Gesammelte Werke von Nikolai Gogol. Nikolai Gogol

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Gesammelte Werke von Nikolai Gogol - Nikolai Gogol


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Gattin griff wieder zum Schürhaken. Aber Tschub kam in diesem Augenblick aus dem Sacke gekrochen, pflanzte sich mitten im Flur hin und reckte sich, wie ein Mensch, der soeben aus einem langen Schlaf erwacht ist.

      Die Frau des Gevatters schrie auf, schlug sich mit den Händen auf die Hüften, und alle sperrten unwillkürlich die Mäuler auf.

      »Warum sagt das dumme Weib, es sei ein Eber! Es ist doch gar kein Eber!« meinte der Gevatter, die Augen aufreißend.

      »Sieh nur, was für ein Mensch in den Sack geraten ist!« sagte der Weber, vor Angst zurückweichend. »Du kannst sagen, was du willst, aber hier ist sicher der Teufel im Spiele. Der kann ja nicht mal durch ein Fenster kriechen!«

      »Das ist ja mein Gevatter!« rief der Gevatter, ihn erkennend.

      »Und was glaubtest du?« fragte Tschub mit einem Lächeln. »Was, habe ich euch nicht einen feinen Streich gespielt? Ihr wolltet mich schon wie Schweinefleisch aufessen? Wartet, ich will euch noch eine Freude machen: im Sacke liegt noch etwas, wenn auch kein Eber, so doch sicher ein Ferkel oder sonst was Lebendiges. Unter mir hat sich fortwährend etwas bewegt.«

      Der Weber und der Gevatter stürzten sich über den Sack, die Hausfrau klammerte sich an ihn an der anderen Seite, und die Schlägerei wäre wohl wieder losgegangen, wenn nicht der Küster, welcher jetzt einsah, daß er sich nirgends mehr verstecken konnte, von selbst aus dem Sack herausgekommen wäre.

      Die Frau des Gevatters erstarrte vor Schreck und ließ den Fuß los, an dem sie den Küster aus dem Sacke herauszerren wollte.

      »Da ist noch einer!« rief der Weber erschrocken. »Der Teufel weiß, wie es jetzt in der Welt zugeht … Der Kopf dreht sich einem im Kreise … Man wirft jetzt weder Würste noch Brote, sondern Menschen in die Säcke!«

      »Das ist ja der Küster!« sagte Tschub, der mehr erstaunt war als die anderen.

      »Da haben wir’s! Ei, diese Ssolocha! Einen Menschen in einen Sack zu tun… Darum sah ich auch bei ihr die Stube voller Säcke … Jetzt weiß ich alles: sie hatte in jedem Sack zwei Menschen sitzen. Und ich glaubte, daß sie mir allein … So ein Weib ist also diese Ssolocha!«

      Die Mädchen waren etwas erstaunt, als sie den einen Sack nicht mehr vorfanden.

      »Nichts zu machen, wir müssen mit diesem einen fürliebnehmen«, stammelte Oksana.

      Alle packten den Sack und luden ihn auf den Schlitten.

      Der Amtmann entschloß sich, zu schweigen, denn er sagte sich, daß, wenn er schriee, man solle den Sack aufbinden und ihn herauslassen, die dummen Mädchen auseinanderlaufen würden: sie würden glauben, daß im Sacke der Teufel sitze; so würde er vielleicht bis morgen auf der Straße bleiben müssen.

      Die Mädchen faßten sich indessen bei den Händen und sausten wie der Wind mit dem Schlitten über den knirschenden Schnee. Viele von ihnen setzten sich zum Spaß auf den Schlitten, manche stiegen sogar auf den Amtmann. Der Amtmann entschloß sich, alles zu ertragen. Endlich waren sie am Ziel, machten die Türen im Flur und in der Stube weit auf und schleppten den Sack mit Gelächter hinein.

      »Wir wollen mal sehen, was drin ist«, riefen sie alle und begannen, den Sack eilig aufzubinden.

      Da wurde aber das Schlucken, das den Amtmann während seines ganzen Aufenthalts im Sacke gequält hatte, so unerträglich, daß er aus vollem Halse zu schlucken und zu husten begann.

      »Ach, da sitzt ja wer!« schrien alle und rannten erschrocken zur Tür.

      »Zum Teufel! Wohin rennt ihr denn wie Verrückte?« fragte Tschub, in die Tür tretend.

      »Ach, Vater!« sagte Oksana, »im Sacke sitzt wer!«

      »Im Sacke? Wo habt ihr diesen Sack her?«

      »Der Schmied hat ihn mitten auf der Straße liegengelassen«, antworteten alle zugleich.

      – Ja, so ist es: hab’ ich’s nicht gesagt? dachte Tschub bei sich… »Was seid ihr so erschrocken? Schauen wir mal nach. – Nun, guter Mann, nimm mir’s nicht übel, daß ich dich nicht bei deinem Namen und Vaternamen rufe, komm mal aus dem Sack.«

      Der Amtmann kroch heraus.

      »Ach!« schrien die Mädchen.

      – Auch der Amtmann war also in einem Sack –, sagte sich Tschub erstaunt und maß ihn vom Kopfe bis zu den Füßen.

      »So, so!… He!…« Mehr konnte er nicht sagen.

      Der Amtmann war selbst nicht weniger verlegen und wußte nicht was zu sagen.

      »Es ist wohl recht kalt draußen?« fragte er, sich an Tschub wendend.

      »Ein schönes Frostwetter«, antwortete Tschub. »Erlaube mir die Frage: Womit schmierst du dir die Stiefel: mit Schmalz oder mit Teer?« Er wollte gar nicht das sagen; er wollte eigentlich fragen: »Wie kommst du in diesen Sack, Amtmann?«, aber er konnte selbst nicht begreifen, warum er etwas ganz anderes gesagt hatte.

      »Mit Teer ist es besser«, antwortete der Amtmann. »Nun leb wohl, Tschub!« Er zog sich die Kapuze über den Kopf und verließ die Stube.

      »Warum habe ich ihn so dumm gefragt, womit er seine Stiefel schmiert?« sagte Tschub mit einem Blick auf die Tür, durch die der Amtmann gegangen war. »Ei, diese Ssolocha! So einen Menschen in einen Sack zu stecken!… Dieses Teufelsweib! Und ich Dummkopf… Wo ist er aber, der verfluchte Sack?«

      »Ich habe ihn in die Ecke geworfen, es ist nichts mehr drin«, antwortete Oksana.

      »Ich kenne diese Scherze, nichts drin! Gebt ihn mir mal her, da sitzt noch einer drin! Schüttelt ihn ordentlich… Was, nichts drin? Das verdammte Weibsbild! Und wenn man sie anschaut, ist sie wie eine Heilige, als hätte sie nie was anderes als Fastenspeisen im Munde gehabt! …«

      Aber lassen wir Tschub in Muße seinem Ärger Luft machen und wenden wir uns wieder dem Schmied zu, denn die Uhr geht schon sicher auf neun.

      Anfangs war es Wakula ganz unheimlich zumute, besonders als er von der Erde in eine solche Höhe stieg, daß er unten nichts mehr unterscheiden konnte und er wie eine Fliege dicht unter dem Monde vorbeiflog, so daß er, wenn er sich nicht etwas gebückt hätte, ihn mit seiner Mütze gestreift haben würde. Aber etwas später faßte er Mut und fing sogar an, sich über den Teufel lustig zu machen. Es amüsierte ihn außerordentlich, wie der Teufel, sooft er sein Kreuz aus Zypressenholz vom Halse nahm und ihm hinhielt, nieste und hustete. Er hob absichtlich die Hand, um sich den Kopf zu kratzen, aber der Teufel glaubte, daß er ihn bekreuzigen wolle, und flog noch rascher. In der Höhe war alles hell. Die von einem leichten silbernen Nebel erfüllte Luft war durchsichtig. Alles war deutlich zu sehen, und man konnte sogar erkennen, wie ein Hexenmeister, im Topfe sitzend, wie ein Wirbelwind an ihnen vorbeiflog; wie die Sterne, sich zu einem Haufen drängend, Blindekuh spielten; wie etwas abseits eine ganze Schar von Geistern schwärmte; wie ein im Mondscheine tanzender Teufel die Mütze zog, als er den dahersprengenden Schmied erblickte; wie ein Besen, auf dem wohl eine Hexe soeben irgendwohin geritten war, allein heimflog … Noch viele andere üble Dinge sahen sie unterwegs. Beim Anblick des Schmieds machte alles für einen Augenblick halt, flog dann weiter und setzte sein Tun fort; der Schmied flog immer weiter, und plötzlich erstrahlte unter ihm in einem Feuermeer Petersburg. (Es gab da gerade aus irgendeinem Grunde eine Festbeleuchtung.) Der Teufel verwandelte sich, als er den Schlagbaum passiert hatte, in ein Pferd, und der Schmied sah sich auf einmal auf einem guten Renner mitten auf der Straße.

      Mein Gott! Ein Lärm, ein Dröhnen, ein Leuchten; zu beiden Seiten ragten vierstöckige Mauern; das Stampfen der Hufe und das Dröhnen der Räder hallte an vier Seiten wider; die Häuser schienen auf Schritt und Tritt zu wachsen und aus der Erde emporzusteigen; die Brücken zitterten; die Kutschen flogen; die Kutscher und die Vorreiter schrien; der Schnee knirschte unter den Tausenden der von allen Seiten fliegenden Schlitten; die Fußgänger drängten sich längs der mit Lämpchen übersäten Häuser, und ihre riesigen Schatten huschten über die Mauern und erreichten mit den Köpfen die Schornsteine und die Dächer.

      Der Schmied sah


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