G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr. Гилберт Кит Честертон

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G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr - Гилберт Кит Честертон


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Himmel, Hölle, Wolkenbruch! da! da! Nun ist es genug leer!« und er stieß das Glas vom Tisch: ein Haufen Scherben … eine silberne Lache …

      Syme sah ihn selig-neugierig an.

      »Jetzt kapier ich endlich«, rief er. »Natürlich doch, natürlich! Sie sind überhaupt kein alter Mann!«

      »Ich kann mein Gesicht hier nicht ausziehn«, versetzte Professor de Worms. »Das ist nämlich eine raffinierte Aufmachung … Ein alter Mann? Das läßt sich nicht von mir behaupten. Ich bin an meinem letzten Geburtstag achtunddreißig geworden.«

      »Ja. Aber ich meine«, sprach Syme ungeduldig, »– es fehlt Ihnen weiter nichts.«

      »Doch«, sprach der andere gelassen, »ich neige furchtbar zu Schnupfen.«

      Syme lachte und lachte – halb ohnmächtig vor Erlösung. Lachte und lachte über diesen paralytischen Professor, der doch nur eine Maske im Rampenlicht – ein junger Akteur sein wollte … Und aber fühlte, daß er genau so laut gelacht hätte, wenn eine Pfefferstreubüchse umgefallen wäre …

      Der falsche Professor tat einen Schluck – und streichelte seinen Bart.

      »Wußten Sie«, fragte er, »daß jener Gogol einer von den Unsrigen war?«

      »Ich? Nein«, antwortete Syme ziemlich überrascht. »Aber Sie?«

      »Ich wußte es nicht mehr als es ein Toter weiß«, versetzte der Mann, der sich de Worms nannte. »Ich dachte nur, der Präsident meinte mich mit allem. Und war auf alles gefaßt.«

      »Und ich dachte, daß er – mich mit allem meinte«, lachte Syme sein unbekümmertes Lachen.

      »Und hatte die Hand die ganze Zeit am Revolver.«

      »Genau wie ich«, sprach der Professor grimmig. »Und wie Gogol wahrscheinlich auch.«

      Da schrie Syme und schlug auf den Tisch:

      »Nun also – so wären wir unser drei gewesen!« schrie er. »Drei gegen vier von sieben! Wer das gewußt hätte, daß wir unser drei gewesen!«

      Doch da verfinsterte sich das Gesicht des Professors und sah nicht auf und blickte zur Erde. »Ja! Drei!« sagte er. »Aber wenn wir dreihundert gewesen wären, hätten wir doch nichts machen können – –«

      »Auch nicht, wenn wir unser dreihundert gegen vier gewesen wären?« fragte Syme – mit lautem Hohn.

      »Nein«, versetzte de Worms nüchtern. »Und wenn wir dreihundert gegen – – Sonntag gewesen wären.«

      Und die bloße Nennung dieses Namens machte Syme frieren und verstummen. Und sein Lachen erstarb ihm in seinem Herzen, bevor es noch auf seinen Lippen erstarrte. Und das Gesicht dieses Präsidenten, den du nie wieder vergessen kannst, erschien mit einem Ruck vor seinem geistigen Auge – wie eine farbige, von Farben flammende Photographie. Und –- was war das doch für ein Unterschied, für ein Abstand zwischen Sonntag und all seinen Satelliten! Die Gesichter all der andern – und mochten sie noch so unheimlich und blutrünstig scheinen – sie verschwammen und verschwanden, so du an andere Menschengesichter dachtest – – wohingegen Sonntags Größe im Fernsein von ihm und in der Erinnerung nur noch wuchs, als ob das gemalte Porträt eines Menschen langsam zu Leben und Atem würde! …

      Sie schwiegen beide eine ganze Weile. Dann schäumte Syme über – wie Champagnerwein.

      »Professor!« schrie er, »Professor, Professor – es ist unerträglich! Fürchten Sie sich vor diesem Mann?«

      Da hob der Professor seine schweren Lider und sah Syme an – mit großen, weit offenen, blauen Augen – und voll von einer engelgleichen Aufrichtigkeit.

      »Ja! Ich ja!« sprach er leise. »Und – – Sie auch.«

      Wie total verblödet war Syme einen Augenblick. Dann aber sprang er auf, stand ragend, wie ein Herausgeforderter – und der Stuhl hinter ihm fiel um –

      »Ja« – und seine Stimme klang unbeschreiblich – »Sie haben recht. Ich auch fürchte mich vor ihm. Deshalb aber schwör’ ich bei Gott, daß ich diesen Menschen ausfindig machen werde, den ich fürchte, bis ich ihn finde … und ihn aufs Maul schlagen werde. Und war sein Thron der Himmel – und die Erde sein Fußschemel … ich schwöre, daß ich ihn davon herabzerren werde.« »Wie?« starrte der Professor, »und warum?«

      »Weil ich ihn fürchte«, sprach Syme. »Kein Mensch soll in aller Welt das belassen, das er fürchtet.«

      Mit blinder Verwunderung sah da de Worms Syme an. Und wollte etwas sagen – – aber Syme fuhr leise zu reden fort, aber etwas von unmenschlichem Feuer glühte in ihm.

      »Wer möchte sich herbeilassen, nur gegen das zu streiten, das er nicht fürchtet? Wer möchte zu solch billigem, zu solchem Preisboxertum sich erniedrigen? Wer möchte nur so furchtlos sein wie ein Stück Holz? Streite gegen das – was du fürchtest. Kennen Sie die alte Geschichte von dem englischen Geistlichen, der den sizilianischen Briganten mit den letzten Tröstungen versah … und wie der große Räuber dann auf seinem Sterbelager sprach: ›Geld kann ich Ihnen keins geben. Aber diesen Rat für Ihr ganzes Leben lang: Die Hand am Degen – und immer aufwärts schlagen.‹ Und dasselbe sage ich Ihnen: schlagen Sie aufwärts, wenn Sie die Sterne schlagen wollen.«

      Der andere sah – einer seiner Tricks – zur Decke empor.

      »Sonntag ist ein Fixstern«, sprach er.

      »Sie sollen ihn noch als Sternschnuppe erleben«, sprach Syme und setzte seinen Hut auf.

      Dies brachte auch den Professor einigermaßen auf die Beine.

      »Haben Sie irgendeine Idee«, fragte er, wohlwollend und bestürzt zugleich, »was Sie jetzt tun werden?«

      »Ja«, versetzte Syme kurz, »– dieser Bombenwerferei in Paris zuvorkommen.«

      »Haben Sie irgendeine Vorstellung davon: wie?« forschte der andere.

      »Nein«, sprach Syme. In seinem Entschluß verharrend.

      »Sie erinnern sich selbstverständlich«, fing le soidisant de Worms wieder an, »daß – wie wir ziemlich eilig heute aufbrachen – die ganzen Arrangements zu der Abscheulichkeit ganz in die Hände des Marquis und des Dr. Bull gelegt wurden. Der Marquis fährt in diesem Augenblick wohl schon auf dem Kanal. Aber wohin er gehen und was er tun will, das weiß wohl der Präsident selber kaum. Und wir – wir wissen es auf keinen Fall. Der einzige Mensch, der es weiß – ist Dr. Bull.«

      »Wie dumm!« rief Syme. »Und wir wissen nicht, wo der ist.«

      »O, schon«, sprach der andere auf seine kuriose geistesabwesende Art, »ich weiß es schon, ich.«

      »Wollen Sie mir sagen, wo?« fragte Syme mit brennenden Augen.

      »Ich werde Sie mit hinnehmen«, sprach der Professor und holte seinen Hut von einem hölzernen Nagel herunter.

      Syme stand da und starrte ihn an. Grausam aufgeregt.

      »Wie meinen Sie?« fragte er scharf. »Sie wollen mit mir – – Sie wollen es gleichfalls riskieren?«

      »Junger Mann«, sprach der Professor mit Heiterkeit, »es amüsiert mich köstlich, daß Sie denken, ich wäre ein Feigling. Ich will es Ihnen mit einem Wort sagen – und das ganz auf Ihre philosophisch-rhetorische Art und Weise: Sie denken, es sei möglich den Präsidenten zu stürzen. Ich denke, daß das unmöglich ist – – aber ich wills versuchen – –.« Und öffnete damit die Tür der Taverne. Und rauhe Luft drang herein. Und traten hinaus, die beiden. Und gingen miteinand durch finstere Hafenstraßen …

      Fast aller Schnee geschmolzen oder zu Schmutz zertreten. Nur ab und zu noch ein Klumpen, aber auch der dann eher grau als weiß durchs Dunkel herscheinend. Die schmalen Gäßchen naß und lauter kleine Teiche, darauf das rote Licht der Laternen schwamm – von ungefähr wie Fragmente von einer andern und gestürzten Welt. Syme schritt wie geblendet


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