Die Forsyte Saga. John Galsworthy

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Die Forsyte Saga - John Galsworthy


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so gut ist!«

      Und hinter diesen Worten schien erneut diese polternde Gewalt von Urgenerationen durchzuklingen.

      James war es, der schließlich die Situation rettete.

      »Nun, was meinen Sie, Mr Bosinney? Sie sind Architekt, Sie sollten sich doch mit Plastiken und derlei Dingen auskennen!«

      Alle Augen richteten sich auf Bosinney, alle warteten mit einem seltsamen, argwöhnischen Blick auf seine Antwort.

      Und Soames äußerte sich zum ersten Mal auch dazu und fragte: »Ja, Bosinney, was meinen Sie?«

      Bosinney antwortete gelassen: »Es ist eine bemerkenswerte ­Arbeit.«

      Seine Worte richteten sich an Swithin, seine Augen lächelten verstohlen dem alten Jolyon zu; einzig Soames war nach wie vor nicht zufrieden.

      »Bemerkenswert wofür?«

      »Für ihre Naivität.«

      Auf die Antwort folgte eindrucksvolles Schweigen. Nur Swithin war sich nicht sicher, ob das als Kompliment gemeint war.

      Drei Tage nach dem Essen bei Swithin trat Soames Forsyte aus seiner grünen Haustür. Als er von der anderen Seite des Platzes aus zurückblickte, bestätigte sich sein Eindruck, dass das Haus einen neuen Anstrich brauchte.

      Er hatte seine Frau auf dem Sofa im Empfangszimmer sitzend zurückgelassen, die Hände im Schoß gekreuzt, ganz offensichtlich hatte sie darauf gewartet, dass er ging. Das war nicht ungewöhnlich. Das lief eigentlich jeden Tag so.

      Er konnte nicht verstehen, was ihr an ihm nicht passte. Es war ja nicht so, dass er trinken würde! Machte er etwa Schulden, spielte oder fluchte er, war er vielleicht gewalttätig, waren seine Freunde nur auf Partys aus, kam er etwa immer erst spät nachts nach Hause? Ganz im Gegenteil.

      Die tiefe, unterdrückte Abneigung, die er bei seiner Frau spürte, war ihm ein Rätsel, und sie machte ihn schrecklich wütend. Dass sie einen Fehler gemacht hatte, dass sie ihn nicht liebte, versucht hatte ihn zu lieben, aber ihn nicht lieben konnte, das war ja wohl definitiv kein Grund.

      Wer sich einen so abwegigen Grund für die Probleme seiner Frau mit ihm vorstellen konnte, war ganz gewiss kein Forsyte.

      Folglich war Soames gezwungen, seiner Frau die ganze Schuld zu geben. Er kannte keine andere Frau, die so sehr Zuneigung er­wecken konnte. Sie konnten nirgendwo hingehen, ohne dass er mit ansehen musste, wie alle Männer von ihr angezogen waren. Ihr Ausdruck, ihr Verhalten, ihre Stimmen verrieten es. Irenes Verhalten unter dieser Aufmerksamkeit war immer über jeden Verdacht erhaben gewesen. Dass sie eine dieser – in angelsächsischen Kreisen nicht allzu häufig vorkommenden - Frauen war, die dazu geboren waren, geliebt zu werden und zu lieben, die nur lebten, wenn sie liebten, war ihm sicherlich nie gekommen. Für ihn war ihre Anziehungskraft Teil ihres Wertes als sein Besitz. Sie ließ ihn aber doch vermuten, dass sie womöglich geben wie nehmen konnte, und ihm gab sie nichts! »Warum hat sie mich dann geheiratet?«, fragte er sich immerzu. Er hatte vergessen, wie er um sie geworben hatte; diese anderthalb Jahre, in denen er auf der Lauer gelegen, sie belagert, Pläne für ihre Unterhaltung entworfen, ihr Geschenke und regelmäßige Heiratsanträge gemacht und mit seiner ständigen Präsenz andere Verehrer ferngehalten hatte. Er hatte den Tag vergessen, an dem er geschickt ihre vorübergehende starke Abneigung gegen ihre häuslichen Verhältnisse ausgenutzt und so seine Mühen mit Erfolg gekrönt hatte. Wenn es überhaupt etwas gab, an das er sich erinnerte, dann war es die niedliche Launenhaftigkeit, die das goldblonde Mädchen mit den dunklen Augen ihm gegenüber gezeigt hatte. Er erinnerte sich ganz sicher nicht an den Ausdruck in ihrem Gesicht – seltsam, passiv, flehend –, als sie eines Tages nachgegeben und gesagt hatte, dass sie ihn heiraten wolle.

      Es war eines jener wahrhaft hingebungsvollen Liebeswerben gewesen, wie die Bücher und die Menschen sie preisen, von der Art, bei der der Liebende zu guter Letzt dafür belohnt wird, dass er so lange auf das Eisen eingeschlagen hat, bis es weich war. Und wenn die Hochzeitsglocken läuten, müssen alle bis ans Ende ihrer Tage glücklich sein.

      Soames ging Richtung Osten, wobei er beharrlich auf der Schattenseite entlangschlich.

      Das Haus musste hergerichtet werden, wenn er nicht entschied, aufs Land zu ziehen, um dort ein Haus zu bauen.

      Zum hundertsten Mal kaute er dieses Problem in diesem ­Monat durch. Es brachte nichts, irgendetwas zu überstürzen! Er war sehr gut situiert, sein Einkommen wuchs stetig und bewegte sich auf dreitausend pro Jahr zu. Doch sein investiertes Kapital war unter Umständen nicht so groß, wie sein Vater dachte – James neigte dazu, davon auszugehen, dass seine Kinder besser dran sein mussten, als sie es tatsächlich waren. Achttausend könne er leicht aufbringen, ohne dass er sich an Robertson oder Nicholl wenden müsse, dachte er.

      Er war stehen geblieben, um einen Blick in einen Bilderladen zu werfen. Soames war nämlich ein Kunstliebhaber und hatte am Montpellier Square 62 ein kleines Zimmer voll mit an der Wand gestapelten Leinwänden, für die ihm ein Platz zum Aufhängen fehlte. Er brachte sie von seinem Rückweg von der City mit nach Hause, für gewöhnlich nach Einbruch der Dunkelheit, und kam dann sonntagnachmittags in dieses Zimmer, um Stunden damit zu verbringen, die Gemälde im Licht zu betrachten, die Angaben auf der Rückseite zu studieren und sich gelegentlich Notizen dazu zu machen.

      Es waren fast ausschließlich Landschaften mit Personen im Vordergrund, Ausdruck irgendeiner seltsamen Auflehnung gegen London, gegen seine hohen Häuser, seine endlosen Straßen, wo er und seinesgleichen ihr Leben verbrachten. Hin und wieder nahm er ein oder zwei der Bilder in einer Droschke mit und machte auf seinem Weg in die City bei Jobson Halt.

      Er zeigte sie nur selten irgendwem. Irene, deren Meinung er insgeheim schätzte und vielleicht aus dem Grund nie erfragte, war erst einige wenige Male in dem Zimmer gewesen, um ihren Pflichten als Ehefrau nachzugehen. Sie wurde nicht darum gebeten, sich die Bilder anzusehen, und sie tat es auch nie. Er hasste ihren Stolz, und insgeheim fürchtete er ihn.

      In dem spiegelgläsernen Schaufenster des Bilderladens stand sein Abbild und sah ihn an. Sein glattes Haar unter der Krempe seines hohen Hutes glänzte wie der Hut selbst. Seine Wangen, blass und schmal, die Linie seiner glattrasierten Lippen, sein festes Kinn mit der leichten Graufärbung des Rasurschattens und die zugeknöpfte Strenge seines schwarzen Cutaways verliehen ihm ein reserviertes und geheimnisvolles Aussehen und vermittelten den Eindruck einer unerschütterlichen, erzwungenen Beherrschung. Seine Augen jedoch – kalt, grau, mit angestrengtem Blick und einer Falte zwischen den Brauen - musterten ihn schwermütig, als ob sie von einer verborgenen Schwäche wüssten.

      Er notierte die Motive der Bilder und die Namen der Maler und berechnete ihre Werte. Doch im Gegensatz zu sonst erfüllte ihn ­diese innere Beurteilung der Werke nicht mit Zufriedenheit, und so ging er weiter.

      Das Zimmer am Montpellier Square würde noch ganz gut ein weiteres Jahr reichen, wenn er sich entschied, zu bauen! Es waren gute Zeiten, um zu bauen, der Geldwert war seit Jahren nicht mehr so hoch gewesen. Und das Grundstück, das er bei Robin Hill gesehen hatte, als er im Frühling dort unten gewesen war, um Nicholls Hypothek zu überprüfen – besser

      ging es gar nicht! Keine zwanzig Kilometer von Hyde Park Corner entfernt, der Grundstückswert würde bestimmt noch steigen, es würde ihm immer mehr einbringen, als er dafür zahlte. Da wäre ein Haus, wenn es in einem wirklich guten Stil gebaut war, eine erstklassige Investition.

      Die Vorstellung, der Einzige in der Familie mit einem Landhaus zu sein, war für ihn von wenig Gewicht. Denn für einen wahren ­Forsyte waren Gefühle, sogar das Gefühl des sozialen Status, ein Luxus, dem man sich nur hingab, wenn der Durst auf noch mehr materielle Freuden gestillt war.

      Irene aus London wegzubringen, weg von all den Möglichkeiten, auszugehen und andere Leute zu treffen, weg von ihren Freunden und all denen, die ihr Dinge in den Kopf setzten – das war, was zählte! Sie war zu eng mit June! June mochte ihn nicht. Er konnte dieses Gefühl nur erwidern. Sie waren vom selben Blut.

      Es würde alles bedeuten, Irene aus der Stadt zu schaffen. Das Haus würde ihr gefallen und es würde ihr


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