Butler Parker 113 – Kriminalroman. Günter Dönges
Читать онлайн книгу.auflösen.«
»Mylady gedenken zu verkaufen?«
»Um neuen Mammon zu erlangen? Nein, Mr. Parker, das würde der Erleuchtete niemals gestatten. Ich werde alles verschenken.«
»Mylady haben sicher bereits bestimmte Vorstellungen, wer beschenkt werden soll?«
»Aber natürlich«, antwortete die Sechzigjährige. »Ich werde meinen irdischen Besitz dem Erleuchteten ausliefern. Er allein weiß, was damit geschehen soll.«
»So etwas hatte ich mir fast schon gedacht«, murmelte der Butler.
»Sagten Sie was, Mr. Parker?«
»Keineswegs, Mylady«, schwindelte Parker. »Mylady wollen für die Zukunft auch das Schreiben aufgeben?«
Der Butler spielte seiner Ansicht nach geschickt auf die Marotte der älteren Dame an, einen Bestseller zu verfassen. Bisher war sie stets der Ansicht gewesen, eine gewisse Agatha Christie in den Schatten stellen zu können. Doch über die erste Seite dieses geplanten Bestsellers war Lady Simpson nie hinausgekommen, aber sie liebte diesen frommen Selbstbetrug.
»Ich werde schreiben«, gab sie zurück und schloß versonnen die Augen, als horche sie in sich hinein, »aber ich werde nur noch die Botschaft des Guru verkünden. Falls er es überhaupt erlaubt. Gehen Sie jetzt, mein Freund, ich möchte allein sein und meditieren!«
Parker wankte durch die Tür, schloß sie leise hinter sich und lehnte sich dann erschöpft gegen die Wand. Er war inzwischen nicht mehr fassungslos, er war erschüttert. Diesen grundlegenden Wandel hatte er nicht erwartet. Sie hatte ihn sogar ›Freund‹ genannt. Das hier war keine neue Marotte seiner Herrin mehr, das schien echt gemeint zu Sein.
Seiner bescheidenen Ansicht nach befand Mylady sich in höchster Gefahr. Er beschloß, dagegen etwas zu unternehmen. Sie mußte vor diesem Guru bewahrt werden.
*
»Mylady meditieren«, vermutete der Butler.
Er befand sich zusammen mit Kathy Porter im Erdgeschoß des Hauses. Sie hielten sich in dem großen Wohnsalon auf und horchten auf das nachdrückliche Umherwandern in den oberen Räumen. Mylady marschierte seit geraumer Zeit durch ihre leeren Räume.
»Sollte man nicht vielleicht den Hausarzt informieren?« fragte Kathy bedrückt.
»Mylady könnte darauf möglicherweise unwillig reagieren«, sagte Parker. »Es ist nicht zu verkennen, daß Mylady genau weiß, was sie tut.«
»Aber so gründlich und schnell kann sich doch kein Mensch ändern«, wunderte sich Kathy und sah den Butler verzweifelt an. »Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu, finden Sie nicht auch, Mr. Parker?«
»Mylady sucht die Erkenntnis seit einigen Wochen«, erwiderte Parker, »in dieser knappen Zeitspanne kann leider viel geschehen.«
»Glauben Sie, daß man sie unter Drogen gesetzt hat, Mr. Parker?«
»Man sollte diese Möglichkeit keinesfalls ausschließen, Miß Porter.«
»Wir müssen ihr Blut untersuchen lassen, Mr. Parker. Wir müssen endlich etwas tun.«
»Da möchte ich Ihnen voll und ganz beipflichten«, stimmte der Butler Myladys Sekretärin zu.
»Wie ist sie eigentlich an diesen Guru geraten?« wollte Kathy Porter wissen. »Ich hatte ja ein paar Tage Urlaub und weiß nicht, was wirklich vorgefallen ist.«
»Leider vermag ich diese Frage nicht zu beantworten«, sagte der Butler bedauernd. »Mylady läßt sich nicht in die Karten sehen, um bei diesem vielleicht etwas vulgären Bild zu bleiben. Mylady gab sich äußerst zurückhaltend, was diesen Punkt betrifft.«
»Glauben Sie wirklich, daß sie nach Indien zieht?«
»Myladys Entschlüsse sind leider, wie die Erfahrung gelehrt hat, recht fest.«
»Das Leben in einer Klosterzelle eines Gurus wird sie doch umbringen.«
»Vielleicht muß auch der Guru dran glauben«, hoffte der Butler freudig. »Mylady kann sehr irritierend wirken.«
»Wir werden sie natürlich nach Indien begleiten, nicht wahr?«
» Selbstverständlich «, beruhigte Parker die Gesellschafterin. »Man wird Lady Simpson, wenn auch aus gehöriger Entfernung, unter Sichtkontrolle halten.«
»Wissen Sie, was ich glaube, Mr. Parker?«
»Ich glaube es erraten zu können.«
»Dieser Guru will sie nur nach allen Regeln der Kunst ausnehmen, Mr. Parker. Er will ihr Vermögen an sich bringen.«
»Dieser Vermutung neige auch ich zu, Miß Porter.«
»Sollte man nicht herauszubekommen versuchen, wer dieser Guru ist?«
»Das ist bereits geschehen, Miß Porter. Die Ergebnisse hören sich leider wenig erfreulich an.«
»Er ist also ein Schwindler, den die Polizei kennt?«
»Das Gegenteil ist leider der Fall«, korrigierte Parker. »Der Guru stammt aus Lahore und hat dort als eine Art regionaler Heiliger gewirkt. Er kam vor einem halben Jahr nach London, um seine Botschaft an die Welt zu verkünden. Die Polizei hat keine Handhabe gegen ihn.«
»Sie wandert nicht mehr herum«, stellte Kathy plötzlich fest und hob lauschend den Kopf. Die junge Dame hatte sich nicht verhört. Lady Simpson hatte ihren Dauermarsch durch die leeren Räume beendet.
«Dann wird es gleich passieren«, murmelte der Butler.
»Was wird passieren?« wollte Kathy neugierig wissen.
»Es wird sich erweisen, daß Mylady mit dem schmalen Bett nicht zurechtkommt«, prophezeite der Butler. Womit er nicht unrecht hatte, wie sich hören ließ. Sein Satz war noch nicht ganz beendet, als man aus dem oberen Schlafraum ein Krachen und Bersten hörte.
»Du lieber Himmel«, stieß Kathy überrascht hervor.
»Ich habe mir erlaubt, das Bett ein wenig zu präparieren«, gestand der Butler verschämt. »Ich wollte Mylady demonstrieren, wie anstrengend Askese sein kann.«
»Sie... Sie reagiert nicht«, sagte Kathy ungläubig, »normalerweise müßte man jetzt doch ihre Stimme hören. Ob ihr etwas passiert ist?«
»Sie erschrecken mich, Miß Porter. Man sollte tatsächlich nachsehen.«
Sie gingen ziemlich eilig über die Treppe nach oben und öffneten vorsichtig die Tür. Durch den schmalen Spalt konnten sie in das ausgeräumte Schlafzimmer sehen.
Parker war ehrlich erschüttert.
Agatha Simpson lag neben den Trümmern ihres schmalen Behelfsbettes auf dem nur kaum gefüllten Strohsack, hatte die Augen geschlossen und machte einen geistesabwesenden, wenn auch offensichtlich glücklichen Eindruck.
*
Das »Kloster der inneren Sammlung« war das Ziel von Kathy Porter, die gerade den Wagen des Butlers verlassen hatte. Sie waren zusammen nach Wimbledon gefahren, um dem Guru einen nächtlichen Besuch abzustatten.
Die große Backsteinvilla in dem parkähnlichen Garten zeigte kein Licht. Die Bewohner des ›Klosters‹ schienen fest zu schlafen. Dennoch kamen dem Butler Bedenken, als er das Haus beobachtete. Sein stets wacher Instinkt meldete Bedenken an. Er hatte den Eindruck, daß drüben hinter den Mauern einiges nicht stimmte. Das große Gebäude war zwar dunkel, doch es machte auf ihn einen gespannten und lauernden Eindruck. Dieses Haus schien ein Organismus zu sein, der lebte...
Es war weit nach Mitternacht. In den angrenzenden Straßen herrschte kaum Verkehr. Parker schüttelte andeutungsweise den Kopf, als Kathy Porter sich in Bewegung setzen wollte. Ihm gefiel dieses Unternehmen immer weniger. Er hatte große Bedenken, seine attraktive Schülerin in dieses Abenteuer zu schicken. Das ›Kloster der inneren Sammlung‹ strömte eine Feindseligkeit aus, die Parker zu spüren glaubte.
»Vielleicht