Wenn Sie Rennen Würde. Блейк Пирс
Читать онлайн книгу.versuchten, sich gewaltsam Zutritt zu ihrem Haus zu verschaffen?“
„Jack hatte Probleme bei der Arbeit“, begann Olivia, und man sah, dass ihr unbehaglich zumute war. „Er hatte eine Panikattacke erlitten. Ich rief an, um zu sehen, wie es ihm geht, und um mit meinen Enkeln zu sprechen, aber Missy hat es nicht zugelassen. Sie sagte mir, dass Jack es mir zwar nicht sagen wollte, aber dass ich einer der Gründe für seine Panikattacke war. Als ich nochmals angerufen habe, hat sie einfach aufgelegt, deshalb habe ich mich kurzerhand dazu entschieden, einfach hinzufahren. Wir – Missy und ich - haben uns gestritten und sie hat mich vor die Tür gesetzt; sie weigerte sich, mich wieder einzulassen. Danach… habe ich wohl etwas die Kontrolle verloren und sie hat daraufhin die Polizei verständigt.“
„Wenn nötig, werden wir uns mit dem Vorfall befassen“, sagte Kate. „Aber um ehrlich zu sein, nichts, was wir gesehen haben, weist darauf hin, dass Missy einen Grund gehabt hätte, ihren Mann umzubringen. Unserer Meinung nach gibt es kein Motiv.“
„Wenn Sie der Meinung sind, warum zum Teufel sind Sie dann überhaupt hier?“
„Um ehrlich zu sein… weil Ihr Name im Zuge der Ermittlungen aufgetaucht ist. Einer von Jacks Mitarbeiter hat zufällig ein Telefonat mitgehört, in dem Jack einen Streit mit seiner Frau hatte… und es ging um Sie. Wir haben Sie überprüft und sind auf eben jenen Vorfall gestoßen.“
Olivia lächelte auf eine Art und Weise, wie man alte Ganoven in Filmen lächeln sieht. „Na dann. Wie es scheint, haben Sie sich ja schon Ihre Meinung über mich gebildet.“
„Nein, das trifft nicht zu. Wir wollen nur…“
„Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich muss Sie bitten zu gehen. Ich möchte in Ruhe um meinen Sohn trauern.“
Kate war sich bewusst, dass ihre Zeit mit Olivia Tucker abgelaufen war. Wenn sie noch weiterbohrte, würde die Frau dicht machen. Außerdem hatten sie von ihr keinerlei brauchbare Informationen bekommen – es sei denn, ihre Anschuldigungen gegen ihre Schwiegertochter beinhalteten doch ein Fünkchen Wahrheit. Und das bezweifelte Kate.
„Danke, dass Sie mit uns gesprochen haben“, sagte Kate. „Unser herzlichstes Beileid.“
Olivia nickte, erhob sich und verließ das Wohnzimmer. „Den Ausgang finden Sie sicher selbst“, sagte sie noch, bevor sie in den hinteren Teil des Apartments verschwand.
Auch Kate und DeMarco gingen. Sie hatten keine brauchbare Spur, waren allerdings leicht verstört auf Grund der Anschuldigungen, die Olivia gegen ihre Schwiegertochter ausgesprochen hatte.
„Glaubst du, dass da irgendetwas dran ist?“, fragte DeMarco. Motiviert durch den Fall schien sie ihre Wut langsam überwunden zu haben.
„Ich glaube, genau jetzt, in diesem Moment, während sie nach Antworten sucht, glaubt sie, was sie sagt. Ich glaube, sie nimmt die Ängste, die sie über die Jahre hatte und bündelt sie, vergrößert sie, um etwas - beziehungsweise jemanden - zu haben, worauf sie die Schuld und ihre eigene Wut projizieren kann.“
DeMarco nickte, als sie in den Wagen stieg. „Was immer es war, es war extrem unschön.“
„Und ich glaube auch, dass sie selbst damit aus dem Schneider ist. Trotzdem sollten wir Missy im Auge behalten, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Vielleicht sollten wir auch die Polizei in Ashton davon in Kenntnis setzen, dass Olivia mental so auf der Kippe steht.“
„Ja, und was dann?“
„Dann lassen wir alles noch einmal Revue passieren. Vielleicht bei ein, zwei Gläsern Wein im Hotel.“
Das schien eine gute Idee zu sein, aber trotzdem konnte Kate nicht umhin, immer wieder an Missy Tucker zu denken, und dass ihre Welt jetzt nur noch eine Hülle dessen war, was ihr Leben einmal ausgemacht. Kate konnte sich sehr genau daran erinnern, wie es sich anfühlte, den Mann, den man liebte, zu verlieren; den Mann, der einen so gut kannte wie ein Buch, das er eine Million Male gelesen hatte. Es war so herzzerreißend, dass es dafür keine Worte gab, und ließ das Leben aus einem selbst heraus sickern.
Jetzt dieses Gefühl wieder zu erleben, wo sie zum Hotel zurückfuhr, motivierte sie mehr als alles andere. Es veranlasste sie, tief in ihrer Erinnerung zu graben, wo sich die Details des ersten Falls versteckt gehalten hatten, seit dem Zeitpunkt, als sich der Nobilini-Fall ereignet hatte.
Ihre Gedanken versuchten einen Namen zu greifen – ein Name, der ihr nur allzu gut bekannt war, der aber ihrer bewussten Erinnerung entging. An diesen Namen war sie vorhin, als sie Jack Tuckers Freunde im Yachtclub getroffen hatte, unbewusst erinnert worden.
Cass Nobilini.
Du weißt, dass dort die Antworten liegen, dachte Kate.
Vielleicht war es so. Und zur Not würde sie dort nach den Antworten suchen.
Allerdings hoffte sie, dass es dazu nicht kommen würde. Sie hoffte, dass sie Cass Nobilini in ihrem ganzen Leben niemals wiedersehen müsse. Sie wusste aber auch, dass die Chancen dafür denkbar schlecht standen – dass sie Cass Nobilini wahrscheinlich sogar eher früher als später wiedersehen sollte.
KAPITEL SECHS
Sie hatten es sich gerade an der Hotelbar gemütlich gemacht, als der Ansturm der Gäste, die hier zu Abend essen wollten, begann. Obwohl sie sich auf ein Glas Wein freute, sah sie dem Burger, den sie bestellt hatte, mit noch viel mehr Vorfreude entgegen. Oft genug vergaß sie, wenn sie mitten in den Ermittlungen steckte, zu Mittag zu essen; dann war sie abends halb verhungert. Als sie endlich mit Genuss von ihrem Burger abbiss, sah sie, wie DeMarco ihr verhalten zulächelte. Es war ihr erstes echtes Lächeln dieses Tages.
„Was?“, fragte Kate mit vollem Mund.
„Nichts“, entgegnete DeMarco und beschäftigte sich mit ihrem Salat mit gegrilltem Hühnchen. „Weißt du, es hat etwas Tröstendes, eine schlanke Frau deines Alters so essen zu sehen.“
Kate nickte, während sie den Bissen hinunter schluckte. „Ich habe das Glück, einen unglaublichen Metabolismus zu haben.“
„Ach Gott, du Ärmste…“, neckte DeMarco.
„Tja, was soll ich sagen. Immerhin kann ich essen wie ein Pferd.“
Sie schwiegen kurz, um dann in schallendes Gelächter auszubrechen. Es fühlte sich gut an, dass Kate ganz sie selbst sein konnte, nach all den Spannungen zwischen DeMarco und ihr. Nach dem zu urteilen, was sie kurz darauf sagte, schien DeMarco dies genauso zu empfinden.
„Tut mir leid, dass ich den ganzen Tag so bitter war. Diese Sache, einer Familie so eine Todesnachricht überbringen zu müssen… das ist hart. Ich meine, natürlich ist es hart, aber für mich ist es noch härter. Ich habe etwas in meiner Vergangenheit, das hat mich gezeichnet. Ich dachte, ich bin darüber hinweg, aber anscheinend nicht.“
„Was ist passiert?“
DeMarco schwieg einen Moment; vielleicht dachte sie darüber nach, ob sie so tief in die Vergangenheit eintauchen wollte. Sie nahm noch einen großen Schluck Wein und entschloss sich dann, zu erzählen. Mit einem tiefen Seufzer begann sie.
„Schon im Alter von vierzehn wusste ich, dass ich lesbisch bin. Meine erste Freundin hatte ich mit sechszehn. Als ich siebzehn war, entschlossen meine Freundin Rose und ich uns – Rose war neunzehn – dass wir uns outen. Wir haben es immer geheim gehalten, vor allem gegenüber unseren Eltern. Also sollte es nun losgehen – wir wollten es ihnen erzählen. Wir wollten uns zuerst bei ihr zuhause treffen, um es ihren Eltern zu sagen. Die dachten, wir sind einfach beste Freundinnen. Ich war immer bei ihr, und andersrum, weißt du? Jedenfalls sitze ich also bei ihren Eltern auf der Couch und bekomme diesen Anruf. Von der Polizei. Sie sagten mir, dass Rose einen Unfall gehabt hatte und noch am Unfallort gestorben ist. Sie haben mich angerufen anstatt ihrer Eltern, weil neunzig Prozent der Nachrichten auf ihrem Handy von mir waren, oder von ihr an mich.
Ich