten Triebe, die sein Wesen konstituieren. Kaum dass er die gröberen beim Namen nennen kann: ihre Zahl und Stärke, ihre Ebbe und Flut, ihr Spiel und Widerspiel untereinander, und vor allem die Gesetze ihrer Ernährung bleiben ihm ganz unbekannt.

      Gefühle und deren Abkunft von Urteilen. – »Vertraue deinem Gefühle!« – Aber Gefühle sind nichts Letztes, Ursprüngliches, hinter den Gefühlen stehen Urteile und Wertschätzungen, welche in der Form von Gefühlen (Neigungen, Abneigungen) uns vererbt sind. Die Inspiration, die aus dem Gefühl stammt, ist das Enkelkind eines Urteils – und oft eines falschen! – und jedenfalls nicht deines eigenen! Seinem Gefühle vertrauen – das heißt seinem Großvater und seiner Großmutter und deren Großeltern mehr gehorchen als den Göttern, die in uns sind: unserer Vernunft und unserer Erfahrung.

      Das Eine, was Not tut. – Eins muss man haben: Entweder einen von Natur leichten Sinn oder einen durch Kunst und Wissen erleichterten Sinn.

      Die Ruhe in der Tat. –


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