Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe. Wilhelm Raabe

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Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe - Wilhelm  Raabe


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ist gerichtet?«

      »Nein, nein i – um Gottes willen, gnädiger Herr – die andere, die andere meine ich!«

      »Welche andere, Dummkopf? Rede, rede!«

      »Die andere Verzauberte vom vorigen Sommer«, stammelte Franz Lindwurm hervor, »das Weib des blinden Zauberers Simon, der allhier am heiligen Born sein Zauberwerk trieb. Was viele fromme und gottesfürchtige Leute prophezeiet haben, das ist richtig gekommen am Ende; denn wo die Teufel durch Beelzebub ausgetrieben werden, da geht der Krug doch nur so lange zu Wasser, bis er bricht, oder der liebe Gott –«

      »Zur Sache, zur Sache; mach mich nicht wahnsinnig, Bursche!«

      »– seinen Willen darzu gibt«, fuhr Franz Lindwurm, immer mutiger werdend, fort. »Wisset Ihr, wohin vom heiligen Born der blinde Simon gezogen ist, gnädiger Herre? Gen Münden ist er gekommen und hat daselbsten sein junges, liederlich Weibsbild sich antrauen lassen durch einen Pfaffen, welches wohl einer von der rechten Art gewesen sein mag. Die junge Frau ist aber des blinden Satans bald überdrüssig worden, hat ihn vom Hausboden gestürzet, daß er Hals, Arm und Bein gebrochen hat. Darauf hat sie das Aas im Backofen verbrennen wollen, ist aber darbei gegriffen und von den Stadtknechten in den Turm gebracht. Auf meine Ehre und Seligkeit, Herr Graf zu Pyrmont, ich habe selbsten bei ihrem Scheiterhaufen gestanden und hab sie brennen sehen und hab sie nicht im allerwenigsten bedauert, indem –«

      »Aber bei allem, was vernünftig ist, was soll mir das? Was hat das mit der – der Fausta zu tun?«

      »Höret, mein Herre Graf, und versprechet mir, daß Ihr es mich nicht entgelten lassen wollet, was ich euch zu sagen hab als ein treuer Dienstmann.«

      »Sprich, sprich.«

      »Gut denn! … Sie haben sie – ich meine das Weib des blinden Teufelsbanners – auf die Tortur gebracht, und sie hat alles gestanden, sintemalen der Meister Scharfrichter zu Münden seines Amtes im Peinigkeller gut zu warten gewußt hat.«

      Der Graf griff mit beiden Händen vor Ärger in die Haare und stampfte vor Ungeduld die Steinplatten des Bodens, daß das Gemach erzitterte. In seiner Gemütsstimmung war solch zickzackartig laufender Bericht in der Tat eine wahre Höllenqual.

      »Erzürnt Euch nicht, ich bitte Euch, Herr Graf«, fuhr Franz Lindwurm fort. »Also hat der Meister Hammerling alles aus dem Geschöpf herausgezogen, was dem peinlichen Gericht zu wissen nötig war, und noch ein bißchen mehr, und das ist’s, was Euch, Herr Graf zu Pyrmont, mit anbetrifft. Alles, was der Blinde und sie – das Weibsbild, allhier im vorigen Sommer am heiligen Born getrieben haben, ist eitel Gaukelspiel gewesen. Vom Teufel ist sie – ich meine immer des Blinden Beiläuferin – besessen gewesen, aber nicht von einem solchen, so sich durch solchen betrügerischen Halunken austreiben ließe. Sie hat sich nur also anstellen müssen, als sei sie besessen, und der Blinde, der Simon Magus, hat sie darauf erlöset mit leichter Mühe – alles, um das Volk anzulocken. Ihr wisset, Herre Graf, wie gut ihnen solches leider Gottes allhier gelungen ist.«

      »Weiter, weiter!«

      »Ja, weiter. Da solches das hochnotpeinliche Gericht nichts anging, so hat man es auf sich beruhen lassen und sich nur an den Mord des blinden Kerls gehalten und daraufhin den Urtelspruch gefället. Ich hätt auch nichts darvon in Erfahrung gebracht, wenn nicht der Stadtschreiber, so die Geständnisse bei der Torquierung alle aufgezeichnet hat, in der Schenke mein guter Freund worden wäre. Hat er mich also gefraget, ob allhier auf dem Schloß Pyrmont noch eine Maid umgehe, genennet Fausta. Und als ich dazu genicket und – und ihr Lob gesungen hab, hat er mit dem Kopf geschüttelt und gesprochen: wenn er in Euerer Stell wäre, Herr Graf, so würde er weit die Augen aufhalten, auf daß er nicht hinter das Licht geführet würde; eine Gauklerin, Landläuferin, Betrügerin sei die Fausta gleich dem Weib des blinden Simons. – Herr Graf, Herr Graf, o höret mich, ich bin Euer treuer Diener, und Ihr könnet mich hängen lassen, wann’s Euch beliebet; aber meinen Kopf setz ich zum Pfande ein, daß diese Fremde, diese Fausta, ein falsch Spiel gespielt hat, mit dem blinden Zauberer Simon und allein, und auch jetzt wieder falsche Karten ausspielt mit dem Herrn von Camplan, Euch, meinem lieben Herrn, Leib und Seele zu betören und zu verderben!«

      »Nein, nein, nein!« rief Herr Philipp von Spiegelberg, die Hände ballend. »Es ist nicht wahr! Eine Lüge ist’s, eine schandbare Lüge!«

      »Gnädiger Herr, der Stadtschreiber hat’s mir auf seine Ehre versichert und einen teuern Eid darauf geleistet, und die Gauklerin hab ich brennen sehen. Man hätt sie wohl noch länger im Turm gelassen, aber den hohen Herrschaften, so anwesend zur Hochzeit waren, zum Vergnügen und zur Ehren hat man den Scheiterhaufen alsogleich getürmet auf Befehl der fürstlichen Gnaden von Braunschweig. Alle Fürsten, Grafen, Barone und Herren sind in Person, ein jeder mit seinem Gefolge, zugegen gewesen!«

      »Nein, nein, nein!« stöhnte Philipp von Spiegelberg. »Es ist nicht möglich, es kann nicht sein – die Fausta ist keine falsche Betrügerin – keine Gauklerin; ich will sie fragen, ich will –«

      »Gnädiger Herre!«

      »Geh, geh – fort mit dir, und danke Gott, daß ich dir das lose Maul nicht stopfe, wie ich es eigentlich tun sollt!«

      Schnell genug kam Franz Lindwurm diesem Gebote nach, und da ihm der Mund nicht gestopft war, so wußte man binnen kürzester Zeit im Schloß Pyrmont, was der junge Reiter zu Münden über die Fausta La Tedesca in Erfahrung gebracht hatte. Auch Fausta La Tedesca wußte bald darum, und unter der Einwirkung der seltsamen, drohenden Blicke, die ihr überall begegneten und folgten, verlangte sie sehr nach der Heimkehr Cesares. Dieser aber war mit seinen Leuten nach Lügde, wo er im Liboriuskloster mit den Mönchen gute Freundschaft hielt, geritten und sollte erst am folgenden Tage zurückkommen. Mancherlei Boten, die der Ritter auf dem Schloß Pyrmont nicht empfangen konnte und wollte, traf er bei den Vätern Franziskanern zu Lügde.

      Schwer, schwül und schwarz zog es sich um das Schloß am heiligen Born zusammen. Jeden Augenblick konnte das Ungewitter losbrechen, und daß es losbrechen würde, wußte jedermann. O wie lang sind in solchen Stunden die Minuten! Man fürchtet und man ersehnt den ersten Blitzstrahl, den ersten Donnerschlag, der freilich vernichten kann, aber jedenfalls der zusammengepreßten Brust das freie Atmen wiedergibt.

      Vergebens sollten die Schloßbewohner heute hoffen, harren und sich ängsten – heute brach es noch nicht los! Der Graf kam nicht zum Nachtmahl herab, verschlossen blieb seine Tür, welche sich den inständigsten Bitten seiner sorgenden Schwestern nicht öffnete.

      Auch die Fausta stieg an diesem Abend nicht mehr herab aus ihrem Turmgemach. Bleiern schlichen die Stunden der Nacht hin, bis endlich – endlich der fünfundzwanzigste März dämmerte.

      Daß der Spiegelberger während des Abends – während der Nacht nicht kam, Rechenschaft von ihr zu fordern, hatte die Fausta mehr als alles andere beunruhigt. Mit wahrer Sehnsucht hatte sie auf jedes Geräusch gehorcht; aber kein Schritt war die Wendeltreppe heraufgekommen. Trat der Graf in ihr Gemach ein, so wußte sie, daß sie ihm den Fuß von neuem auf den Nacken setzen würde. Er kam nicht, und ruhelos durchwachte sie die Nacht. Und Cesare mußte dazu auch abwesend sein; sein Rat, sein Arm fehlte ihr – sie fühlte sich verlassen, hülflos wie noch nie.

      Das Mondlicht lag draußen auf den Wäldern und Bergen wie in jener ersten Nacht, die sie auf dem Schloß Pyrmont zubrachte, in jener Nacht, welche sie so seltsam mit ihren Träumen und Erinnerungen bevölkerte. Diesmal hafteten ihre Gedanken nicht in der Vergangenheit; der Zukunft wandte sie sich zu: was wird der Morgen bringen?

      Als die Dämmerung des neuen Tages kam, hielt Fausta die Abwesenheit des italischen Ritters und seiner Leute nicht mehr für einen unglücklichen Zufall, sie hielt sie im Gegenteil für ein Glück. Noch vor seiner Rückkehr in die Mauern der Burg, die sich so leicht in Kerkermauern verwandeln konnten, mußte dem Ritter Nachricht werden von dem, was auch ihm verderblich werden konnte in seinen Folgen. –

      Gegen Mittag öffnete sich die Tür des Grafen, und Herr Philipp schritt hervor, anzuschauen gleich einem von langer schwerer Krankheit Auferstandenen. Walburg von Spiegelberg stieß einen Schreckensschrei aus, als sie ihm in das Gesicht blickte; mit einem Schrei schloß ihn Ursula in die Arme. Sanft machte


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