Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe. Wilhelm Raabe

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Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe - Wilhelm  Raabe


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nach ihren polackischen Läufern und ihrem Hofzwerge. Als alles sich zusammengefunden hatte, ergriff sie den Arm des kleinmütigen Grafen und stellte sich mit diesem dicht hinter den Spiegelbergischen Zinkenisten an die Spitze des Zuges. Zwischen den beiden Fräulein Ursula und Walburg aber wurde, wie es vorgeschlagen war, der Held des Tages, der Verfasser der Badegesetze des heiligen Borns, der Rektor Hermann Huddäus von Minden, in seinem Armsessel von zwei rüstigen Knechten gleich einem Triumphator einhergetragen.

      Ach, hätte der Gute in dieser seligen Stunde schon gewußt, daß sein lateinisches Gedicht der Welt ebenfalls nicht verlorengehen sollte, daß der berühmte Freund, der Doktor Philippus Melanchthon, dieses Poem in demselben Jahre noch zu Wittenberg, in Quarto, vermehrt mit einer Vorrede und Widmung an den Grafen von Hoya, drucken lassen würde: o, wie hätte das die Wonne seines Herzens vermehrt, wie hätte das die Schmerzen seines kranken Beines gemildert!

      Gravitätisch teilte der Haushofmeister von Pyrmont mit seinem Amtsstabe die herzudringende Menge, welche den Grundherrn und seine vornehmen Gäste auf die tumultuarischste Weise begrüßte auf ihrem Wege über den heiligen Anger. Alle Hunde, Diener und Dienerinnen des Schlosses, welche von ihren Geschäften nicht abgehalten wurden, zogen mit; die reisigen Knechte, unter welchen sich Klaus Eckenbrecher befand, beschlossen den Zug.

      Die Posauner bliesen mit vollen Backen in ihre Instrumente, gewaltiges, stets wiederholtes Jubelgeschrei der Menge stieg auf zum Himmel und klang wider von den Bergen.

      Man näherte sich der großen Brunnenlinde. In Purpur und Gold strahlte der Abendhimmel und überleuchtete mit roter Glut phantastisch die bunten Gewänder, die Zelte, die Hütten, die ineinandergeschobenen Wagen und Karren, die bunten flatternden Fähnchen, die wogende tausendköpfige Menge.

      Auf dem Wege, welchen heute die große Allee beschattet, bewegte sich langsam der Zug des Grafen und seiner Gäste, und eben hatte er sein Ziel, die große Brunnenlinde, erreicht, als die dort versammelte Volksmenge plötzlich nach allen Seiten hin auseinanderschlug und zurückdrängte mit großem Geschrei, wie ergriffen von Furcht und Erstaunen.

      Sechstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Es kommt ein schönes Mädchen zum heiligen Born; Herr Philipp von Spiegelberg wird gewarnt, will aber nicht hören.

      Ein seltsames Abenteuer hatte sich am heiligen Born zu Pyrmont zugetragen und entwickelte sich soeben weiter. Darein verflochten war jener fremde Mann, dessen Ankunft vor zwei Stunden die Aufmerksamkeit Klaus Eckenbrechers und des Volkes so sehr erregt hatte. Wie wir schon erzählt haben, machte die Menge, welche die Gesundheitsquelle umlagerte, dem Fremden bereitwilligst Platz und öffnete ihm den Weg zu dem heiligen Wasser. Er stieg vom Pferde ab, schöpfte eine Handvoll des hervorsprudelnden, frischen, stahlkräftigen Trankes und führte ihn an die Lippen. Sein Knabe war ebenfalls abgestiegen und hatte auf das Gebot seines Herrn ein Fläschchen aus dem Bronnen gefüllt.

      Eben wollten sich Herr und Diener ruhig, wie sie gekommen waren, entfernen, als ein unerwartetes Ereignis, eine – Erscheinung sie aufhielt.

      Die Menge, welche bereits ihr Interesse an den Fremdlingen verloren hatte, wogte von neuem um die heilende Quelle ab und zu, murmelte Gebete, seufzte, ächzte, kreischte, stöhnte, fluchte, lachte, trank, füllte Schalen, Töpfe und Krüge nach gewohnter Weise, und der aufgewirbelte Staub hüllte alles in einen dichten Schleier. Aus diesem Nebel, aus diesem Menschengewühl wand sich auf einmal ein Weib hervor, welches von dem Getümmel dicht vor den Fremdling gedrängt wurde. Ein schönes Weib mit stolzem, lachendem Munde, Feuer in den schwarzen Augen, die hohe Gestalt reich von einem schweren, dunkelblauen Gewande umflossen, ein Hütchen mit Federn auf dem Haupte, ein karmoisinrotes Mäntelchen, welches nach der Mode der Zeit kaum auf die Hüften herabhing, um die Schultern geschlagen.

      »Fausta! Fausta!« rief der fremde Mann bei ihrem Anblick. Weit und starr wurden seine Augen, als erschaudere er im höchsten Schrecken vor einem Gespenst. Er schwankte und hielt sich kaum auf den Füßen; unwillkürlich griff er nach dem Schwert an seiner Seite.

      Auch das Weib schrak heftig zusammen, und ihre rechte Hand umfaßte krampfhaft den Griff eines reichen Dolches, welcher in ihrem Gürtel steckte.

      »Simone Spada!« hauchte sie, und ihre Lippen preßten sich zusammen, ihre Augen sprühten Blitze des Schreckens, des Hohnes, des Hasses.

      Einen kurzen Augenblick standen sich die beiden so, zweifelnd, verwirrten Blickes einander gegenüber, ein jedes verzaubert von dem Auge des andern. Sie kämpften mit den Augen, sie rangen damit gegeneinander an, und was dem staunenden Volk umher Sekunden waren, das wurde ihnen zu Undenklichkeiten voll Schmerz und Grimm. Plötzlich löste sich der Zauber, wie ein elektrischer Schlag schien es den fremden Mann zu durchzucken. Ein dumpfes Stöhnen entrang sich seiner Brust; dann tat er einen Sprung über den kurzen Raum, welcher ihn von dem schönen Weibe trennte.

      »Da das Kloster, der dunkle Kerker dicht nicht zu halten vermag, so stirb, Verworfene!« schrie er außer sich. Sein Degen blitzte in der Abendsonne – das Weib trat zurück und zog ihr Dolchmesser – ein Teil der umdrängenden Menge stob erschreckt auseinander, ein anderer Teil drängte neugierig näher; einige mutige Männer warfen sich dem Fremden entgegen – der Stoß seines Schwertes ging in die leere Luft.

      »Mord, Mord! Nieder, nieder mit dem Friedensbrecher!« schrie die Menge, und – Graf Philipp von Pyrmont samt seinen Gästen, Schwestern und Gefolge erschien unter der Linde am heiligen Born. Von seinem Lehnstuhl aus der Höhe hatte der Rektor Hermann Huddäus jedenfalls den besten und bequemsten Überblick über die sich nun abrollenden merkwürdigen Begebnisse.

      Mit dem Erscheinen des Grundherrn legte sich das Getöse und der Aufruhr allgemach. Der Fremde stand ruhig, hoch aufgerichtet zwischen den ihn umringenden Männern; hinter ihm hielt sein zitternder Knabe die Zügel der schnaubenden, stampfenden Rosse.

      Auch das Weib hatte ruhig die Arme über der Brust zusammengelegt und blickte in die Glut des Abendhimmels, als habe sie durchaus keinen Teil mehr an dem, was um sie her vorgehen würde.

      »Wer ist der Mann? Wer sind diese Leute?« fragte Philipp von Spiegelberg; aber er erhielt keine Antwort aus dem Volk. Ein jeder hing in tiefster Spannung an den Lippen des Unbekannten.

      »Wer seid Ihr? Sprecht!« wandte sich der Graf, die Stirn runzelnd, an den Fremden.

      »Ein Arzt, Simone Spada aus Bologna.«

      »Und was treibt Euch, freventlich den Frieden meines Grund und Bodens zu brechen und Eure Waffe zu erheben gegen ein wehrloses Weib?«

      »Sie ist eine Verfluchte«, sagte der Arzt Simone mit dumpfer Stimme. »Sie ist nicht wehrlos!«

      Das Weib lächelte. Herr Philipp zu Pyrmont ließ es nicht mehr aus dem Auge. Auch Simone Spada lächelte, als er diesen forschenden Blick des jungen Grafen erspähte, aber er lächelte auf sonderliche Weise und rief;

      »Hütet Euch, hütet Euch, Herr! Bei Eurem irdischen und ewiglichen Heil, hütet Euch!«

      »Was sollen die Worte?« sprach der Graf. »Antwortet mir, Meister Simone Spada, weshalb kommet Ihr hierher? Was suchet Ihr zu Pyrmont?«

      »Gott der Herr hat viele heilsame Kräfte in das Wasser dieser Quelle gelegt«, antwortete der Arzt. »Das Gerücht davon ist in die weite Welt gedrungen. Ich war auf der Reise in mein Vaterland begriffen und bin abgeschweift vom Wege, dieses Borns geheime Kräfte zu erkunden.«

      »Und wer seid Ihr?« wandte sich Philipp von Spiegelberg nun an die Unbekannte. Seine Stimme zitterte ein wenig, als er diese Frage tat.

      »Eine Verfluchte! Er sagt es ja! …. O, wie ich dich hasse, Simone Spada!«

      Eine Bewegung und ein Gemurmel ging durch die Menge; der Graf von Pyrmont trat einen Schritt zurück, seine Schwester Walburg faßte seinen linken Arm; seinen rechten Arm drückte Frau Hedwig von Brandenburg braun und blau.

      »Wie nennet Ihr Euch?«

      »Fausta


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