Butler Parker 170 – Kriminalroman. Günter Dönges
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Josuah Parker war äußerst angetan von diesem hochherrschaftlichen Sitz am Rande der Stadt.
Er durchfuhr mit seinem hochbeinigen Monstrum das Parktor, passierte die gepflegten Rasenflächen und hielt hinter dem Landsitz, der ihn an altenglische Schlösser erinnerte, vor einem unscheinbaren Eingang.
Ein Turm mit Wendeltreppe führte hinauf in das Dachgeschoß des Seitentraktes, wo die Angestellten des Hauses untergebracht waren. Parker kam nicht, um etwa eine neue Stelle anzutreten. Er wollte einem gewissen Aristide Lamelle einen Besuch abstatten, um den er gebeten worden war.
Parker klingelte und hatte dabei das untrügliche Gefühl, daß er irgendwie beobachtet wurde. Beweise dafür hätte er im Zwielicht des späten Nachmittags nicht antreten können. So etwas fühlte man, oder man besaß eben nicht jenen speziellen Sinn für Ausnahmesituationen, auf den der Butler sich bisher hatte immer berufen können.
„Mein Name ist Parker... Josuah Parker“, stellte er sich vor und lüftete höflich seine schwarze Melone. Er sah die gedrungene, aber adrett aussehende Frau distanziert an. Sie trug eine weiße Küchenschürze und schien gerade vom Herd gekommen zu sein. Ihr Gesicht wirkte erhitzt. Sie verströmte dazu einen nach Parkers Geschmack etwas zu aufdringlichen Geruch nach gebratenen Schweinelendchen, die überwürzt worden waren. Knoblauch schien die Ursache zu sein.
„Ich bin Emily Custner“, sagte die Frau, die etwa fünfzig bis fünfundfünfzig Jahre alt sein mochte. Sie trocknete sich die Hände an einem Zipfel der Schürze ab. Sie sah ihn unsicher, nervös und irgendwie auch ein wenig abwartend-ängstlich an.
„Ich möchte Mister Aristide Lamelle einen Besuch abstatten“, erläuterte der Butler. Und wieder hatte er das fast sichere Gefühl, sehr aufmerksam beobachtet zu werden. Er nahm sich vor, dieser Sache so schnell wie möglich auf den Grund zu gehen.
„Mister Lamelle ist eben weggefahren“, sagte Emily Custner. „Vor etwa ’ner halben Stunde. Soll ich ihm was ausrichten?“
„Wann wird Mister Lamelle zurückkommen?“
„Das hat er nicht gesagt. Ich kann ihm aber was ausrichten, wenn Sie wollen „Ich werde mir erlauben, zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal vorzusprechen“, gab Josuah Parker steif zurück. Er lüftete höflich seine schwarze Melone und ging zu seinem hochbeinigen Monstrum zurück, während Emily Custner ihm interessiert nachschaute.
Parker beobachtete unauffällig die Taxushecken und das Strauchwerk hinter dem Herrensitz. Die Lichtverhältnisse waren leider schlecht. Für einen Beobachter war es eine Kleinigkeit, dort in Deckung zu gehen. Eine Entdeckung brauchte er mit Sicherheit nicht zu befürchten.
Parker setzte sich ans Steuer seines skurrilen Privatwagens, der früher einmal ein Londoner Taxi gewesen war. Langsam fuhr er zurück zur Auffahrt und von dort aus hinunter zur Vorortsstraße, die schon um diese Zeit fast keinen Verkehr mehr zeigte. Der Herrensitz, in dem Aristide Lamelle arbeitete, lag selbstverständlich in einem Stadtteil, in dem sich nur geldschwere Bewohner niedergelassen hatten. Um diese Zeit pflegte man in den behäbigen, großen Häusern zu dinieren.
Parker hatte kaum die Straße erreicht, als er den Wagen anhielt und ausstieg.
Zu Fuß ging er noch einmal zurück zum Herrensitz. Diesmal verzichtete er darauf, die Auffahrt zu benutzen. Er wechselte sofort auf den gepflegten Rasen hinüber und benutzte das Strauchwerk und die vielen kleinen Taxushecken als Deckung. Er wollte herausfinden, wer ihn wohl beobachtet haben könnte.
Sein Versuch wurde belohnt.
Als er die Rückseite des Herrensitzes erreicht und den Turm mit der Wendeltreppe im Blickfeld hatte, wartete er einen kleinen Moment. Plötzlich erschien eine junge, langbeinige Dame an der Tür, wo er eben noch geklingelt hatte.
Sie mochte schätzungsweise fünfundzwanzig Jahre alt sein, trug einen sehr modernen Hosenanzug und bewegte sich mit der Selbstverständlichkeit einer Vertreterin. Sie trug eine Art Köfferchen in der modischen Form einer Handtasche bei sich.
Die Dame läutete und nickte dann Emily Custner zu, die die Tür geöffnet hatte und sie sofort einließ. Dies alles geschah mit einer Schnelligkeit, die auf gegenseitiges Kennen schließen ließ.
Parker hielt sich nicht länger auf.
Er ging zurück zur Straße und richtete sich auf eine gewisse Wartezeit ein. Sein Interesse war wieder einmal geweckt worden!
*
Aristide Lamelle sah angestrengt durch die Windschutzscheibe hinaus auf die Straße.
Er wartete auf das vereinbarte Zeichen und hatte gleichzeitig Angst vor dem Rendezvous, zu dem man ihn sehr eindringlich geladen hatte. Er hatte starke Bedenken vor gewissen jungen Damen, die sich bisher stets von ihrer charmanten Seite gezeigt hatten.
Er befand sich mit seinem alten Buick auf einer der westlichen Ausfallstraßen und wußte, daß er bald rechts abbiegen mußte. Er wartete nur auf das Auftauchen eines englischen Sportwagens, der rechts am Straßenrand angeblich mit Motorschaden hielt.
Da war der Wagen, ein kleiner, flacher Zweisitzer, bullig, vor Kraft strotzend! Die Motorhaube war hochgestellt. Zwei junge Damen, ungemein reizvoll anzusehen, standen ratlos herum und wußten wahrscheinlich nicht weiter.
Aristide Lamelle fuhr rechts heran und hielt. Er ging mit schnellen, nervösen Schritten auf die beiden Damen zu und zog in kontinentaler Manier seinen Hut.
Aristide Lamelle war knapp sechzig Jahre alt, untersetzt, wohlbeleibt und hatte ein glattes, gut ausgepolstertes Gesicht. Er trug dunkel gestreifte Hosen und darüber ein zweireihiges Jackett. Selbst ein Laie hätte in ihm einen Butler vermutet.
„Kann ich Ihnen helfen, meine Damen?“ Aristide Lamelles Stimme klang ein wenig schrill und gepreßt. Seine Augen irrten nervös von einer jungen Dame zur anderen und dann natürlich wieder zurück.
„Fahren Sie in die nächste rechte Querstraße“ sagte die junge Dame mit dem brandroten Haar. Ihre Stimme klang kalt und abweisend.
„Ich verstehe nicht, warum?“
„Sie haben gehört, was Sie tun sollen!“ Jetzt hatte die junge Dame mit dem pechschwarzen, glatten Haar gesprochen, eisig und ohne jede Verbindlichkeit. „Beeilen Sie sich, wir haben nicht viel Zeit!“
Sie ließ die Motorhaube zufallen und setzte sich zusammen mit ihrer brandroten Freundin in den Sportwagen. Aristide ging schnell zurück zu seinem Buick klemmte sich hinters Steuer und fuhr wieder los. Lamelle fühlte sich nicht wohl in seiner Haut.
Weit war es nicht bis zur nächsten Abzweigung.
Er verließ die Ausfallstraße und sah vor sich eine relativ schmale Straße, die zu einem kleinen Waldstück führte. Der Buick fuhr langsam auf dieses Waldstück zu und befand sich allein auf weiter Flur.
Aristide Lamelle sah in den Rückspiegel und wartete auf das Auftauchen des englischen Sportwagens. Er hoffte, sich endlich mit den beiden Damen arrangieren und noch einmal eine Art Galgenfrist herausschinden zu können...
*
„Jetzt…“, sagte die brandrote Dame, die neben der Fahrerin saß. „Es ist soweit!“
Der englische Sportwagen stand dicht vor der Abzweigung auf der Ausfallstraße.
Die Brandrote beobachtete Lamelles Buick durch ein Fernglas und sah nun ganz kurz zur pechschwarzen Fahrerin hinüber, deren Hand hinauf zum Armaturenbrett glitt. Ein unscheinbarer Kippschalter, der für das Einschalten des Scheibenwischers gedacht sein mochte...
Die Pechschwarze legte den kleinen Kipphebel um und sah gleichzeitig hinüber zum Wäldchen.
Dort, wo sich eben noch der Buick befunden hatte, glomm ein orangeroter Glutball auf, der sich in Sekundenbruchteilen zu einer kleinen Sonne ausweitete. Eine Flammensäule schoß zum abendlichen Himmel hoch. Hinter ihr quollen dicke, schwarze, häßliche Rauchwolken empor.
Die Brandrote konnte durch ihr Glas Einzelheiten erkennen. Wrackteile des Buick wirbelten durcheinander, zerfetztes Blech flatterte hilflos durch die Luft. Ein Rad rotierte wie ein Diskus hinaus ins flache Feld. Brennendes