Der Bergpfarrer Extra 10 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.Brauhaus«, meinte Sebastian lächelnd.
»Iwo, ich hab’ groß genug gebaut«, versetzte Jürgen und erwiderte das Lächeln des Pfarrers.
*
Als Sebastian das Pfarrhaus betrat, empfing ihn der Duft von gebratenem Fleisch. »Das riecht ja verheißungsvoll«, sagte er zu Sophie Tappert, die den Kopf zur Küchentür herausstreckte.
»Schweinsbraten, Hochwürden, mit Knödeln und gemischtem Salat.«
»Hervorragend«, lobte der Pfarrer. »Ich geh’ noch eine halbe Stund’ in mein Büro. Sagen S’ mir halt Bescheid, wann S’ das Essen auftragen möchten, Frau Tappert.«
»Haben S’ denn mit niemand gesprochen, Hochwürden? Gibt’s nix Neues?«
»Die Veit-Franzi und der Rehfeldt-Jannik haben sich gestern auf der Kandereralm verlobt, und Jürgen Deiningers Brüder haben ihr Erscheinen zur Einweihungsfeier der Brauerei am kommenden Freitag abgesagt.«
»Was? Ich denk’, die drei Brüder vertragen sich wieder.«
»Die beiden befürchten, dass sie ihren Vater verärgern könnten«, sagte Sebastian.
»Seien S’ mir net bös’, Hochwürden, wenn ich’s sag’: Viel Rückgrat haben die beiden net. Gerade von Philipps Vater hätt’ ich mehr Courage erwartet.«
»Warum sollt’ ich Ihnen bös’ sein, Frau Tappert? Wo S’ recht haben, da haben S’ recht. Ich bin auch enttäuscht von Philipps Vater. Andererseits kann ich ihn aber auch verstehen. Er muss mit seinem Vater zurechtkommen. Der Jürgen und der Philipp haben in Landshut alles hingeschmissen und sich auf eigene Füß’ gestellt. Dem Gerhard und dem Vinzenz ist es allerdings noch net gelungen, sich aus dem Schatten ihres Vaters zu lösen. Und das ist das Problem.«
»Ich seh’s schon kommen, Hochwürden«, sagte Sophie, »da müssen Sie eingreifen. Und wie ich Sie kenn’, haben S’ daran selber schon gedacht. Oder net?«
»Sie kennen mich gut, Frau Tappert«, schmunzelte Sebastian. Dann nickte er und fügte hinzu: »Aber Sie haben recht. Ich hab’ in der Tat schon drüber nachgedacht, wie man den Jürgen und seinen Vater an einen Tisch bringen und zu einem vernünftigen Gespräch bewegen könnt’. Allerdings ist der alte Deininger stur wie ein Maultier, und wirkt auch recht arrogant.«
»Sturheit und Arroganz«, murmelte Sophie. »Eine gefährliche Mischung. Mit Leuten, die diese Charakterzüge in sich vereinbaren, sachlich zu reden, ist fast net möglich. Sie lassen meist keine andere Meinung gelten.«
»Das ist das Problem«, sagte der Bergpfarrer. »Aber vielleicht find’ ich noch einen Weg …« Mit dem letzten Wort setzte sich er in Bewegung, um in sein Büro zu gehen.
*
An diesem Sonntagnachmittag fuhr ein sportlicher Kleinwagen mit Regensburger Kennzeichen bei der ›Pension Edelweiß‹ vor. Eine dunkelhaarige, schlanke Frau stieg aus. Sie trug eine grüne Jeans sowie ein weißes T-Shirt. Ihre Füße steckten in weißen Sneakers. Die langen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
Sie war sehr hübsch, wirkte trotz ihrer saloppen Kleidung elegant und ausgesprochen attraktiv. Nachdem sie alles prüfend gemustert hatte, nickte sie zufrieden. Ihr schien zu gefallen, was sie sah. Zu beiden Seiten der Hauptstraße, die den Ort gewissermaßen teilte, waren die Wohn- und Geschäftshäuser im alpenländischen Stil errichtet. Manche wiesen kunstvolle Lüftlmalereien auf.
Vor den Lokalen standen Tische und Stühle auf den Gehsteigen. Es war erst Anfang Mai und so saßen nicht viele Gästen vor den Lokalen. Während der Hauptsaison würde man hier wohl kaum einen Platz bekommen.
Der Ort wirkte ruhig und idyllisch. Der Glockenturm der Pfarrkirche überragte die Häuser. Das Kupfer, mit dem das Dach verkleidet war, hatte eine grüne Färbung angenommen.
Die junge, hübsche Frau nahm ihre Handtasche und eine Reisetasche vom Rücksitz ihres Autos, warf die Tür zu und begab sich in die Pension. Die Rezeption war verwaist.
Die Frau aus Regensburg stellte die Reisetasche am Boden ab und schlug mit der flachen Hand auf die Klingel, die auf dem Tresen der Rezeption stand und jetzt einen durchdringenden Ton erzeugte.
Gleich darauf zeigte sich eine blonde Frau, Marion Trenker, die zusammen mit ihrem Mann Andreas die Pension betrieb. Sie lächelte freundlich. »Grüß Gott«, sagte sie und begab sich in die Rezeption.
»Grüß Gott«, erwiderte die junge Frau. »Mein Name ist Lena Dorner. Ich hab’ ein Zimmer bei Ihnen gebucht.«
Marion tippte den Namen in den Computer und nickte im nächsten Moment. »Frau Dorner, aus Regensburg. Sie sind bis einschließlich Sonntag bei uns?«
»So ist es.« Lena lächelte, ihre dunklen Augen strahlten. »Ein wunderschöner Ort, in dem Sie leben. Sie können sich glücklich schätzen.«
»Das stimmt. Ich kann net klagen. Sie haben auf jeden Fall eine gute Wahl getroffen, als Sie sich für St. Johann entschieden haben. Ich darf Sie bei uns herzlich willkommen heißen, Frau Dorner.«
»Es ist kein Zufall, dass ich hier meinen Kurzurlaub gebucht hab’«, erklärte Lena Dorner. »Ich kenn’ nämlich jemand sehr gut hier in St. Johann. Wir haben gemeinsam in Regensburg studiert. Sein Name ist Jannik Rehfeldt. Kennen Sie ihn?«
»Natürlich«, antwortete Marion schmunzelnd. »In St. Johann kennt jeder jeden.« Sie lachte. »Im Grunde ist’s ein Dorf. So, so, Sie haben also mit dem Jannik studiert. Er ist Ingenieur für Holztechnik und arbeitet bei einer Firma in Mittenwald, die Holzhäuser entwirft und baut.«
»Wir haben uns nach dem Studium aus den Augen verloren«, gab Lena ein bisschen bedrückt zu verstehen. »Seit über zwei Jahren hab’ ich nix mehr von ihm gehört. Während unserer Studienzeit waren wir allerdings unzertrennlich. Was treibt er denn so, der Jannik, außer dass er arbeitet?«
»So genau weiß ich das auch net«, versetzte Marion. »Ich seh’ ihn ja kaum. Er fährt morgens nach Mittenwald und kommt am Abend wieder heim. Und ich hab’ ja auch meine Arbeit hier in der Pension. Es ist schon Zufall, wenn man sich mal im Supermarkt oder beim Bäcker begegnet.«
»Können S’ mir wenigstens seine Adresse nennen?«, fragte Lena. »Ich würd’ ihn gern überraschen.«
»Er wohnt am Asternweg«, sagte Marion. »Die Hausnummer weiß ich net. Über der Haustür befindet sich eine Nische, in der eine Figur des Heiligen Florian steht. Daran können S’ das Haus erkennen, in dem er wohnt.«
»Danke.«
»Gut, Frau Dorner, dann will ich Ihnen jetzt Ihr Zimmer zeigen. Ihre Reisetasche können S’ bei der Rezeption stehen lassen. Ich sag’ nachher meinem Mann Bescheid, dass er sie auf Ihr Zimmer bringt.«
»Das ist sehr nett, aber ich schaff’ das schon. Ich bin auch im Holzbau tätig und es gewohnt, auch mal zuzupacken.«
Sie lachte. »Mit meiner Reisetasche werd’ ich mir schon keinen Bruch heben.«
»Wie S’ meinen«, sagte Marion, nahm einen Schlüssel aus dem Fach und reichte ihn dem Gast. »Zimmer sechs, erste Etage. Frühstück gibt’s ab sieben. Bis halb zehn Uhr können S’ frühstücken, falls Sie morgens ein bissel länger schlafen möchten. Tja, das ist eigentlich alles, was Sie wissen müssen. Mir bleibt es nur noch, Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in St. Johann zu wünschen, Frau Dorner.«
»Ich freu’ mich schon. Eine ganze Woche nur relaxen! Wenn auch das Wetter so bleibt … Vielen Dank für die freundliche Aufnahme. Ich werd’ mich jetzt ein wenig frisch machen, und dann will ich mir gleich den Ort ansehen. Gibt’s hier was Besonderes, das man auf jeden Fall gesehen haben muss?«
»Auf jeden Fall sollten S’ sich unsere Kirche anschauen«, erklärte Marion. »Sie ist absolut sehenswert. Dort werden Sie einige Dinge entdecken, die Sie anderswo net zu sehen bekommen. Unsere berühmte Madonnenskulptur, zum Beispiel, und natürlich die herrlichen Fresken. Das muss man einfach gesehen haben, Frau Dorner.«