Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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Stall in den Hausflur hinauf und endlich in die Prunkzimmer der Dame hineinschmeichelte. – Nur so viel davon! – Die Kavalkaden des kleinen Knaben, welcher der Mutter Liebling zu sein schien, retteten mich zuerst aus dem Stall, und die Zuneigung des holden Mädchens, der ich gleich mit ganzer Seele ergeben, als ich sie zum ersten Male sah, brachte mich endlich in die Zimmer. Das Mädchen sang so vortrefflich, daß ich es wohl merkte, wie der Kapellmeister Johannes Kreisler nur sie gemeint hatte, wenn er von der geheimnisvollen zauberischen Wirkung des Tons der Sängerin sprach, deren Gesang in seinen Werken lebe oder sie vielmehr dichte. – Sie hatte nach Art der guten Sängerinnen in Italien die Gewohnheit, jeden Morgen eine gute Stunde lang zu solfeggieren; ich schlich mich dann bei guter Gelegenheit zu ihr in den Saal, wo der Flügel stand und horchte ihr aufmerksam zu. Hatte sie geendigt, so gab ich ihr meinen Beifall durch allerlei lustige Sprünge zu erkennen, wofür sie mich mit einem guten Frühstück belohnte, das ich auf die anständigste Weise, ohne den Fußboden zu beschmutzen, verzehrte. So kam es denn, daß man endlich im ganzen Hause von meiner Artigkeit und von meiner besondern Neigung zur Musik sprach, und Cäcilie besonders nächst diesen guten Eigenschaften meine Galanterie gegen ihr Seidenhäschen rühmte, das mich ungestraft bei den Ohren zupfe u.s.w. Die Dame vom Hause erklärte mich für einen scharmanten Hund, und ich wurde, nachdem ich einem literarischen Tee und einem Konzert mit der gehörigen Würde und einem nachahmenswerten Anstande beigewohnt, der Kammerklub, dem mein romanesker Eintritt ins Haus erzählt worden, mich auch mit dem einstimmigsten Beifall beehrt hatte, zum Leibhunde Cäciliens erhoben, und so war das Ziel, wonach ich gestrebt, richtig erlangt.

      Ich. Nun ja, du bist in einem eleganten Hause, du bist der Liebling eines nach deinen Andeutungen recht lieben Mädchens, allein du wolltest von der oberflächlichen Tendenz, von der Unwahrheit sogenannter poetischer Gemüter reden und dann besonders die Katastrophe erzählen, die dich hertrieb?

      Berganza. Sachte – sachte – mein Freund! – Laß mich erzählen, wie es mir in den Sinn kommt. Ist es nicht wohltätig für mich, bei manchem frohen Augenblick meines neuesten Lebens länger zu verweilen? – und dann gehört das alles, was ich über den Eintritt in das Haus, das ich jetzt zur Hölle wünsche, erzählt habe, eben zu der unglücklichen Katastrophe, die ich nachher so geschwind wie möglich mit ein paar Worten abfertigen will; es sei denn, daß mein verdammter Hang, alles so hell und farbicht mit Worten auszumalen, wie es vor meines Geistes Augen steht, mich wieder hineinführt, wohin ich nicht wollte!

      Ich. Nun so erzähle, lieber Berganza, – nach deiner Art weiter fort.

      Berganza. Die Cannizares hatte doch wohl am Ende recht.

      Ich. Was soll das jetzt?

      Berganza. Man sagt wohl: der Teufel mag das erraten; der Teufel errät aber manches doch nicht, und darum sagt man auch wieder: das ist ein dummer Teufel! – Eine besondere Bewandtnis hat es immer mit mir und mit meinem Freunde Szipio gehabt. – Am Ende bin ich wirklich der Montiel, der aus der Art geschlagen, und dem die Hundemaske, die ihn strafen sollte, nun zur Freude und zum Ergötzen dient. –

      Ich. Berganza, ich verstehe dich nicht.

      Berganza. Hätt' ich denn mit meinem treuen Gemüt für alles Gute und Wahre, mit meiner tiefen Verachtung alles oberflächlichen, allem Heiligen entarteten Weltsinnes, der die Menschen jetzt mehrenteils befängt, all die köstlichen Erfahrungen, einen Schatz sogenannter Lebensphilosophie, sammeln können, träte ich auf in stattlicher Menschengestalt! – Dank dir, Teufel, der du das Hexenöl unwirksam auf meinem Rücken braten ließest! Nun liege ich unbeachtet als Hund unter dem Ofen, und eure innerste Natur, ihr Menschlein, die ihr ohne Scham und Scheu vor mir entblößt, durchschaue ich mit dem Hohn, mit dem tiefen Spott, den eure ekle leere Aufgedunsenheit verdient.

      Ich. Haben dir die Menschen nie Gutes erzeigt, daß du so mit Bitterkeit über das ganze Geschlecht herfällst?

      Berganza. Mein lieber Freund, in meinem ziemlich langen Leben habe ich wohl manche, vielleicht unverdiente Wohltat empfangen, und dankbar gedenke ich jedes frohen genußreichen Augenblicks, den mir dieser oder jener absichtslos verschaffte. Merke auf! – Absichtslos habe ich gesagt. Mit dem Gutes tun, meine ich, ist es eine eigne Sache. Wenn mir einer den Rücken kratzt oder sanft die Ohren kitzelt, welches mich gleich in einen behaglichen träumerischen Zustand versetzt, oder mir das schönste Stück Braten gibt, damit ich mich willig finden lasse, zu seiner Lust den Stock, den er weit weggeschleudert oder gar in das Wasser geworfen, wiederzuholen oder, auf den Hinterpfoten sitzend, aufzuwarten (ein mir in den Tod verhaßtes Manöver), so hat er mir durchaus nichts Gutes getan; es war ein Geben und Empfangen, Kauf und Verkauf, wobei von Gutes tun und Pflichten der Dankbarkeit nicht die Rede sein kann. Aber der krasse Egoismus der Menschen bewirkt es, daß jeder nur mit Prahlerei das Gegebene rühmt und sich des Empfangenen wohl gar schämt, und so kommt es denn oft, daß zwei zugleich wechselseitig über Undankbarkeit für genossene Wohltaten klagen. Mein Freund Szipio, dem es auch manchmal schlecht ging, diente zur Zeit auf dem Dorfe bei einem reichen Bauer, der ein harter Mann war und ihm beinahe nichts zu fressen, oftmals aber eine tüchtige Tracht Prügel gab. Einmal hatte Szipio, dessen Fehler Näschigkeit sonst nicht war, aus reinem Hunger einen Topf Milch ausgesoffen, und der Bauer, der es bemerkt, ihn bis aufs Blut geschlagen; Szipio sprang schnell zum Hause hinaus, um dem gewissen Tode zu entgehen, denn der rachsüchtige Bauer ergriff eben die eiserne Hacke; er rannte durch das Dorf, als er aber bei dem Mühlenteiche vorbeikam, sah er, daß des Bauers dreijähriger Sohn, der eben am Ufer gespielt, in die Wellen stürzte. Szipio war mit einem tüchtigen Sprunge im Wasser, faßte das Kind mit den Zähnen bei den Kleidern und schleppte es glücklich bis auf die grüne Wiese, wo es sich alsbald erholte und seinen Retter anlächelte und liebkoste; nun rannte aber Szipio, so schnell als er konnte, davon, um nie wieder in das Dorf zurückzukehren. Siehst du, mein Freund, das war ein reiner Liebesdienst. – Verzeih mir, daß ein ähnliches Beispiel von einem Menschen mir nicht eben gleich einfallen wollte.

      Ich. Mit all deiner Bitterkeit gegen uns Menschen, die in gar schlechtem Kredit bei dir stehen, gewinne ich dich doch immer mehr lieb, wackrer Berganza. Erlaube mir, daß ich ganz absichtslos dir meine Zuneigung auf eine, wie ich weiß, dir wohltuende Weise bezeige.

      Berganza rückte, etwas weniges prustend, mir näher, worauf ich ihm mehrmals den Rücken nach dem Schweife zu streichelte und kratzte; er bewegte, vor Vergnügen und Wollust ächzend, den Kopf hin und her und drückte und schmiegte sich unter meiner wohltätigen Hand. Als ich endlich aufhörte, ging das Gespräch weiter fort.

      Berganza. Bei jeder angenehmen körperlichen Empfindung kommen mir auch im Geiste die lieblichsten Bilder vor, und eben jetzt sah ich die holde Cäcilia, wie sie einmal in dem einfachen weißen Kleide, das dunkle Haar in glänzenden Zöpfen gar zierlich zusammengeflochten, aus der Gesellschaft weinend in ihr Zimmer trat. Ich ging ihr entgegen und kroch, wie ich zu tun pflegte, mich zusammenkauernd, zu ihren Füßen. Da faßte sie mich mit beiden Händchen beim Kopfe, und indem sie mit ihrem hellen Auge, in dem noch eine Träne glänzte, mich anblickte, sagte sie: »Ach! – Ach! sie verstehen mich nicht! – Keiner, die Mutter auch nicht. – Darf ich denn mit dir reden, du treuer Hund, wie ich es meine tief im Herzen? Ach, ich kann es ja doch nicht aussprechen, und könnt' ich es, du würdest mir nicht antworten, mir aber auch nicht wehe tun.«

      Ich. Das Mädchen – die Cäcilia wird mir immer interessanter.

      Berganza. – Gott der Herr, dem ich meine Seele empfehle, an der der Verruchte keinen Teil haben soll, unerachtet ich ihm höchstwahrscheinlich den noble Vénetien verdanke, worin ich mich nun schon solange auf der großen Redoute hier unten umhertreibe – ja! Gott der Herr hat die Menschen gar mannigfaltig geschaffen. Die unendliche Varietät der Doggen, der Spitze, der Bologneser, der Pudel, der Möpse ist gar nichts gegen das bunte Allerlei der spitzen, stumpfen, aufgeworfenen, gebogenen Nasen; gegen die zahllose Variation der Kinne, der Augen, der Stirnmuskeln; und ist es möglich, die Summe der unterschiedlichen Sinnesarten, sonderbaren Ansichten und Meinungen nur zu denken?

      Ich. Wohin soll das führen, Berganza?

      Berganza. Nimm es für eine allgemeine oder auch gemeine Reflexion.

      Ich.


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