Dr. Brinkmeier Classic 6 – Arztroman. Sissi Merz
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»Guten Morgen, Afra. Das duftet aber verführerisch. Was hast denn wieder Feines gezaubert?« Dr. Max Brinkmeier, der Landarzt von Wildenberg, einem kleinen Flecken im schönen Berchtesgadener Land, schnupperte genießerisch.
Die alte Hauserin lächelte. »Feine Pfannkücherl, wie du sie gern magst, Doktor. Geh nur in die Stube, dein Vater sitzt schon am Tisch. Ich hab’ extra ein paar Kücherln mehr gebacken.«
»Das läßt sich hören. Bist doch unsere Beste, Afra.«
»Ja, ja, bis der Magen gefüllt ist«, brummte die Hausperle mit der rauhen Schale und dem Herzen aus Gold.
Max mußte lächeln. Afra gehörte zu seinem Leben dazu, solange er denken konnte. Als der jetzige Landarzt noch ein kleiner Bub gewesen war und sein Vater die Praxis geführt hatte, war die Hauserin bereits der gute Geist im Doktorhaus gewesen. Josef Brinkmeier hatte seine Frau vor der Zeit verloren, für Max war Afra eine Art Mutterersatz und er hing auch heute noch an ihr.
Josef blickte von der Morgenzeitung auf, als sein Sohn die Stube betrat. Er und Max sahen einander recht ähnlich, beide waren sie hoch gewachsen und schlank, in das sandblonde Haar des pensionierten Mediziners schlichen sich aber immer mehr graue Strähnen. Doch wenn Josef verschmitzt lächelte, dann hatte er noch immer etwas Jungenhaftes. Jetzt allerdings blickte der Alte eher griesgrämig vor sich hin. Max bemerkte es und wollte wissen. »Hast was, Vater? Geht es dir net gut? Schmerzen?«
Vor einiger Zeit hatte Josef die Praxis aufgeben müssen, denn er litt zunehmend unter Herzbeschwerden. Daß sein Sohn auch sein Nachfolger werden würde, war nicht unbedingt selbstverständlich gewesen. Max war nach dem Studium zusammen mit der Frau seines Herzens nach Afrika in die Entwicklungshilfe gegangen. Er hatte dort zehn Jahre lang gelebt und gearbeitet, und die Entscheidung, nach Wildenberg zurückzukehren, war ihm alles andere als leicht gefallen. Bereut hatte er es nicht. Auch wenn die Sehnsucht nach Dr. Julia Bruckner, die er in Ruanda hatte zurücklassen müssen, zu seinem ständigen Begleiter geworden war.
Der Zustand des alten Brinkmeier hatte sich stabilisiert, seit er seinen Ruhestand genoß, nur noch ab und an in der Praxis aushalf. Und er litt auch an diesem kalten Januartag nicht unter Schmerzen, wie er seinen Sohn eher unwillig wissen ließ.
»Aber irgendwas hast doch. Du bist von Natur aus kein launischer Mensch, Vater. Was quält dich? Willst es mir net verraten?« hakte der junge Landarzt hartnäckig nach.
»Mei, Bub, ich hab’ schon was auf dem Herzen. Und ich weiß net, wie ich es dir sagen soll. Das Ganze ist… peinlich«, gab Josef da zögernd zu. »Am liebsten hätte ich die Sache für mich behalten, aber ich fürchte, du wirst es über kurz oder lang doch erfahren. Und wenn es schon sein muß, dann will wenigstens ich derjenige sein, der dir die Geschichte so erzählt, wie sie auch wirklich gewesen ist, verstehst?«
»Kein Wort.« Max bedankte sich bei Afra, die gerade die duftenden Pfannkuchen brachte, und nahm sich sofort einen. Sein Vater lehnte ab. Nun war der junge Arzt überzeugt, daß etwas ganz und gar nicht stimmte. Er hatte noch nie erlebt, daß Josef auf einen von Afras Pfannkuchen verzichtete.
»Schau, Max, ich war doch im letzten Jahr in Meran zur Kur«, fing Brinkmeier senior nun gequält an zu erzählen. »Und da hab’ ich jemanden kennengelernt. Net, was du denkst. Ich bin nicht darauf aus gewesen, das gewiß net. Und eigentlich, na ja, eigentlich wollte ich mit der Dame auch gar nix zu tun haben.«
Max steckte sich die Reste seines Pfannkuchens in den Mund und stellte mit unterschwelliger Ironie fest: »Du hast dir also doch einen Kurschatten zugelegt. Ich hab’ die ganze Zeit so was vermutet, als du früher heimgekommen bist. Ist die Dame vielleicht zudringlich geworden und wollte geheiratet werden?«
»Das ist net zum lachen!« brauste Josef erbost auf. »Ihr Name ist Valeska Kaiser, sie ist Witwe und in den sogenannten besten Jahren. Sie ist net eben häßlich, aber ich hab’ nie was von ihr gewollt. Du weißt ja, nach eurer Mutter hab’ ich keine Frau mehr angeschaut, das Kapitel war für mich abgeschlossen.«
»Demnach ist die Initiative von ihr ausgegangen«, schloß Max.
»Ja, so kann man sagen. Ich hab’ mich rar gemacht, bin ihr ausgewichen, als sie angefangen hat, von einer Bindung und einer gemeinsamen Zukunft zu reden. Es hat aber nix genützt, sie war hartnäckig. Da hab’ ich mein Heil eben in der Flucht gesucht und bin früher heimgekommen.« Josef lächelte schmal. »Ich war sicher, sie nie wieder zu sehen. Leider hab’ ich mich geirrt.«
Max hob die Augenbrauen. Verwundert fragte er: »Sie ist hier? In Wildenberg? Heißt das, sie ist dir nachgelaufen? Darauf kannst dir aber was einbilden.«
»Ganz gewiß net. Ich will mit dieser Frau nichts zu schaffen haben, Bub, hörst? Ich mag sie nicht treffen und auch meine Zeit nicht mit ihr verbringen. Aber ich kann ihr das net begreiflich machen. Sie versteht es einfach nicht.«
»Weil sie es nicht verstehen will, ganz klar.« Der Landarzt nahm sich noch einen Pfannkuchen und riet seinem Vater: »Du mußt deutlich werden, wenn du sie los werden willst.«
»Ich fürchte nur, das wird nix nützen. Sie hat so eine Art, alles, was ihr nicht paßt, zu überhören, die kann einen recht krank machen. Und deshalb habe ich dir die ganze Geschichte ja auch erzählt. Weil ich nämlich deine Unterstützung brauche, Max. Allein werde ich nicht mit dieser Frau fertig.«
»Du willst, daß ich mit ihr rede? Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie auf mich hört. Und wenn sie es sich in den Kopf gesetzt hat, dich zu erobern, dann wird es ganz bestimmt nicht leicht, sie wieder davon abzubringen.«
»Ja, mag sein. Aber wenn du bestimmt auftrittst und sehr streng mit ihr redest, dann…«
Ein Klingeln an der Haustür ließ Josef regelrecht zusammen zucken. Er blickte unsicher zur Tür und murmelte: »Ich hoffe sehr, das ist nicht Valeska. Aber wenn doch, dann könntest du vielleicht…«
»Vater, ich bitt’ dich, was soll denn das? Du wirst doch vernünftig mit dieser Frau reden können. Sie wird dich gewiß net gleich zum Traualtar schleppen.«
»Gleich vielleicht net, aber ich weiß, was sie im Schilde führt. Und ich möchte von ihr befreit werden, hast mich?«
In diesem Moment erschien die Hauserin und ließ Max wissen, daß drunten ein Notfall warte. »Der Stumpf hat sich den Fuß verknackst.« Afra lächelte spöttisch. »Wundert mich, daß die armen Füß’ net schon viel früher gestreikt haben. Bei dem Gewicht, das sie allerweil schleppen müssen.«
»Ist die Christel schon da?« wollte Max wissen.
»Noch net. Es ist ja erst siebene. Soll ich sie anrufen?«
»Net nötig. Das schaffe ich auch allein.« Der junge Landarzt erhob sich, sein Blick begegnete dem des Vaters, und er riet Josef besonnen: »Rede mal in aller Ruhe mit dieser Valeska. Sie wird schon einsehen, daß du nicht der Rechte für sie bist.«
»Und wenn net? Die Frau ist noch im Stande und macht mir einen Heiratsantrag«, kam es panisch vom alten Brinkmeier.
Max konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, obwohl sein Vater ihn überaus ärgerlich musterte. Er verkniff sich lieber einen weiteren Kommentar, denn aufs Streiten war er nicht aus.
»Ich schau jetzt nach dem Anderl, und hernach mache ich meine Runde. Magst mich vielleicht begleiten, Vater?«
Josef lächelte säuerlich. »Na, dank schön. Wennst mir schon net helfen willst, dann kann ich auch daheim bleiben.«
Anderl Stumpf, der langjährige Dorfgendarm von Wildenberg, stöhnte und jammerte in einem fort, als Dr. Brinkmeier seinen Knöchel untersuchte und dann feststellte:
»Eine leichte Zerrung, net weiter tragisch. Du kriegst eine Salbe und einen elastischen Stützverband, dann ist es in einer bis zwei Wochen vergessen.«
»Bist sicher, daß net mehr dahinter steckt, Doktor? Bei den starken Schmerzen, die mich quälen…«
»So stark können die net sein. Beiß halt die Zähne ein bisserl zusammen, Anderl. Es wird schon wieder.«
»Soll ich was beachten?« fragte der Gendarm da beleidigt.
Max