Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe. Wilhelm Raabe
Читать онлайн книгу.seinen lieben Kindern.
Anno 1568 begab er sich in den Stand der heiligen Ehe nach Gottes Willen, und beleibt sich mit des vorgesagten Herrn D. Franziscii Pfeil’s, dieser Alten Stadt Magdeburg damals Syndici lieben ehelichen Tochter Euphemia. Hat mit der Hochzeit gehalten die Faustae. 4.
Gott der Herr hat sie zwar wohl in dem Ehestand gesegnet; aber aegritudines und Betrübniß und Traurigkeit, das liebe Kreuz ist nicht ausblieben. Sechs Kinder haben sie in dem Ehestand mit Gottes Segen gezeuget.
Anno 70 ist ihnen geboren ein Söhnlein, Franciscus genannt, welches am Jammer bald gestorben. Da find’t sich schon der Kummerstrick.
Anno 71 wiederumb gab ihnen Gott einen Sohn, so Tobias genannt, ist auch alsbald gestorben. Das muß wiederum eine sehr harte Strengung gewesen sein.
Anno 72 wird ihnen geboren eine Tochter, Dorothea genannt, welche sie mit göttlicher, gnädiger Verleihung fortgebracht, so auch noch am Leben. Und hat gefreyet den ehrwürdigen, achtbaren und wohlgelahrten Herrn Christophorum Strauß, Pfarrherrn zu Osterburg, meinen günstigen guten Freund, so itzo anwesend bei dieser Leichbestattung. Gott wolle ihn sammt seiner lieben Hausmutter in solcher Betrübniß trösten und sie sammt den Ihrigen gnädiglich erhalten.
Anno 74 hat seine – des Rectors – Hausmutter wiederum einen jungen Sohn, den nennen sie Samuel. Bringt denselben wohl fort, bringt ihn auch wohl an; denn in der Nachbarschaft auf einem Dorf Förderstädt ist er ein Prediger worden; aber lebet der nicht lang. Ist immer krank, stirbt auch endlich, da er die beste Freude und Lust, ja Trost an ihm hätte haben sollen. En laqueus aegritudinis!
Anno 76 haben sie miteinander eine Tochter, so Martha genannt; stirbet auch.
Anno 78 Abermals eine Tochter, kommt aber todt zur Welt. Sehet Betrübniß, Bekümmerniß über Bekümmerniß. Was noch mehr? es ist nicht genug!
Anno 80 stirbet sein lieber Schwähervater D. Franziscus Pfeil, Syndicus, im April.
Im Mayen, den 1. Maii sein liebes Eheweib. Seine liebe Euphemia wird durch den zeitlichen Tod hinweggerissen. Da ist er Wittwer! Da ist aegritudo!
In solchem Wittwenstand sich lang zu halten, ist ihm nicht gerathen gewesen wegen seiner lieben Kinder. Drumb:
Anna 81 Er zum andern Mal sich begiebt in den heiligen Ehestand und freyet seine Magdalena, die jetzt nachgelassene betrübte Wittwe, die Gott gnädiglich trösten wolle. Die holet er aus einem Kloster Isenhagen, bei Lüneburg gelegen. Ihr Vater war Antonius Kindelbruck, ein männlicher, wohlversuchter Kriegsmann, welcher zu Metz, an der französischen Grenze gelegen, im Krieg inter Carolum, den Fünften dieses Namens, Römischen Kaiser und Mauritium von Sachsen umkam und allda in einer Kirchen soll begraben liegen. – Mit derselben hielt er seine Hochzeit die Agathae. –
Mit dieser seiner lieben Hausehre hat er gelebet im Ehestand siebenundzwanzig Jahre und mit derselben sechs Kinder gezeuget.
Erstlich haben sie miteinander einen Sohn gezeuget, so Daniel ist genannt worden. Den läßt die Wartfrau vom Arm fallen auf die Erden, bricht den Rücken entzwei und stirbet. Da findet sich in diesem Ehestand der laqueus aegritudinis wiederum.
Der andere Sohn ist Gabriel genannt worden, so itzt ein Vicarius in summo templo allhie zu Magdeburg.
Der dritte Sohn ist Jonas, ein Studiosus medicinae, so neulich von Paris aus Frankreich ankommen.
Der vierte Sohn ist David, der fünfte Caspar; beide studirend.
Diese Vier sind noch beim Leben und haben ihrem Vater zu Leich nachgefolget. Gott erhalte sie lange sämmtlich und tröste sie.
Der sechste Sohn Elias genannt ist kaum eines Vierteljahres alt geworden und gestorben.
Hierbei in dem Ehestand, was sie Kreuz und Betrübniß da gefunden, wird die betrübte nachgelassene Wittwe gar wohl wissen und erfahren haben!
Jedoch aber nichts desto weniger hat der getreue Gott, der wohl weiß Maaß zu halten in allen Sachen und Versuchungen, nicht allezeit betrübt, sondern auch zuweilen wiederum erfreuet. Dann ihm – dem Herr Rector – ansehnliche gute Vocationes und Bestellungen sind aufgetragen und angemuthet worden; daraus er dann gleichwohl seine Ergötzlichkeit hat nehmen können.
Er ist gefordert worden gen Zerbst zu Sanckt Bartholomäi, gen Leipzig, Wittenberg, Helmstedt, Frankfurt an der Oder zu Professionen; gen Brandenburg in der Neustadt zum Predigtamt. Welche doch Er anzunehmen seine bedenklichen Ursachen gehabt hat.
Nach Hof ist Er oftmals gefordert worden, und sein ihm herrliche Bestallung zugesagt; aber Er setzet: propter inconstantiam aulicam hab er nie Lust gehabt dahin, auch von seinen alten Vorfahren und Freunden gehört: die Rollenhagen hätten nie zu Hofe gut Glück gehabt; darum er wollte lieber frei sein als gebunden.
Bei denen vom Adel ist er sehr lieb und angenehm gewesen; haben ihn gern bei sich gesehen und mit sich sein lassen, Ihn oftmals auch gefordert und mit Verehrungen und Beneficien wohl in Acht genommen. Sonderlich rühmt er die adeligen Familien der Asseburger, Alvensleben, Schulenburger, Münchhausen, Dorstädter et aliorum. Viel Meißnische vom Adel und böhmische und österreichische Herren haben große Freundschaft mit Schriften und andern Mitteln zu ihm gehabt.
Unter der Bürgerschaft hat er dennoch auch gute Leute gehabt, die ihm gewogen und zugethan gewesen, obschon nicht alle, denn:
Schwierig ist’s allen Menschen zu Gefallen zu leben.
Zu wissen aber hat man daneben auch, daß, wie wir alle mit einander er auch ein Mensch gewesen und dann auch ein armer sündiger Mensch. Wie er dann solches bekennt und frei gestanden, wie ich gehöret. Hat auch seine Mängel, Fehl und Gebrechen gehabt; engelrein kann man ihn nicht nennen. Denn wer ist, der da nicht sündiget? Ja, die Allerheiligsten haben nicht allezeit den Becher aufgericht’t getragen und reine gute Seide gespunnen. – – – Tret her Einer, der sich bedünken läßt, daß er mit seiner Sachen so klar und just stehe; werfe auf den ersten Stein! Gelt, wo Einer kommt? Du wirst wohl ein Häcklein im Nacken haben, das Dich zurücke hält!« –
Nun kommt der Redner auf die leiblichen Gebrechen und Krankheiten, die der Selige in seinem langen Lebenslauf zu tragen gehabt hat, die Krankheitsstricke, mit welchen er gebunden gewesen ist. Scharbock und Pest zählt er auf; berichtet, daß der Rector in seiner Jugend von einem Tabulet herunter gefallen sei, theilt mit, daß er oftmals am Bauchgrimmen, Flüssen, Husten, salzigen Dämpfen im Haupt, Fiebern, dem spanischen Pip und andern Uebeln mehr laborirt habe. Er erzählt uns ausführlich davon und läßt nichts aus, fügt auch hinzu:
»Was für Noth von Cholicis doloribus er gehabt, wird wissen und davon reden können der hochgelahrte Herr Doctor Hermeranus Bulderkarr, verordneter alter Medicus dieser Stadt, der ihn curirt hat.«
Wir aber wollen diese Litanei menschlicher Schwachheiten und Hinfälligkeiten dem ausführlichen Grabprediger nicht nachspinnen; hat doch der selige Herr Rector selbst unter sein Bildniß geschrieben:
– wenn der Tod mich greifet an,
Weiß ich geschwind werd dahin gan.
Ist »endlich der letzte Morbus, die letzte Krankheit, zu ihm getreten, die mit ihm zum Tode und Ende geeilet und gearbeitet.« Acht Tage vor Christi Himmelfahrt hat er bei einem Begräbniß in Sankt Jakobs’ Pfarr gegenwärtig sein müssen, daher kommt er krank, von Fieberfrost geschüttelt nach Haus und legt sich auf’s Bett, um nicht wieder davon aufzustehen. Freilich »präscibiret« der Doctor Bulderkarr Medicamente, nach denen er sich »woll tausend Gulden besser« befindet; aber
»Kein einiges Gesetze
Steht im Justinian,
Das durch die schwarzen Netze
Des Todes reißen kann.«
wie ein anderer treffliche Poet, Herr Martinus Opitz von Boberfeld, singt. Weder Hermeranus Bulderkarr noch der andere Doctor, Herr Franz Berkey, vermögen durch ihre Kunst und Wissenschaft das hohläugige Gespenst mit der Sichel, die alles Lebendige wie Gras wegmäht, aus dem Krankenzimmer zu vertreiben, und es spricht der Magister Aaron am Sarge:
»Wird darnach um sieben Uhr