Krieg und Frieden. Лев Толстой

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Krieg und Frieden - Лев Толстой


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habe keine Zeit!« schrie er seinem Burschen Lawrenti zu, der ohne eine Spur von Schüchternheit zu ihm trat.

      »Nun, wer wird es denn sein? Sie haben es ja selbst befohlen. Der Wachtmeister ist gekommen, um das Geld zu holen.«

      Denisow runzelte die Stirn, wollte eine Erwiderung herausschreien, schwieg aber doch still.

      »Verdammte Geschichte!« murmelte er dann vor sich hin. »Wieviel Geld war denn noch in der Börse drin?« fragte er Rostow.

      »Sieben neue und drei alte.«

      »Ach herrje, verdammte Geschichte! Na, was stehst du da wie ein Ölgötze? Ruf den Wachtmeister herein!« schrie Denisow seinen Burschen an.

      »Bitte, Denisow, nimm von mir Geld, wenn du welches brauchst; ich habe ja«, sagte Rostow errötend.

      »Ich mag nicht von meinen Freunden borgen; ich mag das nicht«, brummte Denisow.

      »Du kränkst mich, wenn du nicht von mir Geld annimmst, wie das unter Kameraden Sitte ist. Ich habe wirklich hinreichend Geld.«

      »Nein, nein!«

      Denisow trat an das Bett, um die Börse unter dem Kopfkissen hervorzuziehen.

      »Wo hast du sie hingelegt, Rostow?«

      »Unter das untere Kissen.«

      »Da ist sie nicht.«

      Denisow warf beide Kissen auf den Fußboden. Die Börse war nicht da.

      »Na, das ist doch aber seltsam!«

      »Warte mal, hast du sie auch nicht mit den Kissen heruntergeworfen?« sagte Rostow, hob die Kissen einzeln auf und schüttelte sie.

      Er nahm auch das Deckbett ab und schüttelte es. Die Börse war nicht da.

      »Habe ich auch nicht etwa vergessen, wo ich sie hingelegt habe?« sagte Rostow. »Aber nein, ich dachte noch, daß du die Börse wie einen Schatz unter dem Kopf liegen haben wolltest. Hier habe ich die Börse hingelegt. Wo ist sie nun?« wandte er sich an Lawrenti.

      »Ich bin nicht ins Zimmer gekommen. Wo Sie sie hingelegt haben, da muß sie auch noch sein.«

      »Aber sie ist nicht da!«

      »Ja, so sind die Herren immer; sie werfen ihre Sachen irgendwohin und vergessen es dann. Sehen Sie doch einmal in Ihren Taschen nach!«

      »Nein, wenn ich nicht an den Schatz gedacht hätte«, erwiderte Rostow; »aber so besinne ich mich ganz bestimmt, daß ich sie hierher gelegt habe.«

      Lawrenti durchwühlte das ganze Bett, er sah auch unter die Bettstelle und unter den Tisch, er durchsuchte das ganze Zimmer und blieb schließlich mitten im Zimmer stehen. Denisow hatte schweigend alle Bewegungen Lawrentis mit den Augen verfolgt, und als nun Lawrenti in ratlosem Staunen die Arme auseinanderbreitete und erklärte, die Börse sei nirgends zu finden, da richtete er seinen Blick auf Rostow.

      »Rostow, mach keine törichten Späße!«

      Rostow fühlte Denisows Blick auf sich gerichtet, blickte auf und schlug in demselben Augenblick die Augen wieder nieder. Alles Blut, das irgendwo unterhalb der Kehle eingeschlossen gewesen war, drang ihm plötzlich ins Gesicht und in die Augen.

      Er war nicht imstande Atem zu holen.

      »Und im Zimmer ist ja doch niemand gewesen als der Leutnant und Sie selbst. Sie muß doch also hier irgendwo sein«, sagte Lawrenti.

      »Nun, du verfluchter Kerl, dann rühr dich und such!« schrie Denisow plötzlich und stürzte mit drohender Gebärde auf den Burschen los. »Die Börse muß gefunden werden, oder ich lasse dich totpeitschen. Alle lasse ich totpeitschen!«

      Rostow vermied es, Denisow anzusehen, knöpfte sich die Jacke zu, schnallte den Säbel um und setzte die Mütze auf.

      »Ich sage dir, die Börse muß gefunden werden!« schrie Denisow, indem er den Burschen an den Schultern schüttelte und ihn gegen die Wand stieß.

      »Laß ihn, Denisow; ich weiß, wer sie genommen hat«, sagte Rostow und ging, ohne aufzublicken, nach der Tür hin.

      Denisow stand einen Moment regungslos und dachte nach; dann, nachdem er offenbar verstanden hatte, worauf Rostow hindeutete, ergriff er ihn bei der Hand.

      »Unsinn!« schrie er so heftig, daß ihm die Adern an Hals und Stirn anschwollen. »Ich sage dir, du bist verrückt geworden. Ich dulde das nicht. Die Börse ist hier. Ich werde diesem Schurken das Fell abziehen, dann wird sie schon zum Vorschein kommen.«

      »Ich weiß, wer sie genommen hat«, sagte Rostow noch einmal mit bebender Stimme und ging zur Tür.

      »Und ich sage dir: untersteh dich nicht, das zu tun!« schrie Denisow und stürzte auf den Junker los, um ihn zurückzuhalten.

      Aber Rostow riß seinen Arm los und blickte ihm mit solchem Ingrimm gerade und fest ins Gesicht, als ob Denisow sein Todfeind wäre.

      »Verstehst du auch, was du sagst?« sprach er mit zitternder Stimme. »Außer mir war niemand im Zimmer als er. Also, wenn er es nicht gewesen ist, so ...«

      Er war nicht imstande, den Satz zu Ende zu sprechen, und lief aus dem Zimmer.

      »Ach, hol dich der Teufel! Euch alle soll der Teufel holen!« Das waren die letzten Worte, die Rostow hörte.

      Rostow kam zu Teljanins Quartier.

      »Der Herr ist nicht zu Hause; er ist nach dem Quartier des Regimentsstabes geritten«, sagte Teljanins Bursche zu ihm. »Ist etwas passiert?« fragte der Bursche, verwundert über das verstörte Gesicht des Junkers.

      »Nein, gar nichts.«

      »Wenn Sie ein klein wenig früher gekommen wären, hätten Sie ihn noch getroffen«, sagte der Bursche.

      Das Quartier des Regimentsstabes befand sich drei Werst von Salzeneck. Ohne erst noch einmal nach seiner Wohnung zurückzukehren, nahm sich Rostow ein Pferd und ritt dorthin. In dem Dorf, in dem der Stab lag, war ein Wirtshaus, in dem die Offiziere verkehrten. Als Rostow bei dem Wirtshaus anlangte, erblickte er vor der Tür das Pferd Teljanins.

      Im zweiten Zimmer des Wirtshauses saß der Leutnant bei einem Teller mit Bratwürstchen und einer Flasche Wein.

      »Ah, Sie sind auch hergekommen, junger Mann!« sagte er lächelnd und zog die Augenbrauen in die Höhe.

      »Ja«, antwortete Rostow, als ob es ihn eine große Anstrengung kostete, dieses Wort herauszubringen, und setzte sich an den benachbarten Tisch.

      Beide schwiegen; im Zimmer saßen außer ihnen noch zwei Deutsche und ein russischer Offizier. Aber auch diese redeten nicht, und es war weiter nichts zu hören als das Klappern des Messers und der Gabel auf dem Teller des Leutnants und das Geräusch seines Kauens. Als Teljanin mit seinem Frühstück fertig war, zog er eine Doppelbörse aus der Tasche, schob mit seinen nach oben gekrümmten, kleinen, weißen Fingern die Ringe zurück, zog ein Goldstück heraus und gab es, die Augenbrauen hochziehend, dem Kellner.

      »Bitte, möglichst schnell«, sagte er.

      Das Goldstück war ein neues. Rostow stand auf und trat zu Teljanin hin.

      »Erlauben Sie mir, die Börse anzusehen«, sagte er so leise, daß es kaum zu hören war.

      Teljanin, dessen Augen im Zimmer umherhuschten, während seine Brauen in die Höhe gezogen blieben, reichte die Börse hin.

      »Ja, es ist eine hübsche Börse ... Ja ... ja«, sagte er und wurde auf einmal blaß. »Besehen Sie sie sich, junger Mann«, fügte er hinzu.

      Rostow nahm die Börse in die Hand und besah sowohl die Börse als auch das darin befindliche Geld und richtete dann seinen Blick auf Teljanin. Der Leutnant ließ nach seiner Gewohnheit seine Augen wieder nach allen Seiten umherschweifen und schien plötzlich sehr heiter zu werden.

      »Wenn wir erst in Wien sind, werde ich mein Geld bis auf den letzten Groschen verjubeln; aber jetzt in diesen elenden Nestern hier weiß man gar nicht,


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