Der Frosch mit der Maske. Edgar Wallace

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Der Frosch mit der Maske - Edgar  Wallace


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was gestohlen wurde«, sagte Dick. »Das muß geheimgehalten werden.«

      Sie befanden sich im inneren Büro, das Dick nur zeitweilig benützte. In seinem nebenanliegenden Arbeitsraum waren zwei Tischler beschäftigt. Sie erneuerten die Wandtäfelung, die bei dem Attentat auf Dick von der durchs Fenster eindringenden Kugel beschädigt worden war. Es war symptomatisch für die Wirkung, die die Frösche auf die Polizeidirektion ausübten, daß beide Männer mechanisch nach einer Tätowierung auf dem linken Arm der Arbeiter ausgespäht hatten. Der Anblick des beschädigten Paneels brachte Elks Gedanken auf einen Vorfall, der ihn schon lange beschäftigte. Trotz der steten Beobachtung, unter der der Landstreicher Carlo gestanden hatte, und trotz aller angewandten Vorsichtsmaßregeln war er verschwunden, und den gemeinsamen Anstrengungen der Polizeidirektion und der Landpolizei war es nicht gelungen, seine Identität festzustellen. Das war Gordons wunder Punkt, wie Elk mit Recht äußerte. Denn Carlo schien die berühmte Nummer Sieben zu sein, nach dem Frosch selbst der wichtigste Mann der Organisation.

      »Es nützt nicht viel, wenn wir einen anderen Mann hinausschicken, um Genters Rolle weiterzuspielen. Das System funktioniert nicht zweimal. Ob wohl Lola etwas darüber wüßte?«

      »Ich glaube nicht, daß die Frösche einer Frau trauen«, sagte Dick.

      Sie verbrachten den Rest des Tages mit fruchtlosen Untersuchungen. In sein Zimmer in der Polizeidirektion zurückgekehrt, saß Elk lange reglos und zusammengekauert in einem Sessel, die Hände in den Hosentaschen vergraben, geistesabwesend auf seinen Schreibblock starrend. Dann rief er seinen Assistenten Balder herein.

      »Gehen Sie zum statistischen Büro und bringen Sie mir alles über jeden Safeeinbrecher, der im Land bekannt ist. Sie brauchen sich nicht um die französischen oder deutschen zu kümmern, aber es gibt ein oder zwei Schweden, die höchst geschickt mit der Lampe umgehen können. Und dann sind natürlich noch die Amerikaner da.«

      Nach einer langen Pause kam Balder mit einem beträchtlichen Stoß von Papieren, Fotografien und Fingerabdrücken wieder.

      »Sie können gehen, Balder. Der Mann, der den Nachtdienst hat, kann das wieder zurücktragen.«

      Elk machte es sich bei seiner angenehmen Nachtlektüre gemütlich. Er hatte fast den ganzen Stoß durchgeprüft, als er auf das Bild eines jungen Mannes mit herabfallendem Schnurrbart und lockigem Haar stieß. Es war eine jener scharfen Aufnahmen, wie sie die unromantischen Pölizeibeamten aufnehmen, und zeigte jegliche Unebenheit der Haut. Unter der Fotografie war der Name sorgfältig gedruckt: »Henry John Lyme R. V.«

      »R. V.« war der Gefängniskodex. Jedes Jahr von 1894 bis 1919 war mit einem Großbuchstaben des Alphabets bezeichnet. Dann kamen die Kleinbuchstaben. Das große R bedeutete, daß Henry John Lyme im Jahre 1911 zu Zuchthaus verurteilt worden war, das V, daß er eine weitere Zeit im Jahre 1915 im Gefängnis verbracht hatte. Elk las den schrecklichen und kurzen Bericht.

      Im Jahre 1893 in Guernsey geboren, war der Mann sechsmal verurteilt worden, bevor er noch sein zwanzigstes Jahr vollendet hatte. Die geringeren Haftjahre werden nicht mit Buchstaben im Kodex bezeichnet. In dem Raum am Fuß des Abschnittes, wo besondere Einzelheiten des Verbrechers angemerkt werden, standen die Worte: »Gefährlich, führt Schießwaffen mit sich.« In einer anderen Schrift und mit roter Tinte, mit der man gewöhnlich die Karriere eines Verbrechers abschließt, stand darunter: »Zur See gestorben, Channel Queen, 1. Februar 1918.« Elk erinnerte sich an den Schiffbruch des Guernsey-Postpaketbootes auf den Black Rocks. Er wendete die Seite um, um Genaueres über die Verbrechen des Toten zu lesen und die Erklärungen derjenigen, die zeitweilig in amtlichem Verkehr mit ihm standen. In diesen Abschnitten war die wahre Biographie zu lesen. »Arbeitet allein«, war die eine Anmerkung. Und dann: »Ist nie mit Frauen gesehen worden.« Eine dritte Anmerkung war schwer zu entziffern, aber als Elk die schlechte Schrift gemeistert hatte, erhob er sich in seiner Aufregung halb vom Sessel: »Zu den körperlichen Kennzeichen im allgemeinen hinzuzufügen: D. C. P. 14 Frosch tätowiert linkes Gelenk, neu I. I. M.«

      Das Datum, an dem dies geschrieben war, war das der letzten Haft des Verbrechers. Elk drehte das Gedruckte D. C. P. 14 um und fand, daß es ein Formular war, betitelt: »Beschreibung des Häftlings.« Die Zahl war die Klassifikation. Von tätowierten Fröschen war nichts erwähnt. Der Schreiber war nachlässig gewesen. Wort für Wort las er die Beschreibung.

      »Harry John Lyme, a. Jung Harry, a. Thomas Martin, a. Boy Piece, a. Boy Harry. (Es standen da fünf Zeilen solcher »Alias«.) Einbrecher, gefährlich, trägt Schußwaffen, Höhe fünf Fuß, sechs Zoll, Brustumfang 38. Teint frisch. Augen grau. Zähne gut. Mund regelmäßig. Grübchen im Kinn. Nase gerade. Haare braun, wellig, sehr lang. Gesicht rund. Schnurrbart herabfallend, trägt Koteletten. Hände und Füße normal, am linken Fuß das erste Glied der kleinen Zehe infolge eines Unfalls amputiert, königliches Gefängnis Portland. Spricht gut, schöne Handschrift, keinerlei Steckenpferd. Raucht Zigaretten, gibt sich für einen öffentlichen Beamten aus. Steuereinnehmer, Sanitätsinspektor, Gasmann oder Installateur. Sprich fließend Französisch und Italienisch. Trinkt nie, spielt Karten, ist aber kein Spieler. Lieblingsverstecke Rom oder Mailand. Keine Verurteilungen außer Landes. Keine Verwandten. Ausgezeichneter Organisator. Unmittelbar nach einem Verbrechen suche man ihn in einem guten Hotel in Mittelengland oder auf dem Weg nach Hüll zu holländischen oder skandinavischen Schiffen. Man weiß, daß er Guernsey besucht hat. . .«

      Hierauf folgten nur noch die genauen Maße und körperlichen Merkmale, denn es war in den Tagen, bevor das Fingerabdrucksystem eingeführt worden war. Des Frosches auf dem linken Handgelenk ward keinerlei Erwähnung mehr getan. Elk tauchte die Feder ein und fügte die fehlenden Daten hinzu. Dann schrieb er: »Dieser Mann mag noch am Leben sein«, und unterzeichnete dies mit seinen Initialen.

      10

      Als Elk dies gerade schrieb, surrte das Telefon. Er beendete jedoch ruhig seine Eintragung und löschte sie ab, bevor er den Hörer aufnahm.

      »Hauptmann Gordon wünscht, Sie möchten das erste Taxi nehmen, das Sie finden und zu ihm kommen! Die Angelegenheit ist äußerst dringend. Ich spreche von Harley Terrace«, sagte die Stimme.

      »Es ist gut«, antwortete Elk, nahm Hut und Schirm und ging in den dunklen Hof hinaus. Es gab zwei Ausgänge in Scotland Yard. Der eine führte nach Whitehall und war sicherlich der bessere Weg für ihn, denn in Whitehall stehen Wagen an Wagen. Der andere Ausgang geht nach dem Themse-Embankment, auf eine Durchgangsstraße, und ist der weitaus längere Weg, auf dem er zur vorgerückten Nachtstunde nur wenige Autos zu finden erwarten konnte.

      Aber Elk war so ganz von seinen Gedanken erfüllt, daß er auf dem Embankment war, bevor er gewahr wurde, welchen Weg er genommen hatte. Er wendete sich gegen das Parlament in der Bridgestraße, fand einen alten Wagen und gab die Adresse an. Der Chaffeur war bejahrt und vermutlich ein wenig angeheitert, denn anstatt vor Nummer 273 stehenzubleiben, überfuhr er die Nummer um etwa ein Dutzend Häuser und hielt erst nach furchtbaren Drohungen seines Fahrgastes an.

      »Was ist denn mit dir los, Vater Noah? Das ist ja nicht der Berg Ararat?« schalt Elk auf ihn ein. »Du bist ja besoffen, du armer Fisch.«

      »Ich wollte, ich wär's«, murmelte der Chauffeur und streckte die Hand hin, um sein Fahrgeld zu empfangen. Elk hätte sicherlich den Fall des breiteren diskutiert, wäre Gordons Aufforderung nicht allzu dringlich gewesen. Er wartete, bis der Chauffeur seine vielen Überröcke aufgeknöpft hatte, um ihm auf die große Geldnote herauszugeben, und blickte indessen gewohnheitsmäßig die Straße entlang. Ein Auto, dessen vordere Lampen so weit als möglich abgeblendet waren, stand vor Dick Gordons Haus. Das wäre nun nicht allzu merkwürdig gewesen. Die zwei Männer, die auf dem Gehsteig warteten, waren es jedoch um so mehr. Sie standen mit dem Rücken gegen das Gitter gelehnt, je einer zu jeder Seite des Tores. Elk trat einen Schritt zurück und faßte den gegenüberliegenden Gehsteig ins Auge. Auch dort standen zwei Männer, die der Nummer 273 gegenüber müßig warteten. Elks eigenes Taxi war vor dem Haus eines Arztes stehengeblieben, und der Detektiv nahm sich nicht lange Zeit, seinen Entschluß zu fassen.

      »Warten Sie, bis ich wiederkomme!«

      Glücklicherweise war der Arzt zu Hause, und Elk gab sich ihm zu erkennen. In wenigen Sekunden war er mit


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