Gesammelte Werke von Nikolai Gogol. Nikolai Gogol

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Gesammelte Werke von Nikolai Gogol - Nikolai Gogol


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Winde, so breitet es unabsehbar, klarer als jemals ein Fluß, seinen gläsernen Spiegel, eine ewige Weide den Menschenaugen.

      Taraß schickte seine Diener zu einem Wagen, der seitab von den andern stand. Es war der größte und stärkste Packwagen im ganzen Troß; schwere doppelte Eisenreifen umspannten die plumpen Räder; die Ladung war mit Pferdedecken und derben Rinderhäuten verhüllt, über die sich stramm die geteerten Seile spannten. Der Wagen trug nichts als Gebinde und Fäßchen voll köstlichen alten Weins, der lange in Bulbas Kellern gelagert hatte. Er führte ihn für irgendeinen besonders feierlichen Augenblick mit sich. Käme einmal eine große Stunde, da das Heer vor einer Aufgabe stände, die würdig wäre, den kommenden Geschlechtern überliefert zu werden, dann sollte jeder Kosak bis zum letzten Mann einen Schluck von dem sonst im Feld verbotnen Weine trinken, auf daß in der großen Stunde ein großes Gefühl die männischen Herzen regiere.

      Die Diener eilten, zu tun, was ihnen der Oberst befahl: sie gingen hin, durchschnitten die Seile mit den Säbeln, taten die derben Ochsenhäute und die Decken herunter und hoben die Gebinde und Fäßchen vom Wagen.

      »Und jetzt«, sagte Bulba, »halte jeder, soviele ihr da seid, her, was er hat: einen Becher, oder den Eimer, mit dem er seinen Gaul tränkt, oder einen Fausthandschuh, oder die Mütze, oder meinetwegen auch die zwei hohlen Hände.«

      Alle Kosaken, soviele ihrer da waren, hielten her, was jeder hatte, der eine einen Becher, der andre den Eimer, mit dem er seinen Gaul tränkte, dieser einen Fausthandschuh, jener die Mütze, manch einer auch die zwei hohlen Hände. Und die Diener des alten Taraß schänkten allen vom Wein aus den Gebinden und Fässern. Taraß aber verbot ihnen zu trinken, bevor er ihnen das Zeichen gäbe; denn sie sollten alle zugleich trinken. Sie sahen, daß er ihnen vorher noch etwas sagen wollte. So stark auch der gute alte Wein ganz von selbst ist, und so gut er ein Mannesherz mit Kraft zu erfüllen versteht – kommt noch ein gutes Wort dazu, so doppelt das die Kraft des Weins und der Herzen. Dies wußte Bulba.

      Und also sprach er: »Ihr Herren und Brüder, zum Wein geladen hab ich euch nicht, meine Erwählung zum Hetman zu feiern, so sehr ich euch danke für diese große Ehre, und auch nicht zur Feier des Abschieds von unsern Kameraden – nein, jedes Ding zu seiner Zeit; dafür ist nicht die Stunde. Schwere Mühe liegt vor uns, große Kosakentaten werden von uns verlangt! Laßt uns darum, alle vereint, zuerst auf den heiligen rechten Glauben trinken; kommen soll endlich die Zeit, da der eine heilige Glaube sich über die ganze Erde ausbreitet und alles beherrscht und alle Ketzer zu wahren Christen macht! Zum zweiten trinken wir auf das Heimatlager; lang soll es stehen und blühen, allen Ketzern zum Verderben, frische Jungmannschaft soll mit jedem neuen Jahr von ihm ausziehn, einer immer tapfrer als der andre, einer immer schmucker als der andre. Zum dritten trinken wir auf unsern eignen Ruhm – mögen noch unsere Enkel und Enkelsöhne von uns singen und sagen, wie wir so treu die Kameradschaft in Ehren hielten und den Freund nicht verrieten. Wohlan denn: auf den Glauben, ihr Herren und Brüder, auf unsern Glauben!«

      »Auf unsern Glauben!« fielen die zunächst Stehenden mit tiefen Stimmen ein.

      »Auf unsern Glauben!« antworteten die ferner Stehenden, und alle, Alte und Junge, tranken auf den heiligen rechten Glauben.

      »Auf unser Lager!« rief Taraß und stieß die Hand hoch über seinen Kopf in die Luft.

      »Auf unser Lager!« hallte es dumpf aus den vordern Reihen wieder.

      »Auf unser Lager!« sagten leise die Alten, ihre grauen Schnauzbärte zuckten.

      Und die Jungen fuhren empor wie erwachende junge Falken und riefen: »Auf unser Lager!«

      Weithin dröhnte das Feld von dem Schrei der Kosaken.

      »Und nun den letzten Schluck, Kameraden: auf unsern Ruhm, und auf jeden Christenmenschen, der in der Welt lebt!«

      Alle Kosaken, vom ersten bis zum letzten Mann, tranken die Neige auf ihren Ruhm und auf jeden Christenmenschen, der in der Welt lebt. Und oft noch scholl es aus den Reihen zurück: »Auf jeden Christenmenschen, der in der Welt lebt.«

      Geleert waren die Becher, doch wie erstarrt standen die Kosaken, die Hand noch gen Himmel geschwungen. Fröhlich glänzten die Augen vom Wein, aber jeder war tief in Gedanken. Nicht an Plünderung dachten sie jetzt und Beute, nicht daran, wieviel ihnen zu gewinnen glücken möchte an goldnen Dukaten, kostbaren Waffen, gestickten Röcken und tscherkessischen Gäulen. Sie spähten gedankenschwer in die Weite, wie Adler, die auf den Gipfeln der Berge thronen, auf schwindelndem Felsgrat, von dem der Blick das unendliche Meer umfaßt. Über seinen Spiegel gleiten, gleich kleinen Vögeln, Galeeren, Korvetten und allerhand Schiffe, fern blauen die dünnen Striche der Küsten, an denen, winzigen Fliegen ähnlich, die Städte liegen und die Wälder zu niedrigem Rasen zusammenschrumpfen. Wie Adler sahen die Kosaken über das Blachfeld, schauten sie in dämmernder Ferne ihr eignes Schicksal. Kommen, fern daherkommen sahen sie die Stunde, da dieses Blachfeld mit allen den Schluchten und Straßen starren würde von ihrem weißen Gebein, getränkt sein würde von ihrem Blut, bedeckt von den Trümmern ihrer Wagen, vom schartigen Eisen zerhauener Säbel und Lanzen. Ringsum, so weit ihre Blicke trugen, würden Kosakenköpfe verstreut sein mit wirrem, blutverklebtem Schopf und hangendem Schnauzbart; und niederstürzen würden die Schwärme der Geier, ihnen die Augen aus ihren Höhlen zu hacken.

      Aber ein Schönes und Großes hat solch ein weites und freies Totenbett: keine herrliche Tat kann sterben! Mag der Pulverrauch aus der Büchse verwehen – niemals verweht der Kosakenruhm.

      Wahrlich, es kommt die Zeit, da einst ein Pandoraspieler, ein rüstiger Graukopf mit wallendem Bart, prophetischen Geistes voll singen und sagen wird vom Ruhme der Helden. Über die Welt hin hallt dann ihr Name; und alles, was lebt, wird ihn nennen. Denn hellen Klang hat das mächtige Wort, gleich dröhnendem Glockenerz, darein der Meister viel köstlichen Silbers verschmolz, daß stark und lieblich der Ton in die Ferne dringe, über Stadt und Dorf, über Schloß und Hütte, und alle Welt vereine zu frommem Gebet.

      Neuntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Drinnen in der Stadt bemerkte niemand, daß nur noch die Hälfte des Kosakenheeres vor den Toren lag. Freilich sahen die Posten auf dem Rathausturm, daß ein Teil der Wagen abgezogen war. Aber die Polen schlossen daraus nur, die Wagen seien im Wald versteckt, und der Feind wolle sie auf die Art täuschen und ihnen einen Hinterhalt legen; diese Meinung teilte auch ihr französischer Stückmeister.

      Alsbald erwies es sich, daß der Hetman richtig prophezeit hatte: die Belagerten begannen von neuem an Nahrungsmangel zu leiden. In jenen alten Zeiten war man in solchen Dingen recht sorglos. Die Polen suchten sich durch einen Ausfall zu helfen – umsonst: die Hälfte des Freiwilligentrupps, der dieses Wagstück unternahm, wurde von den Kosaken niedergemetzelt, die andre Hälfte mit leeren Händen in die Stadt zurückgeworfen. Jedoch die städtischen Juden benutzten die Gelegenheit, vor den Toren alles zu erschnüffeln, was ihnen zu wissen wichtig schien. Sie brachten heraus, warum und wohin ein Teil des Kosakenheers abgezogen war, wie groß dieser Teil war, aus welchen Regimentern er bestand, und welche Obersten ihn führten. Ebenso gut unterrichtet zeigten sie sich darüber, wieviel Regimenter noch vor der Stadt geblieben waren, und was die Belagerer für Pläne hatten. Kurzum: jetzt wußten die Polacken über das alles genau Bescheid. Ihre Obersten schöpften neuen Mut und beschlossen, dem Gegner eine Schlacht zu liefern.

      Taraß merkte das an der Bewegung und dem Lärm in der Stadt. Er traf eilend seine Maßregeln und gab die Ordre aus. Das Heer wurde in drei Haufen geteilt, deren jeder sich in einer Wagenburg wie hinter Festungsmauern verschanzte – eine Schlachtordnung, in der die Kosaken kaum zu besiegen waren. Zwei Regimenter legte der Hetman in den Hinterhalt. Einen Teil des Blachfeldes ließ er mit Fußangeln und Lanzenspitzen spicken. Dorthin wollte er im rechten Augenblick die feindlichen Reiter locken.

      Und als alles so vorbereitet war, hielt er im Ring des Heers eine Rede – nicht, weil er seine Kosaken aufmuntern und ihre Kampflust anfeuern wollte –, er wußte, daß sie auch ohne das siegesgewissen


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