Maximen und Reflexionen. Иоганн Вольфганг фон Гёте

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Maximen und Reflexionen - Иоганн Вольфганг фон Гёте


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der sich über die eingekommenen Geschenke freut.

      Auf den heiligen Joseph überhaupt haben es die Künstler abgesehen. Die Byzantiner, denen man nicht nachsagen kann, dass sie überflüssigen Humor anbrächten, stellen doch bei der Geburt den Heiligen immer verdrießlich vor. Das Kind liegt in der Krippe, die Tiere schauen hinein, verwundert, statt ihres trockenen Futters ein lebendiges, himmlisch-anmutiges Geschöpf zu finden. Engel verehren den Ankömmling, die Mutter sitzt still dabei; Sankt Joseph aber sitzt abgewendet und kehrt unmutig den Kopf nach der sonderbaren Szene.

      Der Humor ist eins der Elemente des Genies, aber sobald er vorwaltet, nur ein Surrogat desselben; er begleitet die abnehmende Kunst, zerstört, vernichtet sie zuletzt.

      Hierüber kann eine Arbeit anmutig aufklären, die wir vorbereiten: sämtliche Künstler nämlich, die uns schon von so manchen Seiten bekannt sind, ausschließlich von der ethischen zu betrachten, aus den Gegenständen und der Behandlung ihrer Werke zu entwickeln, was Zeit und Ort, Nation und Lehrmeister, was eigne unzerstörliche Individualität beigetragen, sie zu dem zu bilden, was sie wurden, sie bei dem zu erhalten, was sie waren.

      ZWEITEN BANDES DRITTES HEFT (1820)

       Bedenklichstes

      Gar oft im Laufe des Lebens, mitten in der größten Sicherheit des Wandels bemerken wir auf einmal, dass wir in einem Irrtum befangen sind, dass wir uns für Personen, für Gegenstände einnehmen ließen, ein Verhältnis zu ihnen erträumten, das dem erwachten Auge sogleich verschwindet; und doch können wir uns nicht losreißen, eine Macht hält uns fest, die uns unbegreiflich scheint. Manchmal jedoch kommen wir zum völligen Bewusstsein und begreifen, dass ein Irrtum so gut als ein Wahres zur Tätigkeit bewegen und antreiben kann. Weil nun die Tat überall entscheidend ist, so kann aus einem tätigen Irrtum etwas Treffliches entstehen, weil die Wirkung jedes Getanen ins Unendliche reicht. So ist das Hervorbringen freilich immer das Beste, aber auch das Zerstören ist nicht ohne glückliche Folge.

      Der wunderbarste Irrtum aber ist derjenige, der sich auf uns selbst und unsere Kräfte bezieht: dass wir uns einem würdigen Geschäft, einem ehrsamen Unternehmen widmen, dem wir nicht gewachsen sind, dass wir nach einem Ziel streben, das wir nie erreichen können. Die daraus entspringende tantalisch-sisyphische Qual empfindet jeder nur um desto bitterer, je redlicher er es meinte. Und doch sehr oft, wenn wir uns von dem Beabsichtigten für ewig getrennt sehen, haben wir schon auf unserm Wege irgendein anderes Wünschenswerte[s] gefunden, etwas uns Gemäßes, mit dem uns zu begnügen wir eigentlich geboren sind.

      DRITTEN BANDES ERSTES HEFT (1821)

       Eigenes und Angeeignetes in Sprüchen

      Wenn der Mensch alles leisten soll, was man von ihm fordert, so muss er sich für mehr halten, als er ist.

      Solange das nicht ins Absurde geht, erträgt man‘s auch gern.

      Die Arbeit macht den Gesellen.

      Gewisse Bücher scheinen geschrieben zu sein, nicht damit man daraus lerne, sondern damit man wisse, dass der Verfasser etwas gewusst hat.

      Sie peitschen den Quark, ob nicht etwa Creme daraus werden wolle.

      Es ist weit eher möglich, sich in den Zustand eines Gehirns zu versetzen, das im entschiedensten Irrtum befangen ist, als eines, das Halbwahrheiten sich vorspiegelt.

      Die Lust der Deutschen am Unsichern in den Künsten kommt aus der Pfuscherei her; denn wer pfuscht, darf das Rechte nicht gelten lassen, sonst wäre er gar nichts.

      Es ist traurig anzusehen, wie ein außerordentlicher Mensch sich gar oft mit sich selbst, seinen Umständen, seiner Zeit herumwürgt, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen. Trauriges Beispiel: Bürger.

      Die größte Achtung, die ein Autor für sein Publikum haben kann, ist, dass er niemals bringt, was man erwartet, sondern was er selbst auf der jedesmaligen Stufe eigner und fremder Bildung für recht und nützlich hält.

      Die Weisheit ist nur in der Wahrheit.

      Wenn ich irre, kann es jeder bemerken, wenn ich lüge, nicht.

      Der Deutsche hat Freiheit der Gesinnung, und daher merkt er nicht, wenn es ihm an Geschmacks- und Geistesfreiheit fehlt.

      Ist denn die Welt nicht schon voller Rätsel genug, dass man die einfachsten Erscheinungen auch noch zu Rätseln machen soll?

      Das kleinste Haar wirft seinen Schatten.

      Was ich in meinem Leben durch falsche Tendenzen versucht habe zu tun, hab ich denn doch zuletzt gelernt begreifen.

      Die Freigebigkeit erwirbt einem jeden Gunst, vorzüglich wenn sie von Demut begleitet wird.

      Vor dem Gewitter erhebt sich zum letzten Male der Staub gewaltsam, der nun bald für lange getilgt sein soll.

      Die Menschen kennen einander nicht leicht, selbst mit dem besten Willen und Vorsatz; nun tritt noch der böse Wille hinzu, der alles entstellt.

      Man würde einander besser kennen, wenn sich nicht immer einer dem andern gleichstellen wollte.

      Ausgezeichnete Personen sind daher übler dran als andere: da man sich mit ihnen nicht vergleicht, passt man ihnen auf.


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