Der Bergpfarrer Extra 2 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Extra 2 – Heimatroman - Toni Waidacher


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Deininger entging es nicht, und er beobachtete es voller Zufriedenheit. Ihm war anzusehen, wie sehr ihm die Entwicklung behagte. Gab es vielleicht doch noch eine Chance, sich mit seiner Familie in Landshut auszusöhnen? Er hatte in den vergangenen Tagen oft daran gedacht.

      Bürgermeister Bruckner saß neben Sebastian am Tisch. Beide hatten sich ein Weißbier eingeschenkt, und nun prosteten sie sich zu. »Na, Markus, wie geht’s dir denn?«, fragte Sebastian.

      »Blendend«, erwiderte der. »Mir tun weder die Füß’ weh, noch fühl ich mich verausgabt. Ich könnt’ Bäume ausreißen. Und das sag’ ich ohne jede Übertreibung, Hochwürden. So gut hab’ ich mich schon lang’ nimmer gefühlt.«

      Sie prosteten sich zu und tranken einen Schluck.

      »Dann greif’ zu, Markus«, forderte Sebastian den Bürgermeister auf. »Du hast dir eine anständige Mahlzeit verdient.«

      »Das lass ich mir net zweimal sagen«, grinste Bruckner.

      Sebastians Blick suchte Nadine, die links von ihrem Bruder saß und den Kopf gesenkt hielt. Er musste nicht raten, was sie beschäftigte. Er fragte sich, ob es richtig gewesen war, sie an diesem Abend über Christians Rückkehr nach St. Johann zu informieren. ›Wahrscheinlich hast du ihr dadurch den ganzen Abend verdorben!‹

      Georg Meyerling und seine Frau Franzi brachten auf einem großen Tablett die gegrillten Steaks und Bratwürste und die hungrigen Wanderer bedienten sich. Es gab verschiedene Soßen und Senf sowie frisches Brot. Alle griffen tüchtig zu und man ließ es sich schmecken.

      Nach dem Essen saß man noch eine Weile zusammen, unterhielt sich, lachte viel und die frisch gebackenen Paare wechselten verliebte Blicke.

      Nadine jedoch redete kaum, zeigte nicht ein einziges Lächeln und saß die meiste Zeit völlig in sich gekehrt am Tisch. Sie hatte kaum etwas gegessen und schien die gute Stimmung um sich herum überhaupt nicht wahrzunehmen.

      Sebastian begann sich Sorgen um sie zu machen und beschloss, auf dem Heimweg noch einmal mit ihr zu reden. Er musste ihr klarmachen, dass es ein Fehler wäre, zu versuchen, gedanklich in der Vergangenheit zu verharren und den Blick für die Zukunft zu verlieren.

      Der Bürgermeister stieß Sebastian leicht an und murmelte: »Ich beobacht’ die Nadine schon eine ganze Weile, Hochwürden. Es scheint sie ziemlich mitzunehmen, dass der Albersdörfer-Christian wieder in St. Johann leben wird. Sie ist mit uns gegangen, um den Abend zu genießen, und nun scheint’s, dass sie die Nachricht in ein seelisches Tief versetzt hat.«

      »Das scheint mir auch so«, seufzte Sebastian, »darum werd’ ich auf dem Rückweg noch einmal mit ihr reden. Früher oder später hätt’ sie’s sowieso erfahren, dass der Christian hier arbeiten und leben wird. Jetzt kann sie sich wenigstens drauf einstellen.«

      Bruckner nickte beipflichtend.

      Nach einiger Zeit schlug Sebastian vor, wieder den Heimweg anzutreten. Sie tranken aus und zogen sich die warmen Wintersachen an. Ehe sie gingen, bedankte sich der Pfarrer bei Georg und Franzi Meyerling für ihre Mühen und das erstklassige Essen, dann brach die Gruppe auf.

      Sebastian gesellte sich zu Thorsten Sommerauer, Annika und Nadine und sagte zu ihr: »Ich hab’ das Gefühl, dass wir noch einmal reden müssen, Nadine, denn ich glaub’, du machst dir viel zu viele Gedanken.«

      »Es ist net so einfach für mich, Hochwürden«, murmelte Nadine.

      »Ich will dir helfen, es zu verarbeiten und dich drauf einzustellen«, gab Sebastian zu verstehen.

      Thorsten nahm Annika bei der Hand, nickte dem Pfarrer ernst zu, und sie ließen die beiden allein.

      Sebastian und Nadine bildeten nun den Schluss.

      »Du machst dir das Leben selber schwer, Nadine«, begann Sebastian, nachdem sie ein paar Schritte nebeneinanderher gegangen waren. »Die Sache von damals ist Geschichte. Dazwischen liegen mehrere Jahre, und Christian hat während dieser Zeit eine Familie gegründet. Seine Ehe ist allerdings gescheitert, und nun kommt er zurück, um hier zu arbeiten und zu leben. Dass es damals nix geworden ist mit euch beiden war der besonderen Situation zuzuschreiben, in der du dich damals befunden hast.«

      »Ich hatt’ damals eine moralische Verpflichtung, Hochwürden«, murmelte Nadine. »Meine Liebe war wohl net groß genug, um ihr den Vorrang zu geben. Unsere Liebe hatte wegen der räumlichen Trennung keine Chance. Als er sich dann neu verliebt hat, war für mich der Zug abgefahren.« Zuletzt hatten ihre Worte ziemlich wehmütig geklungen.

      »Aber nun ist Christian wieder frei«, gab Sebastian zu bedenken. Er ließ seine Worte wirken.

      »Ja, er ist wieder frei. Wir beide sind allerdings älter geworden. Heute Abend habe ich einige Male daran gedacht, ob es möglich sein könnte, dort weiterzumachen, wo wir vor knapp sieben Jahren standen. Aber ich denk’, es hat sich viel zu viel geändert. Mich hat die Zeit verbittert, ich bin unduldsam und ungerecht geworden, und ich wär’…« Fast erschreckt brach sie ab.

      »Was wolltest du sagen, Madel?«, hakte Sebastian nach.

      »Den Christian haben die sieben Jahre sicher auch zu einem anderen Menschen geformt. Mit seiner Ehe hat er Pech gehabt, und nun wird er ein gebranntes Kind sein. Er ist sicher net bereit, sich so schnell neu zu binden.«

      »Mich würd’ interessieren, was du vorhin sagen wolltest, Nadine. Meine Frage hast du net beantwortet. Was wärst du?«

      Kurze Zeit herrschte Schweigen. Schließlich aber stieß Nadine hervor: »Ich wollt sagen, Hochwürden, dass ich über Leichen gegangen wär’, um meinen Platz auf dem Hof zu behaupten. Ich war immer der Meinung gewesen, dass es, nach allem, was ich diesem Hof geopfert habe, legitim war, den ersten Platz dort einzunehmen.«

      »Und jetzt bist du anderer Meinung?«

      Nadine nickte. »Mir ist klar geworden, dass ich net länger das Leben meines Bruders bestimmen darf. Das war die Stunde, in der ich auch mit der Vergangenheit abgeschlossen hab’. Aber jetzt …«

      »Jetzt hat sie dich plötzlich wieder eingeholt«, sagte Sebastian. »Das muss jedoch an deiner Einstellung deinem Bruder und der Annika gegenüber nix ändern, Nadine. Auch ich geh’ davon aus, dass die vergangenen Jahre net nur dich, sondern auch den Christian geprägt haben. Fakt ist, dass ihr euch mal geliebt habt.«

      »Meinerseits stünd’ einer neuen Liebe mit ihm nix entgegen«, murmelte Nadine. »Den ganzen Abend über, seit S’ mir gesagt haben, dass er zurückkommt, war ich voller Zweifel, ob meine Gefühle zu Christian noch die alten sind. Jetzt bin ich mir ziemlich sicher, Hochwürden, dass ich ihn noch genauso liebe wie damals. Es hat mir das Herz gebrochen, als ich ihn gehen lassen musste. Aber da war die moralische Pflicht den Eltern und dem Hof gegenüber.«

      »Warst du auf den Christian wütend, als du gehört hast, dass er geheiratet hat?«, fragte Sebastian.

      »Ich weiß es net. Zu dieser Zeit war alles zwischen uns längst beendet.« Nadine seufzte und fuhr fort: »Getroffen hat’s mich natürlich schon. Ja, es hat sehr, sehr wehgetan. Ich denk’ aber, es ist immer schmerzlich, wenn etwas, das man selber gern gehabt hätt’, plötzlich ein anderer bekommt.«

      »Aber irgendwann hast du dich doch damit abgefunden«, sagte der Bergpfarrer.

      »Ich hab’s zumindest geglaubt, Hochwürden. Jetzt weiß ich, dass ich ihn nie vergessen hab’. Der Platz in meinem Herzen hat immer ihm gehört. Ob ich in seinem Herzen noch einen Platz einnehm’, ist jedoch fraglich.«

      »Wenn ihr zusammengehört, dann werdet ihr auch wieder zusammenfinden«, verlieh Sebastian seiner Überzeugung Ausdruck. »Dass Christian eine Tochter hat, dürft’ für dich ja keine Rolle spielen.«

      »Net die geringste«, versicherte Nadine.

      *

      Christian Albersdörfer betrat am Montag kurz vor neun Uhr das Vorzimmer des Bürgermeisters.

      Die Sekretärin erhob sich und kam lächelnd um ihren Schreibtisch herum. »Grüaß di, Christian.


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