Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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niemand leben.«

      »Schon gut, ich bin keine solche Alpenspezialistin wie du. Du bekommst ja schon leuchtende Augen, wenn du das Wort Berge nur hörst. Ich frage dich ernstlich, was findest du an den Bergen? Sie sind hoch und stehen im Weg rum. Man braucht endlose Serpentinenstraßen, um drüberzukommen oder kilometerlange Tunnel. Und gefährlich sollen sie auch sein.«

      »So kann nur jemand reden, der die Berge noch nie erlebt hat. Ich spreche nicht, von nicht gesehen. Das ist etwas anderes. Die Berge muß man erleben. Das kann man schlecht beschreiben. Man muß sie ansehen mit ihren schneebedeckten Gipfeln – erleben, wie die Sonne über ihnen aufgeht – erleben mit allen Sinnen, wie die Abendsonne die Gipfel in flammendes Licht taucht. Klar sind sie gewaltig und groß. Ich würde von majestätisch und erhaben sprechen. Sie sind würdevoll und ewig. Die Aussicht! Unter dem Gipfelkreuz zu sitzen, ist ein ganz besonderes Erlebnis! Worte beschreiben das nur unzulänglich. Das innere Gefühl mußt du erlebt haben, Dorothea. Man ist gleichzeitig der Erde und dem Himmel so nahe!«

      »Ich fliege öfter nach Rom, Turin und Mailand. Bei klarem Wetter kann ich dann vom Flugzeug aus die Berge sehen. Zugegeben, im Sonnenschein sind sie ganz schön.«

      »Dorothea, das ist nicht dasselbe.«

      »Schau mal, Sue! Nehmen wir mal an, daß dieser Antonius Baumberger genauso fühlt, dann ist er unmöglich der Richtige für mich. Ich kann nicht umziehen in die Berge. Was soll ich dort machen? Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, daß mir die Berge gefallen. Er wird sich bei mir nicht wohl fühlen. Da, wo ich wohne, ist die Landschaft ziemlich flach. Eine Wochenendbeziehung will ich nicht führen.«

      »Du hast Vorurteile, Dorothea. Du bist nie in den Bergen gewesen. Fahre mal hin und schaue dich um.«

      »Das tue ich mir nicht an.« Dorothea gähnte. »Deine Begeisterung werde ich nie teilen, niemals. Du bist meine beste Freundin. Aber bei allem, was mit Bergen zu tun hat, hast du bei mir keine Chance.«

      Sue schaute auf die Uhr und lachte.

      »Ist schon spät. Ich zeige dir oben das Gästezimmer. In einer Berghütte gibt es unter dem Dach ein Matratzenlager. Der ganze Raum ist mit Polstern und Matratzen ausgelegt. Da legen sich die Bergwanderer einfach nebeneinander hin, schön aufgereiht, Schlafsack an Schlafsack. Und so haben wir unser Gästezimmer auch eingerichtet. Komm, ich zeige es dir. Du hast den ganzen Hüttenboden allein für dich. Einmal kamen alle ehemaligen Klassenkameraden meines Mannes. Zwanzig Leute haben da oben gepennt. Das war ein tolles Wochenende. Wir haben richtigen Hüttenzauber gemacht. Bin gespannt, wie du schlafen wirst. Kannst es ja als Übung betrachten!«

      Sue führte Dorothea über die Dachstiege hinauf. Sie knipste das Licht an. Die Schrägen waren mit Holz verschalt. Überall hingen große Poster mit Bergmotiven. Der ganze Raum war mit Matratzen ausgelegt.

      »Ich habe dir es etwas komfortabler gemacht, Dorothea.«

      Sue wies auf ein Lager mit einem dicken Kissen und einem Federbett. Die Bezüge bestanden aus kariertem Stoff, blauweiß.

      Bald lag Dorothea in den Federn. Das große Giebelfenster stand offen. Von draußen wehte der kühle Nachtwind herein. Dorotheas Gedanken kreisten um Antonius Baumberger.

      Sie konnte nicht einschlafen. Sie war müde. Gleichzeitig unruhig und auf eine seltsame Weise munter. Wenn sie die Augen schloß, sah sie ihn vor sich. Jetzt hatte er einen Namen, Antonius Baumberger. Welch ein Mann, seufzte Dorothea. Wie anders war er als die männlichen Wesen, die sie kannte. War es vielleicht nur das Exotische, das sie so für ihn einnahm. Dann ertappte sich Dorothea dabei, wie sie ihn mit Dirk glich. In Gedanken stellte sie die beiden nebeneinander. Dirk, der Karrieremensch, der immer makellos angezogen war. In seinen dunkelblauen oder schwarzen Nadelstreifenanzügen sah er um Jahre älter aus als er war. Seine Mimik und Gestik waren immer angemessen. Er verhielt sich kontrolliert in jeder Situation. Er sprach immer in einer nüchternen, abgehobenen Art. Jetzt erinnerte sich Dorothea an seinen Abschiedssatz auf dem Bahnsteig. Er wollte mit ihr über ihre Zukunft sprechen. Das hatte er so nüchtern vorgetragen, als wäre es ein Tagungspunkt auf einer Vorstandsversammlung. So hatte sie es auch aufgenommen. Ja, man würde darüber sprechen. Ein Termin für ihren Kalender, nicht mehr.

      Wie hatten sie dagegen die recht belanglosen Sätze von diesem Antonius Baumberger aufgewühlt! Dabei hatte er ihr nur angeboten, ihre Reisetasche zu tragen. Verglich Dorothea die beiden, dann erschien ihr Dirk langweilig und freudlos. Er war eine blasse Erscheinung gegenüber Antonius Baumberger. Noch immer wollte sich Dorothea nicht auf ihre Gefühle einlassen. Sie suchte nach tausend Gründen und Entschuldigungen, warum sich Antonius Baumberger in ihrem Herzen breitgemacht hatte.

      Dabei sollte es doch Dirk gehören, oder?

      So ging das Stunden. Dorothea wälzte sich lange hin und her, bis sie endlich einschlief. Aber auch im Traum ließ Antonius Baumberger ihr Herz nicht los…

      *

      Es war später Vormittag, als Dorothea aufwachte. Sie rekelte sich in den Federn und schaute sich um. Der Raum mit den vielen Matratzen vermittelte ihr ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit.

      Dorothea ging ins Bad. Als sie unter der kalten Dusche stand, mußte sie plötzlich an einen Wasserfall im Gebirge denken. Sie fragte sich, ob das Wasser wirklich so klar und rein und kalt ist. Selbst beim Zähneputzen dachte sie an die Berge. Genauer gesagt, sie fragte sich, was Antonius Baumberger dort machte, wie er lebte. Sie überlegte. Bergsteiger war er sicherlich. Vielleicht war er auch bei der Bergwacht. Ich bin verrückt, dachte Dorothea, daß ich meine Gedanken nicht im Griff habe.

      Ein wenig später betrat Dorothea die Küche. Ihre Freundin Sue saß am Küchentisch und stillte ihren kleinen Sohn.

      »Na, wie hast du geschlafen?«

      »Als ich endlich eingeschlafen war, tief und fest. Und du? Schläft der Kleine durch?«

      »Nein, ich stille ihn kurz nach Mitternacht und dann so wieder um fünf Uhr.«

      »Da mußt du doch total müde sein.«

      »Nein, ich schlafe dann morgens auch so lange, wie er schläft.«

      Der Säugling hatte getrunken. Sue ließ ihn jetzt ein Bäuerchen machen. Dann legte sie ihn in das Kinderbettchen und ließ die Tür offen.

      »So, jetzt gibt es Kaffee und ein richtiges Frühstück, etwas Deftiges, so wie in den Bergen.«

      »Ein Kaffee, schwarz, ohne Zucker und eine Scheibe Toast mit Diätmargarine genügen mir.«

      »Davon kann doch niemand existieren! Ruhe jetzt, du ißt jetzt Eier mit Speck. Du brauchst eine kräftige Unterlage für den heutigen Tag. Sonst kippst du mir am Ende doch um!«

      »Was hast du mit mir vor? Auf hohe Berge kannst du mich nicht schleppen. Die Alpen sind weit weg.«

      Sue schmunzelte.

      »Nicht mehr lange!«

      »Was heißt das?«

      »Erst essen, dann fragen!«

      Dorothea wußte noch aus ihrer Schulzeit, wie stur die Freundin sein konnte. Wenn Sue sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war daran nichts zu ändern. Also fügte sie sich.

      »Die Eier mit Speck sind wirklich lecker. So, meine liebe Sue! Ich war ein braves Mädchen. Jetzt will ich wissen, wie du meinen Urlaub verplant hast.«

      »Das wird eine Überraschung! Ich habe alles mit meinem Mann besprochen. Er muß ein paar Tage auf Geschäftsreise. Irgend etwas mit einer Talsperre.«

      »Mir kommt da ein schrecklicher Gedanke, Sue. Du willst mich doch nicht in die Berge entführen?«

      »Ich habe alles schon klargemacht. Wir fahren zusammen in die Berge. Ich liefere dich in einer Pension ab, dann fahre ich weiter und treffe mich mit meinem Mann. In fünf Tagen hole ich dich ab, auf dem Rückweg.«

      »Nie und nimmer fahre ich in die Berge!«

      »Doch, meine gute Dorothea Annabelle! Wir hatten ein Abkommen. Du kommst, und ich mache die Pläne, was wir so treiben.«


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