Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон


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rei­ne Män­ner je­der Ge­fahr trotz­ten oder in den Tod gin­gen, der Glau­be Ja­cob Wel­ses und Matt McCar­thys, der In­dia­ner­jun­gen, mit de­nen sie ge­spielt hat­te, der In­dia­ner­mäd­chen, de­ren Feld­her­rin sie im Ama­zo­nen­krieg ge­we­sen, der Wolfs­hun­de so­gar, die sich in den Strän­gen müh­ten und Schlit­ten über den Schnee zo­gen. Das war ein ge­sun­der Glau­be, greif­bar und gut.

      Ein Rot­kehl­chen zirp­te aus dem Bir­ken­wald, ein Reb­huhn schwirr­te im Wal­de auf, ein Eich­hörn­chen schoss über ih­rem Kopf mit si­che­rem Sprung von ei­nem Baum zum an­de­ren. Der Tag be­gann. Vom Fluss her, den sie nicht sah, tön­ten die Rufe der Glücks­jä­ger, die sehr früh das La­ger ver­las­sen hat­ten und an­fin­gen, sich ih­ren schwe­ren Weg nach Nor­den zu er­kämp­fen.

      Als Fro­na Gras und Blu­men lan­ge ge­nug um­armt hat­te, stand sie auf und schlug den al­ten Weg nach dem La­ger des Dyea-Stam­mes ein. Sie be­geg­ne­te ei­nem Kna­ben, der bis auf die ge­flick­ten Ho­sen ein nack­ter Bron­ze­gott war. Er such­te Holz und sah sie bös an. Sie sag­te ihm in der Dyea-Spra­che gu­ten Mor­gen, aber er lach­te frech, und als sie wei­ter­ging, streck­te er ihr die Zun­ge her­aus. So war es frü­her nicht ge­we­sen. Als sie dann ei­nem großen, fins­ter bli­cken­den Sit­ka-In­dia­ner be­geg­ne­te, grüß­te sie nicht.

      Am Ran­de des Wal­des sah sie das La­ger vor sich lie­gen, aber nicht das alte La­ger mit sei­nen zwan­zig oder drei­ßig Hüt­ten, die un­or­dent­lich über das Ge­län­de ver­streut wa­ren. An sei­ner Stel­le be­fand sich da ein mäch­ti­ges Dorf. Es reich­te bis zum Flus­sufer hin­ab, wo die lan­gen Ka­nus, je zehn oder zwölf in ei­ner Grup­pe, la­gen. Von weit­her wa­ren die Stäm­me hier zu­sam­men ge­kom­men. Sie sah lau­ter frem­de In­dia­ner mit ih­ren Wei­bern und Hun­den, ih­rem Hab und Gut. Fro­na er­kann­te Män­ner aus Ju­neau und Wran­gel, Styx mit bren­nen­den Au­gen von jen­seits des Pas­ses, krie­ge­ri­sche Chil­coots und Ein­ge­bo­re­ne der Kö­ni­gin-Char­lot­te-In­sel. Die meis­ten mus­ter­ten sie fins­ter, fast zor­nig; ein paar fre­che Ha­lun­ken rie­fen ihr un­an­stän­di­ge Wor­te zu.

      Sie kränk­te sich nicht, aber sie stell­te mit Trau­er fest, dass die Zei­ten un­ter dem pa­tri­ar­cha­li­schen Zep­ter ih­res Va­ters vor­bei wa­ren. Wie ein scheuß­li­cher Brand war die Zi­vi­li­sa­ti­on über die­ses Volk hin­weg­ge­gan­gen. Durch eine of­fe­ne Zelt­tür sah sie aus­ge­zehr­te Ge­stal­ten im Krei­se auf dem Fuß­bo­den hocken. Vor dem Zelt lag ein Hau­fen zer­bro­che­ner Fla­schen … Zu ih­res Va­ters Zeit hat­ten die In­dia­ner kein Feu­er­was­ser und kei­ne Fla­schen ge­kannt. Auf ei­ner De­cke, die als Spiel­tisch diente, ver­teil­te ein wei­ßer Mann mit ge­mei­nen Zü­gen Spiel­kar­ten, Gold- und Sil­ber­mün­zen kul­ler­ten auf der De­cke um­her. Ein paar Schrit­te da­von schnurr­te ein Glücks­rad. In­dia­ner, Män­ner und Frau­en, setz­ten ihre müh­sam ver­dien­ten Gro­schen, um prunk­vol­le Ge­win­ne zu er­gat­tern, die ih­nen nichts nüt­zen konn­ten. Aus Wig­wams und Hüt­ten ka­men die brü­chi­gen Töne bil­li­ger Spiel­do­sen.

      »Hi – hi! Ten­as Hi-hi!«

      Es durch­rie­sel­te Fro­na bei die­sem Wort. »Ten­as Hi-hi!« Das war ihr Name ge­we­sen … es be­deu­te­te »das klei­ne La­chen« … da­mals, als sie hier un­ter den In­dia­nern ge­lebt hat­te. Sie dreh­te sich um und kau­er­te ne­ben der Al­ten nie­der.

      »Sag rasch, Mut­ter, sag mir rasch dei­nen Na­men!«

      »So schnell hast du uns ver­ges­sen, Ten­as Hi-hi? Und doch sind dei­ne Au­gen jung und scharf. Nip­uh­sa hat müde alte Au­gen, aber ihr Herz ver­gisst nicht so rasch.«

      »Du bist mei­ne alte Nip­uh­sa!« rief Fro­na und strei­chel­te die schmut­zi­gen Run­zel­hän­de.

      »Frei­lich bin ich Nip­uh­sa, die dich in den Ar­men ge­wiegt hat! Dei­nen Na­men habe ich dir auch ge­ge­ben, klei­nes La­chen, und wenn die alte Nip­uh­sa nicht Kräu­ter für dich ge­sam­melt hät­te, für Me­di­zin­tee, dann wärst du gar nicht hier, denn ein­mal hat der Tod dich ha­ben wol­len. Dein Schat­ten ist auf mich ge­fal­len, klei­nes La­chen, da hab’ ich gleich ge­wusst, dass du es bist. Du hast noch das­sel­be Haar, wie brau­ner Tang, und den­sel­ben Mund und die­sel­ben Au­gen. Nip­uh­sa war oft streng mit dir, wenn dein Mund Wor­te spre­chen woll­te, die Lüge wa­ren. Aber du hast im­mer ge­wusst, dass Nip­uh­sa dich lieb hat. Ai, ai! Ganz an­ders sind die wei­ßen Frau­en, die jetzt ins Land kom­men!«

      »Hat eine wei­ße Frau kei­ne Ehre mehr un­ter euch?« frag­te Fro­na. »Eure Män­ner wer­fen böse Din­ge in mein Ohr, und so­gar die Kna­ben la­chen ein häss­li­ches La­chen, wenn sie mich se­hen. So war es nicht, als ich hier ein Kind war.«

      »Ai, ai! Es ist, wie du sagst, klei­nes La­chen. Aber du musst kein zor­ni­ges Wort auf ihre Häup­ter wer­fen. Die wei­ßen Frau­en sind schuld dar­an, die jetzt zu uns kom­men. Sie se­hen alle Män­ner mit fre­chen Au­gen an; ihre Her­zen sind un­rein, und sie ha­ben kei­nen Mann, auf den sie wei­sen kön­nen und sa­gen: ›Dies ist mein Herr.‹ Des­halb sind dei­ne Frau­en un­ter uns ohne Ehre.«

      Jetzt wur­de ein Zelt­zip­fel ge­ho­ben, ein al­ter Mann trat her­vor, grunz­te et­was und kau­er­te sich zu den bei­den.

      »So ist Ten­as Hi-hi wie­der­ge­kom­men in die­sen schlim­men Ta­gen«, sag­te er mit dün­ner, zit­tern­der Stim­me.

      »Wa­rum sind die Tage schlimm, Mus­kim?« frag­te Fro­na. »Sind eure Bäu­che nicht voll vom Mehl und Fleisch und von dem Pro­vi­ant des wei­ßen Man­nes? Ver­die­nen eure jun­gen Män­ner nicht Reich­tü­mer mit Las­ten­tra­gen und Pad­deln? Und brin­gen sie dir nicht, wie in al­ter Zeit, ihr Op­fer der, Fleisch, Fi­sche und De­cken? Ha­ben eure Wei­ber nicht Tü­cher in hel­len, glei­ßen­den Far­ben? Wa­rum sind die Tage schlimm?«

      Der alte Me­di­zin­mann war er­regt. In sei­ne Au­gen trat ein Schim­mer, der an die Glut sei­ner Man­nes­jah­re ge­mahn­te.

      »Un­se­re Frau­en tra­gen Tü­cher in hel­len, glei­ßen­den Far­ben! Aber sie schau­en nur nach den Au­gen der wei­ßen Män­ner, und die jun­gen Män­ner ih­res ei­ge­nen Blu­tes se­hen sie nicht. Des­halb ver­meh­ren un­se­re Stäm­me sich nicht; die klei­nen Kin­der hin­dern un­se­re Schrit­te nicht mehr. Die Bäu­che sind voll vom Mehl und Fleisch und vom Pro­vi­ant des wei­ßen Man­nes, aber sie sind noch vol­ler vom Fu­sel des wei­ßen Man­nes. Wohl ver­die­nen un­se­re jun­gen Män­ner Reich­tü­mer mit Las­ten­tra­gen und Pad­deln. Aber sie sit­zen nachts beim Kar­ten­spiel und las­sen die Dol­lars wie­der da­hin rol­len, in die Ta­sche des wei­ßen Man­nes, aus der sie ge­kom­men sind. Sie spre­chen böse Wor­te zu­ein­an­der, he­ben oft die Fäus­te im Zorn, und ihr Blut ist böse ge­wor­den. Nur we­ni­ge brin­gen dem al­ten Me­di­zin­mann Op­fer­ga­ben, Fleisch, Fi­sche und De­cken. Die jun­gen Frau­en ge­hen nicht mehr die al­ten Wege, die jun­gen Män­ner eh­ren nicht mehr die al­ten To­tems und die al­ten Göt­ter. Des­halb sind es schlim­me Tage, Ten­as Hi-hi, und mit Kum­mer muss der alte Mus­kim ins Grab ge­hen.«

      »Ai! Ai! So ist es!« klag­te Nip­uh­sa.

      »Dein Volk ist toll und hat mein Volk toll ge­macht«, fuhr Mus­kim fort. »Es kam wie bö­ser Wind über das sal­zi­ge Was­ser, dein Volk, und es geht


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