Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann
Читать онлайн книгу.schneiden wußte, verbarg ich in meiner Kutte, und so, zum Morde entschlossen, ging ich zu ihr. “Ich glaube”, fing sie an, “wir haben beide gestern schwere ängstliche Träume gehabt, es kam viel von Abgründen darin vor, doch das ist nun vorbei!” –Sie gab sich darauf wie gewöhnlich meinen frevelnden Liebkosungen hin, ich war erfüllt von entsetzlichem, teuflischen Hohn, indem ich nur die Lust empfand, die mir der Mißbrauch ihrer eignen Schändlichkeit erregte. Als sie in meinen Armen lag, entfiel mir das Messer, sie schauerte zusammen, wie von Todesangst ergriffen, ich hob das Messer rasch auf, den Mord noch verschiebend, der mir selbst andere Waffen in die Hände gab. – Euphemie hatte italienischen Wein und eingemachte Früchte auf den Tisch stellen lassen. – “Wie so ganz plump und verbraucht”, dachte ich, verwechselte geschickt die Gläser und genoß nur scheinbar die mir dargebotenen Früchte, die ich in meinen weiten Ärmel fallen ließ. Ich hatte zwei, drei Gläser von dem Wein, aber aus dem Glase, das Euphemie für sich hingestellt, getrunken, als sie vorgab, Geräusch im Schlosse zu hören, und mich bat, sie schnell zu verlassen. – Nach ihrer Absicht sollte ich auf meinem Zimmer enden! Ich schlich durch die langen, schwach erhellten Korridore, ich kam bei Aureliens Zimmer vorüber, wie festgebannt blieb ich stehen. – Ich sah sie, es war, als schwebe sie daher, mich voll Liebe anblickend wie in jener Vision, und mir winkend, daß ich ihr folgen sollte. – Die Türe wich durch den Druck meiner Hand, ich stand im Zimmer, nur angelehnt war die Türe des Kabinetts, eine schwüle Luft wallte mir entgegen, meine Liebesglut stärker entzündend, mich betäubend; kaum konnte ich atmen. – Aus dem Kabinett quollen die tiefen angstvollen Seufzer der vielleicht von Verrat und Mord Träumenden, ich hörte sie im Schlafe beten! – “Zur Tat, zur Tat, was zauderst du, der Augenblick entflieht”, so trieb mich die unbekannte Macht in meinem Innern. – Schon hatte ich einen Schritt ins Kabinett getan, da schrie es hinter mir: “Verruchter, Mordbruder! nun gehörst du mein!” und ich fühlte mich mit Riesenkraft von hinten festgepackt. – Es war Hermogen, ich wand mich, alle meine Stärke aufbietend, endlich von ihm los und wollte mich fortdrängen, aber von neuem packte er mich hinterwärts und zerfleischte meinen Nacken mit wütenden Bissen! – Vergebens rang ich, unsinnig vor Schmerz und Wut, lange mit ihm, endlich zwang ihn ein kräftiger Stoß, von mir abzulassen, und als er von neuem über mich herfiel, da zog ich mein Messer; zwei Stiche, und er sank röchelnd zu Boden, daß es dumpf im Korridor widerhallte. – Bis heraus aus dem Zimmer hatten wir uns gedrängt im Kampfe der Verzweiflung.
Sowie Hermogen gefallen, rannte ich in wilder Wut die Treppe herab, da riefen gellende Stimmen durch das ganze Schloß: “Mord! Mord!” – Lichter schweiften hin und her, und die Tritte der Herbeieilenden schallten durch die langen Gänge, die Angst verwirrte mich, ich war auf entlegene Seitentreppen geraten. – Immer lauter, immer heller wurde es im Schlosse, immer näher und näher erscholl es gräßlich: “Mord, Mord!” Ich unterschied die Stimme des Barons und Reinholds, welche heftig mit den Bedienten sprachen. – Wohin fliehen, wohin mich verbergen? – Noch vor wenig Augenblicken, als ich Euphemien mit demselben Messer ermorden wollte, mit dem ich den wahnsinnigen Hermogen tötete, war es mir, als könne ich, mit dem blutigen Mordinstrument in der Hand, vertrauend auf meine Macht, keck hinaustreten, da keiner, von scheuer Furcht ergriffen, es wagen würde, mich aufzuhalten; jetzt war ich selbst von tödlicher Angst befangen. Endlich, endlich war ich auf der Haupttreppe, der Tumult hatte sich nach den Zimmern der Baronesse gezogen, es wurde ruhiger, in drei gewaltigen Sprüngen war ich hinab, nur noch wenige Schritte vom Portal entfernt. Da gellte ein durchdringender Schrei durch die Gänge, dem ähnlich, den ich in voriger Nacht gehört. – “Sie ist tot, gemordet durch das Gift, das sie mir bereitet”, sprach ich dumpf in mich hinein. Aber nun strömte es wieder hell aus Euphemiens Zimmern. Aurelie schrie angstvoll um Hilfe. Aufs neue erscholl es gräßlich: “Mord, Mord!” – Sie brachten Hermogens Leichnam! – “Eilt nach dem Mörder”, hört’ ich Reinhold rufen. Da lachte ich grimmig auf, daß es durch den Saal, durch die Gänge dröhnte, und rief mit schrecklicher Stimme: “Wahnwitzige, wollt ihr das Verhängnis fahen, das die frevelnden Sünder gerichtet?” – Sie horchten auf, der Zug blieb wie festgebannt auf der Treppe stehen. – Nicht fliehen wollt’ ich mehr – ja ihnen entgegenschreiten, die Rache Gottes an den Frevlern in donnernden Worten verkündend. Aber – des gräßlichen Anblicks! – vor mir! – vor mir stand Viktorins blutige Gestalt, nicht ich, er hatte die Worte gesprochen. – Das Entsetzen sträubte mein Haar, ich stürzte in wahnsinniger Angst heraus, durch den Park! – Bald war ich im Freien, da hörte ich Pferdegetrappel hinter mir, und indem ich meine letzte Kraft zusammennahm, um der Verfolgung zu entgehen, fiel ich, über eine Baumwurzel strauchelnd, zu Boden. Bald standen die Pferde bei mir. Es war Viktorins Jäger. “Um Jesus willen, gnädiger Herr”, fing er an, “was ist im Schlosse vorgefallen, man schreit Mord! Schon ist das Dorf im Aufruhr. – Nun, was es auch sein mag, ein guter Geist hat es mir eingegeben, aufzupacken und aus dem Städtchen hieher zu reiten; es ist alles im Felleisen auf Ihrem Pferde, gnädiger Herr, denn wir werden uns doch wohl trennen müssen vorderhand, es ist gewiß recht was Gefährliches geschehen, nicht wahr?” – Ich raffte mich auf, und mich aufs Pferd schwingend, bedeutete ich den Jäger, in das Städtchen zurückzureiten und dort meine Befehle zu erwarten. Sobald er sich in der Finsternis entfernt hatte, stieg ich wieder vom Pferde und leitete es behutsam in den dicken Tannenwald hinein, der sich vor mir ausbreitete.
Dritter Abschnitt
Die Abenteuer der Reise
Als die ersten Strahlen der Sonne durch den finstern Tannenwald brachen, befand ich mich an einem frisch und hell über glatte Kieselsteine dahinströmenden Bach. Das Pferd, welches ich mühsam durch das Dickicht geleitet, stand ruhig neben mir, und ich hatte nichts Angelegentlicheres zu tun, als das Felleisen, womit es bepackt war, zu untersuchen. – Wäsche, Kleidungsstücke, ein mit Gold wohlgefüllter Beutel fielen mir in die Hände. – Ich beschloß, mich sogleich umzukleiden; mit Hülfe der kleinen Schere und des Kamms, den ich in einem Besteck gefunden, verschnitt ich den Bart und brachte die Haare, so gut es gehen wollte, in Ordnung. Ich warf die Kutte ab, in welcher ich noch das kleine verhängnisvolle Messer, Viktorins Portefeuille sowie die Korbflasche mit dem Rest des Teufels-elixiers vorfand, und bald stand ich da, in weltlicher Kleidung mit der Reisemütze auf dem Kopf, so daß ich mich selbst, als mir der Bach mein Bild heraufspiegelte, kaum wiedererkannte. Bald war ich am Ausgange des Waldes, und der in der Ferne aufsteigende Dampf sowie das helle Glockengeläute, das zu mir herübertönte, ließen mich ein Dorf in der Nähe vermuten. Kaum hatte ich die Anhöhe vor mir erreicht, als ein freundliches, schönes Tal sich öffnete, in dem ein großes Dorf lag. Ich schlug den breiten Weg ein, der sich hinabschlängelte, und sobald der Abhang weniger steil wurde, schwang ich mich aufs Pferd, um soviel möglich mich an das mir ganz fremde Reiten zu gewöhnen. – Die Kutte hatte ich in einen hohlen Baum verborgen und mit ihr all die feindseligen Erscheinungen auf dem Schlosse in dem finstern Wald gebannt; denn ich fühlte mich froh und mutig, und es war mir, als habe nur meine überreizte Phantasie mir Viktorins blutige, gräßliche Gestalt gezeigt und als wären die letzten Worte, die ich den mich Verfolgenden entgegenrief, wie in hoher Begeisterung, unbewußt aus meinem Innern hervorgegangen und hätten die wahre geheime Beziehung des Zufalls, der mich auf das Schloß brachte und das, was ich dort begann, herbeiführte, deutlich ausgesprochen. –Wie das waltende Verhängnis selbst trat ich ein, den boshaften Frevel strafend und den Sünder in dem ihm bereiteten Untergange entsündigend. Nur Aureliens holdes Bild lebte noch wie sonst in mir, und ich konnte nicht an sie denken, ohne meine Brust beengt, ja physisch einen nagenden Schmerz in meinem Innern zu fühlen. – Doch war es mir, als müsse ich sie vielleicht in fernen Landen wiedersehen, ja, als müsse sie, wie von unwiderstehlichem Drange hingerissen, von unauflöslichen Banden an mich gekettet, mein werden.
Ich bemerkte, daß die Leute, welche mir begegneten, stillstanden und mir verwundert nachsahen, ja daß der Wirt im Dorfe vor Erstaunen über meinen Anblick kaum Worte finden konnte, welches mich nicht wenig ängstigte. Während daß ich mein Frühstück verzehrte und mein Pferd gefüttert wurde, versammelten sich mehrere Bauern in der Wirtsstube, die, mit scheuen Blicken mich anschielend, miteinander flüsterten. – Immer mehr drängte sich das Volk zu, und mich dicht umringend, gafften sie mich