Toni der Hüttenwirt 252 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt 252 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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günstig gegen eine Leibrente überschrieben hast.«

      »Hör auf von Dankbarkeit zu reden, Katja! Ich gebe zu, dass mich das freut. Aber es ist für mich ein großes spätes Glück mit Martin und dir so etwas wie eine Familie zu haben. Ich danke dem Herrgott jeden Tag dafür. Es ist ein schönes Familienleben mit euch. Leider blieb meine Ehe kinderlos. Als mein guter Mann, Gott hab ihn selig, nimmer war, war es sehr einsam. Und weit und breit keine Erben. Sollte der schöne Hof an den Staat fallen oder an weitläufige Verwandte, die ich nie gesehen habe? Naa, so ist es besser. Ihr seid beide wie meine Kinder.« Lachend fügte sie hinzu: »Na ja, eher wie Enkelkinder. Aber das spielt keine Rolle.«

      Katja legte das Messer hin und wischte die Hände an der Küchenschürze ab. Sie stand auf und setzte sich für einen Augenblick neben die alte Walli. Katja legte den Arm um Wallis Schultern und neigte einen Augenblick den Kopf an den ihren.

      »Walli, du weißt, Martin und ich haben dich tief ins Herz geschlossen. Ich hoffe, der Herrgott schenkt dir noch viele glückliche und gesunde Jahre.«

      »Das hoffe ich auch. Der Martin sorgt schon dafür, dass es mir gutgeht. Dein Mann ist ein guter Doktor. Außerdem hat er das Herz am rechten Fleck. Wir Waldkogeler können uns glücklich schätzen, dass er, als echter Waldkogeler Bub, nach den Studium die Praxis von unserem alten Doktor übernommen hat.«

      »Martin liebt seine Heimat. Er sagt mir immer wieder, dass er niemals woanders Arzt sein wollte. Seit er die Praxis hier auf dem Hof hat, mit der kleinen Bettenstation, ist er sehr glücklich. Martin sagt immer, es ist nicht gut, einen alten Baum zu verpflanzen. Es belastete ihn sehr, wenn er jemand ins Krankenhaus überweisen musste, weil es keine andere Möglichkeit der Betreuung gab. Sicher, bei schweren Erkrankungen müssen die Patienten nach Kirchwalden ins Krankenhaus. Doch bei kleineren Sachen können sie sich hier auskurieren.«

      »Genauso ist es, und dafür sind alle dankbar. Sie sagen, dem Martin seine Bettenstation ist wie eine weitere Schlafstube.«

      Katja setzte sich wieder gegenüber an den Tisch und sie machten weiter.

      »Martin ist in den letzten Tagen sehr still, Katja«, bemerkte Walli. »Sonst erzählt er gerne von der Sprechstunde. Er kann sich freuen wie ein kleiner Bub, wenn er jemand helfen konnte. Doch seit letzter Woche ist er ziemlich einsilbig, finde ich. Weißt du, was er hat?«

      Katja nickte.

      Wie aufs Stichwort kam Martin in die Küche.

      »Fertig mit der Sprechstunde?«, fragte Katja.

      Martin gab ihr einen Kuss.

      »Ja!«

      »Und wie ist es mit den Hausbesuchen?«

      »Vielleicht?«

      Katja und Walli schauten sich an.

      »Des ist eine sehr seltsame Antwort, Martin«, bemerkte Walli. »Was heißt vielleicht?«

      »Vielleicht heißt, dass ich heute Morgen bereits alle Hausbesuche erledigt habe. Ich mache mir aber Gedanken, ob ich noch bei der Rosel Horbach vorbeischaue. Sie war nicht in der Sprechstunde.«

      »Bist du beunruhigt?«, fragte Katja.

      Martin holte einen Becher Kaffee und setzte sich an den Tisch.

      »Die Rosel macht mir seit einigen Wochen Kummer. Sie kam fast täglich in die Sprechstunde und klagte jeden Tag über neue Beschwerden und Schmerzen. Sie hat wirklich so empfunden. Das nehme ich ihr ab. Also habe ich alles untersucht, was ich untersuchen konnte, Blut, allerlei Tests. Ich habe sie von Kopf bis Fuß geröntgt. Alles ohne Befund. Die Rosel ist gesund. Ich bin mir auch sicher, dass sie mir nix vormacht. Sie leidet wirklich und sieht elend aus. Ich frage mich, was ich noch tun kann? Habe ich etwas übersehen? Bin ich betriebsblind? Soll ich sie an Fachkollegen nach Kirchwalden oder sogar nach München überweisen? Gestern habe ich sie darauf angesprochen. Sie will nicht überwiesen werden. Sie weigert sich, zu einem anderen Arzt zu gehen. Jetzt kam sie heute nicht in die Sprechstunde, da mache ich mir Sorgen.«

      »Dann musst du einen Hausbesuch bei ihr machen, Martin«, sagte Katja.

      »Ja, ich werde bei ihr vorbeigehen. Ich mache noch eine Runde mit dem Hund. Mia liegt an der Haustür und wartet. Da gehe ich bei Rosel vorbei. Dann sieht es nicht so offiziell aus. Schließlich hat sie mich nicht um einen Hausbesuch gebeten. Wenn ich nur herausfinden könnte, was sie hat!«

      Walli legte das Gemüsemesser hin, griff über den Tisch und tätschelte Martins Hand.

      »Du bist ein guter Doktor, Martin«, sagte Walli. »Manchmal macht Kummer die Leute krank. Das hast du schon oft selbst gesagt.«

      Martin schüttelte den Kopf.

      »In dem Fall kann ich mir das nicht vorstellen, Walli. Rosel Horbach hat keinen Kummer. Sie lebt auf dem wunderschönen Hof, den sie letztes Jahr von ihrem Vater geerbt hat. Sie ist finanziell abgesichert. Manchmal wünsche ich mir, anderen würde es nur ein bisserl so gehen wie der Rosel. Sie hat keine Sorgen. Trotzdem geht es ihr nicht gut.«

      »Depressionen?«, fragte Katja.

      »Wenn, dann versteckt sie sie gut. Ich habe Tests mit ihr gemacht, weil ich auch den Verdacht hatte. Aber es ergab sich keine Diagnose.«

      Die alte Walli seufzte.

      »Martin, du bist bestimmt ein guter Doktor und hast dich bemüht. Ich verstehe nix von Medizin. Aber mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass die Rosel ein ganz bestimmtes Problem hat. Du hast es bei anderen gut diagnostiziert. Nämlich bei Leuten, die in Rente gegangen sind und kurz danach jedes erdenkliche Zipperlein bekommen haben. Des haben sie bekommen, weil ihre Aufgabe weggefallen ist. Viele Menschen kommen schlecht damit klar, dass die berufliche Aufgabe wegfällt.«

      »Des stimmt, Walli. Aber bei Rosel kann es das nicht sein. Dazu ist sie zu jung. Sie ist fünfzig und hat nie irgendwo gearbeitet.«

      »Des hat nix zu sagen, Martin. Ich will dir jetzt mal etwas über die Rosel erzählen.«

      Walli putze weiter Bohnen, als sie über Rosel Horbach sprach.

      »Die Rosel war ein fesches Madl. Und sie war nicht nur fesch, sondern auch eine gute Partie. Ihr Vater war in Gelddingen immer sehr geschickt gewesen. Er hat Anteile von Firmen in München gekauft. Das weiß ich nur, weil Rosels Vater und mein Mann befreundet waren, obwohl Rosels Vater viel jünger war. Das sichert Rosel jetzt ein gutes Leben. Sie hätte heiraten können. Fesche Burschen, die sich um sie bemühten, gab es genug. Aber sie wollte nicht. Es waren alles Hoferben. Somit hätte Rosel eingeheiratet und ihren frühverwitweten Vater allein lassen müssen. Des wollte sie nicht. Sie war sicher mehr als einmal verliebt. Aber sie entschied sich jedes Mal gegen die Liebe und für ihren Vater. Sie sorgte für ihn und pflegte ihn voller Hingabe, bis der Herrgott ihn zu sich rief. Du weißt das besser als ich, wie liebevoll Rosel sich um ihren Vater gekümmert hat. Aber das Leben ging an ihr vorbei. Sie verzichtete auf die Liebe und auf eine eigene Familie. Ihr ganzes Leben hatte sie auf ihren Vater ausgerichtet. Nach seinem Tod hat sie keine Aufgabe mehr. Ich vermute, Rosel hat nicht einmal ein Hobby, das sie ablenkt. Sie ist einsam, Martin. Da ist dieser große wunderschöne Hof, den sie jetzt ganz allein bewohnt. Sie hat auch wenig Kontakt, so viel ich weiß. Sie war vierundzwanzig Stunden am Tag um ihren Vater herum. Jetzt ist sie fünfzig und weiß nicht, wie sie den Tag herumbringen soll, ohne Aufgabe, ohne Beruf. Ihr Beruf war, Tochter zu sein. Schön und gut. Aber ganz richtig war des vom alten Horbach nicht, seine Rosel so an sich zu binden. Er hätte dafür sorgen müssen, dass sie sich ein eigenes Leben aufbaut. Sicher träumte Rosel davon, hatte wahrscheinlich eigene Wünsche und Sehnsüchte. Die hat sie unterdrückt, weil dafür kein Platz war. Sie war die aufopfernde selbstlose Tochter. Jeder Mensch hat Sehnsüchte, Träume und Wünsche. Wenn die ein ganzes Leben, meinetwegen Jahrzehnte lang, wie bei der Rosel, unterdrückt werden, dann kann des schon sein, dass sie jetzt als Schmerzen aus der Tiefe der Seele kommen.«

      Martin schaute Walli nachdenklich an.

      »Du hast recht, Walli. Rosel leidet an Einsamkeit. Sie wird mit der Leere in ihrem Leben nicht fertig. Geld hat sie genug, sodass sie nicht arbeiten muss. Da sind, in gewissem Sinn,


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