Der Bergpfarrer 253 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer 253 – Heimatroman - Toni Waidacher


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mochte ihn. Hätte sie ihn unter anderen Umständen kennen gelernt, hätte sogar etwas aus ihnen werden können. Doch die Wunden, die die Beziehung zu Robert Gerke gerissen hatte, waren längst noch nicht verheilt.

      Indes musste sie sich ja auf nichts einlassen, was sie nicht selber wollte. Christel hatte ein erstes Treffen für den Abend in Hannas Wohnung verabredet und versprach, dabei zu sein. Es war schon eine seltsame Situation, Hanna empfand sie sogar als peinlich, als sie zu dritt im Wohnzimmer saßen, und sie zum ersten Mal einem anderen Menschen – von Christel einmal abgesehen – ihre Lebensgeschichte erzählte. Andreas hörte zu, ohne sie zu unterbrechen, und selbst als sie fertig war, enthielt er sich eines wertenden Kommentars.

      »Jetzt versteh’ ich, warum du in der Klemme steckst«, sagte er nur.

      »Ich hätt’s lieber für mich behalten«, gestand Hanna. »Aber ich hab’ ja keine andre Wahl.«

      Andreas Felber nickte.

      »Also, von mir aus – ich bin dabei«, erklärte er.

      Hanna war froh, dabei hatte sie noch gar nicht bedacht, was für ein Rattenschwanz von Problemen an dieser ganzen Geschichte hing.

      Erinnerte sich daheim wirklich niemand mehr an Robert Gerke? Wie sollten sie und Andreas sich verhalten, wenn die Eltern dabei waren?

      Sicher erwarteten sie, dass Hanna und ihr Mann sich wie liebende Eheleute benahmen.

      Und wie würden sie das mit dem Schlafen regeln?

      Sie konnten doch unmöglich in einem Bett …!

      Diese und noch tausend andere Fragen waren inzwischen aufgetaucht. Doch Hanna hatte gar keine Zeit mehr gehabt, darüber nachzudenken. Der Urlaub, der ihr spontan bewilligt worden war, stand bevor, und schließlich waren sie heute Morgen gestartet, nachdem Andreas eine Woche lang die wichtigsten Daten auswendig gelernt hatte.

      »Also, ich heiß’ Robert Gerke«, plauderte er nun munter los, während sich das Auto Kilometer um Kilometer dem Wachnertal näherte. »Wir haben uns vor drei Jahren in St. Johann kennengelernt. Deine Eltern heißen Waltraud und Hans Behringer, deine Schwester heißt Lisa. Sie heiratet ihren langjährigen Freund, den Thomas Bergmeister. Der ist von Beruf Schreiner, arbeitet aber seit langem schon bei euch auf dem Hof. Die beiden werden ihn später auch mal übernehmen. Deine Großeltern väterlicherseits leben beide net mehr, bloß die Mutter deiner Mutter erfreut sich bester Gesundheit. Sie heißt Burgl Hofer und verbringt ihren Lebensabend auf dem Behringerhof. Wir haben in München geheiratet und sind immer noch sehr glücklich.«

      Andreas ließ einen Moment das Lenkrad los und klatschte in die Hände.

      »Na also, sitzt doch.«

      Hanna seufzte. Bis hierher stimmte alles, dennoch hatte sie Zweifel, ob das alles so richtig war.

      »Und deine Eltern?«, fragte sie.

      »Meine Mutter lebt in München, Vater ist vor drei Jahren verstorben.«

      Die junge Frau schüttelte den Kopf.

      »Falsch! Du bist net mehr Andreas Felber, sondern Robert Gerke!«

      »Ach so, ja, entschuldige. Also, mein Vater ist Chauffeur bei Bankdirektor Abendrodt, meine Mutter führt in der Villa den Haushalt.«

      Hanna seufzte.

      Wenn das bloß gut ging!

      Sie waren am frühen Morgen losgefahren und erreichten das Wachnertal am Vormittag.

      »Hübsche Gegend«, meinte »Robert« als sie über die Bergstraße fuhren, die zum Behringerhof führte.

      Hanna hatte keinen Blick dafür. Sie war viel zu sehr mit dem Gedanken beschäftigt, dass doch noch etwas schiefgehen könne.

      Dann war es soweit.

      Sie hatten den Bauernhof der Eltern erreicht, und Hanna wusste, dass es ab jetzt kein Zurück mehr gab!

      *

      »Da seid ihr ja!«

      Waltraud Behringer trat aus der Tür und streckte die Hände nach ihrer Tochter aus.

      »Madel, das du bloß wieder da bist!«, sagte sie und wischte schniefend eine Träne ab, die ihr über die Wange rollte.

      Hanna umarmte sie und gab ihr einen Kuss.

      »Hallo, Mama. Es ist schön, wieder daheim zu sein.«

      Sie deutete auf Andreas Felber.

      »Das ist Robert.«

      Seltsam, wie selbstverständlich und flüssig ihr der Name über die Lippen kam!

      Die Bäuerin sah ihren Schwiegersohn lächelnd an.

      »Grüß dich, Robert«, sagte sie und reichte ihm die Hand. »Willkommen in der Familie.«

      Er lächelte ebenfalls.

      »Vielen Dank, Schwiegermama, für die herzliche Begrüßung.«

      »Ist Vater net da?«, fragte Hanna.

      »Vater ist ins Dorf gefahren, ein Ersatzteil für den Traktor besorgen. Und Lisa und Thomas sind in der Stadt, sie mussten endlich los, einen Anzug für den Bräutigam kaufen. Aber jetzt kommt erst mal rein. Oma wartet in der Küche mit dem zweiten Frühstück. Mittag gibt’s erst, wenn Lisa und Thomas wieder da sind. Und heut’ Abend wollen wir grillen. Ich hab’ schon Salate und Saucen vorbereitet.«

      Sie gingen ins Haus. Burgl Hofer stand an der Kaffeemaschine. Als sie ihre Enkelin sah, stellte sie die Kanne ab und breitete die Arme aus.

      »Hanna! Komm her und lass dich anschau’n.«

      Die Großmutter war schon weit über siebzig Jahre alt, aber immer noch sehr rüstig und gut zu Fuß. Jeden Tag machte sie einen Spaziergang und morgens trank sie einen Obstler auf nüchternen Magen.

      Ihre Tochter war schockiert gewesen, als sie das entdeckte. Waldtraud vermutete schon, dass ihre Mutter heimlich trank.

      »Unsinn!«, widersprach die alte Frau und schüttelte den Kopf. »Das ist gut für den Kreislauf. Solltest du auch machen. Damit wirst’ hundert Jahr’ alt.«

      »Na, da kann ich ja noch lang’ auf die Erbschaft warten«, hatte Hans Behringer mit einem Grinsen gesagt, der zufällig Zeuge der Unterhaltung geworden war.

      Dann nahm er seine Schwiegermutter in den Arm.

      »Komm, lass uns gleich noch einen trinken«, schlug er vor – und handelte sich damit einen bösen Blick seiner Frau ein.

      »Hallo, Oma!«

      Hanna umarmte sie.

      »Wie geht’s dir?«

      »Könnt’ net besser geh’n, jetzt wo du wieder da bist. Aber nun lass mich erst mal deinen Mann begrüßen.«

      Sie musterte Andreas von oben bis unten. Dann nickte sie zufrieden.

      »Respekt«, meinte Burgl Hofer. »Einen feschen Burschen hast’ dir da angelacht. Mit dem wär’ ich auch durchgebrannt.«

      »Oma!«, rief Hanna.

      »Mutter!«, kam es von Waltraud.

      Dann lachten alle und setzten sich an den Küchentisch, auf dem eine große Aufschnittplatte stand. Dazu Butter, Marmelade, Bergkäse und kräftiges Bauernbrot.

      »Greift nur zu!«, forderte die Bäuerin ihre Tochter und den Schwiegersohn auf. »Ihr müsst doch hungrig sein, nach der langen Fahrt.«

      Hunger hatte Hanna in der Tat. Am Morgen hatte sie nichts essen können, vor lauter Aufregung. Doch jetzt, nach der herzlichen Begrüßung, war alle Anspannung von ihr abgefallen, und ihr Magen meldete sich.

      Herrlich schmeckte es, in der heimischen Küche!

      Die junge Frau hatte längst vergessen, wie schön es war, im Kreis der Lieben zu essen. Das Brot schmeckte immer noch so lecker wie früher. Oma Burgl buk es seit


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