Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman. Günter Dönges

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Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman - Günter Dönges


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dem schmutzigen Steinboden liegen.

      Mit sparsamen Bewegungen stieg Josuah Parker über den Mann. Er hing den Universal-Regenschirm an den gewohnten Platz am Unterarm und schritt gemessen der Treppe zu. Daß er gerade erst einen äußerst gefährlichen und kraftstrotzenden Gegner ausgeschaltet hatte, war ihm überhaupt nicht anzusehen. Selbst sein Atem ging um keine Nuance schneller.

      Im Korridor der ersten Etage bog er nach links ab. Vor dem Zimmer mit der Nummer 12 blieb er stehen, klopfte kurz und diskret an. Abwartend trat er einen Schritt zurück.

      Sein Klopfen blieb ohne Antwort.

      Butler Parker wartete einige Sekunden, obwohl er bereits ahnte, daß Mr. Harrison ausgeflogen war. Dann griff er in die rechte Tasche seines schwarzen kurzen Covercoats und holte einen schmalen, blitzenden Gegenstand hervor. Er führte ihn in das Schlüsselloch hinein und … sperrte die Tür auf. Das geschah mit einer Schnelligkeit und Selbstverständlichkeit, die selbst einem versierten Einbrecher atemloses Staunen abgenötigt hätte.

      Parker trat ein.

      Mit einem schnellen, umfassenden Blick orientierte er sich. Alles deutete darauf hin, daß Mr. Joel Harrison ausgeflogen war. Der eintürige Schrank war weit geöffnet, zwei Schubladen der Kommode hingen heraus. Im Zimmer roch es nach warmem Zigarettenrauch. Aber auch nach einem aufdringlichen, süßlichen Parfüm der billigen Kaufhaussorte. Josuah Parker ließ sich seine Enttäuschung nicht anmerken.

      Um nur wenige Minuten war er zu spät gekommen.

      Der Butler schloß die Tür, stieg nach unten in die schmale, muffige Hotelhalle.

      Als er sie betrat, rappelte der Muskelprotz sich gerade hoch. Noch waren seine Augen leicht glasig. Er starrte den Butler wie eine überirdische Erscheinung an, schien krampfhaft nachzudenken, wann und unter welchen Begleitumständen er diesen ganz schwarz gekleideten Mann wohl gesehen hatte.

      Er schaffte es nicht.

      Parker verbeugte sich andeutungsweise, als er an dem Nachtportier vorbeischritt.

      »Ich bedanke mich nachträglich für Ihre Freundlichkeit«, sagte Josuah Parker. »Für mich ist es immer wieder eine reine Freude, mit höflichen Menschen zusammenarbeiten zu können.«

      Zusätzlich lüftete er seine schwarze, steife Melone.

      In diesem Moment erinnerte sich der Fleischberg. Plötzlich wußte er, was passiert war.

      Keuchend lehnte er sich gegen die Theke. Und starrte fassungslos dem Butler nach, der würdevoll wie ein Bischof die Halle verließ und die Straße betreten wollte.

      Es kostete den Nachtportier sehr viel Anstrengung, ans Telefon zu kommen. Seine Hände zitterten noch, als er eine ganz bestimmte Nummer wählte.

      »Endlich …!« seufzte er auf, als die Verbindung hergestellt war, »hier spricht Mac. Bestellt dem Boß, daß Harrison entdeckt worden ist. Ja doch, von so ’nem komischen Kerl. Wenn ich den erwische, mache ich Hackfleisch aus ihm.«

      Er warf den Hörer in die Gabel und drehte sich langsam um. Seine Augen weiteten sich vor Schreck, als dicht vor ihm dieser ganz in schwarz gekleidete Mann stand.

      Josuah Parker, der zurückgekommen war, verzog keine Miene.

      »Ich stehe zu Ihrer Verfügung«, sagte er kühl »Wenn ich recht hörte, wollen Sie doch Hackfleisch aus mir machen. Übrigens eine Ausdrucksweise, die ich sehr verabscheue.«

      Der Muskelprotz erstickte fast.

      Er schloß für Bruchteile von Sekunden die Augen. Die Angst würgte ihn. Er hatte nicht die geringste Lust, noch einmal mit diesem unheimlichen Besucher anzubandeln.

      Als er die Augen öffnete, war die schwarze Erscheinung verschwunden.

      Da war der Nachtportier Mac Worland fest davon überzeugt, nur geträumt zu haben. Er brauchte aber einige doppelte Whisky, bis er wieder normal atmen konnte …!

      Mike Rander, bekannter Anwalt und Strafverteidiger, bewohnte ein Penthouse in der Lincoln Park Avenue. Vom Dachgarten aus ging der Blick weit über den Michigan-See. Das Brausen des Verkehrs war hier oben in der Dachgartenwohnung des riesigen Apartment-Hauses kaum zu vernehmen. Mike Rander wohnte im Herzen der Riesenstadt Chikago und dennoch auf einer kleinen grünen Insel, die er sich auf dem Dachgarten hatte anlegen lassen. Das Penthouse glich einem kalifornischen Bungalow und bot allen Komfort. Darüber hinaus aber war es eine raffiniert gesicherte Festung, für die die Erfindungsgabe des Butlers verantwortlich zeichnete. Zu oft schon hatten rachsüchtige Gangs und Einzelverbrecher versucht, Mike Rander oder Josuah Parker zu überraschen und zu töten.

      Die Gründe für solche Versuche waren mehr als zahlreich. Neben seiner Arbeit als Strafverteidiger war Mike Rander ein erstklassiger Kriminalist, der sogar von Bundesbehörden häufig um Rat angegangen wurde.

      Anwalt Mike Rander konnte sich dieses Hobby durchaus leisten. Einmal, weil er finanziell ausgezeichnet abgesichert war, zum anderen, weil in seinem Anwaltsbüro erstklassige Mitarbeiter die Routinefälle erledigten.

      Motor dieses Hobbys aber war der Butler Josuah Parker.

      Vor Jahren hatte der knapp 38 Jahre alte Mike Rander drüben in England den Butler engagiert. Als Junggeselle brauchte Rander schließlich einen Menschen, der sich um sein leibliches Wohl kümmerte.

      Nur nach langem Zögern hatte Josuah Parker zugestimmt. Als eingefleischter Engländer hielt er nicht besonders viel von Amerika. Und selbst jetzt nach Jahren war er ein eingefleischter Engländer geblieben. Und ein steifleinener, überaus korrekter Butler dazu. Daß er die Staaten inzwischen schätzte und liebte, ließ er sich grundsätzlich nicht anmerken.

      Wenn Anwalt Mike Rander die Kriminalistik als Hobby betrachtete, so war sie für den Butler zu einer Leidenschaft geworden. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte er seine Anlagen, baute sie aus, brachte sie zu einer atemberaubenden Perfektion.

      Butler Josuah Parker war listenreich wie ein Fuchs, kannte alle Tricks und erfand immer wieder neue dazu. Er verblüffte seine Gegner mit Banalitäten, technischen Überraschungen und immensen Kenntnissen.

      Gangster, die bereits Kontakt mit ihm gehabt hatten, fürchteten ihn wie die Pest. In einschlägigen Kreisen waren seine schwarze Melone und sein Regenschirm fast zu einem Mythos geworden. Selbst Anwalt Rander wurde aus seinem Butler nie ganz klug. Angebote, in Randers Firma als Teilhaber einzutreten, lehnte der Butler stets ab. Er war und blieb der treue Butler seines Herrn, der immer dann zur Stelle war, wenn man ihn brauchte. Und Josuah Parker war immer schnell zur Stelle. Auch wenn er sich einer barocken und reichlich umständlichen Ausdrucksweise bediente, die er selbst in den vertracktesten und gefährlichsten Situationen niemals aufgab.

      Mike Rander wollte sich gerade an den Arbeitstisch setzen, als das Telefon klingelte. Da dieser Anschluß nur über eine Geheimnummer zu erreichen war, mußte es Parker sein. Rander hob den Hörer aus der Gabel und meldete sich. »Sir, ich bedaure es ungemein, Sie stören zu müssen«, begann Josuah Parker. »In Erledigung Ihres Auftrags begab ich mich in das bewußte Hotel, um Mr. Harrison einen Besuch abzustatten.«

      »Trafen Sie ihn an?«

      »Es ist mir peinlich eingestehen zu müssen, Sir, daß ich Mr. Harrison um nur wenige Minuten verpaßte. Durch eine glückliche Fügung des Zufalls wurde ich dann allerdings Zeuge eines Gesprächs, das der Nachtportier mit einem Mann führte, den er in vulgärer Art als ›Boß‹ bezeichnete.«

      »Ist ja toll, Parker …! Hinter Harrisons Verschwinden steckt also doch eine Gang, oder?«

      »Wenn Sie gestatten, Sir, möchte ich Ihnen beipflichten. Ich war in der erfreulichen Lage, mir die vom Nachtportier gewählte Telefonnummer merken zu können.«

      »Parker, machen Sie’s bloß nicht so spannend. Wer versteckt sich hinter dieser Telefonnummer?«

      »Ich nahm mir die Freiheit, das zu ergründen, Sir. Dieser Anschluß ist identisch mit einer Großhandlung für Südfrüchte aller Art. Die betreffende Firma gehört einem gewissen Mr. Walt Hostans. Sie befindet sich im Gebiet der Industriehäfen.«


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