Lash (Gefallener Engel 1). L. G. Castillo

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Lash (Gefallener Engel 1) - L. G. Castillo


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»Ich fühle gar nichts.«

      Raphael verzog das Gesicht. Lash war kurz davor, einen weiteren Zug zu nehmen, als – mit einem Wedeln von Raphaels Hand – der Rauch verschwand und sich der Joint in Asche verwandelte. »Erkläre mir doch bitte, warum du dir dann die Mühe machst, deinen Körper damit zu beschmutzen?«

      »Weil es dich zur Weißglut treibt.« Er lächelte spöttisch.

      Raphaels Augen wurden kalt. Er packte Lash am Hals und warf ihn gegen die Wand. Er kam ganz nah heran, sein Gesicht weniger als zwei Zentimeter von Lashs entfernt. »Es ist genau diese Einstellung, die dich aus dem Himmel verbannt hat.«

      »Einen Scheiß war es das.« Lash kämpfte gegen ihn an. »Diese Schlampe Gabrielle ist Schuld. Sie hätte mich nicht anschwärzen müssen.«

      »Nein, Lahash. Du warst es. Du warst es ganz allein.« Raphaels Gesicht rötete sich, während er Lash so stark gegen die Wand presste, dass dabei Risse in ihr entstanden. »Du hast in ihre Aufgabe eingegriffen und ihre Autorität als Erzengel in Frage gestellt. Alle Missionen werden aus einem Grund erteilt und sollten entsprechend ausgeführt werden. Das Mädchen hätte den Unfall nicht überleben sollen.«

      »Gabrielle« – er spuckte ihren Namen aus, als hätte er einen bitteren Geschmack – »hat auf eine Gelegenheit gewartet, mich rauswerfen zu lassen. Sie hasst mich.«

      »Das ist nicht wahr.«

      Sein Blick verfinsterte sich. »Das tut sie. Du bist nur zu blind, es zu sehen.«

      Raphael schloss seine Augen und atmete tief ein. Seine Wut half Lash nicht, zur Vernunft zu kommen; sie tat genau das Gegenteil.

      »Ich weiß, dass ihr beide nicht im besten Einvernehmen steht.«

      »Das ist eine Untertreibung«, murmelte Lash.

      Raphael beachtete ihn nicht und fuhr fort. »Ihr liegt das Wohl aller am Herzen, auch deines. Davon bin ich überzeugt.« Er lockerte seinen Griff und trat beiseite. »Du warst leichtsinnig, diejenigen um dich herum nicht zu beachten. Ich verstehe diese Art deines Verhaltens nicht.«

      Lash seufzte und setzte sich auf die Kannte des Bettes. »Ich sehe den Sinn darin nicht. Wieso geben wir uns überhaupt mit dem, was wir tun, ab? Die Menschen werden sowieso machen, was sie wollen. Wie Megan. Sie wird wahrscheinlich innerhalb einer Stunde wieder high sein.«

      »Genau das ist dein Problem, Lahash. Du hast den Glauben verloren.«

      »Den Glauben?« Lash schnappte sich die Fernbedienung vom Nachttisch und schaltete den Fernseher ein. Er zappte durch die verschiedenen Kanäle und hielt zwischen jedem Knopfdruck einen Moment lang inne. Er spannte de Unterkiefer an, als er düster auf jedes Bild sah, das über den Bildschirm flackerte: blutüberströmte Männer, Leichen auf einer Schotterstraße und in Schwarz gewandete Frauen, die vor Schmerz und Trauer weinten; ein zerstörtes Gebäude mit Rauch und Asche in der Luft, Frauen und Kinder, die aus ihm hinausliefen, aschebedeckt; ein dunkelhäutiger kleiner Junge, nicht älter als vier Jahre, gekleidet in schlammverschmierte Shorts, mit vor Hunger geschwollenem Bauch und leerem Gesichtsausdruck, der allein am Rande einer Straße stand.

      Er stoppte bei einem Kanal, der eine Gruppe Frauen zeigte, die Kleinkinder schminkten und anzogen, so dass sie wie teure Eskort-Girls aussahen, damit sie bei einem Schönheitswettbewerb gewannen.

      Lash schleuderte die Fernbedienung von sich, so dass der Bildschirm zerbrach. »Ist es das, von dem du willst, dass ich daran glauben soll? Wie soll ich an sie glauben?«

      Raphael sah zum zerbrochenen Fernseher, seine Augen glänzten. »Lash, denkst du nicht, dass ich nicht genau wie du gefühlt habe? Ich hatte auch Schwierigkeiten, an Menschen zu glauben, besonders, wenn es so aussieht, als ob sich niemand um irgendjemanden schert als sich selbst.« Raphael legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Michael hat zugestimmt, dir noch eine Chance zu geben. Er wird dir erlauben, zurückzukehren, wenn du deine Hingabe und dein Vertrauen unter Beweis stellst.«

      »Weshalb sollte ich das tun wollen?«, fragte Lash und täuschte Desinteresse vor. Die Mauer, die er um sich selbst errichtet hatte, um sich vor Verletzungen zu schützen, war vollkommen.

      »Mich kannst du nicht täuschen. Ich weiß, dass du zurück willst.«

      Scheiße. Er hätte sich denken können, dass Raphael ihn sofort durchschauen würde.

      »Also gut. Was muss ich tun?«

      Erleichterung leuchtete in Raphaels Augen auf und er ließ den Atem ausströmen. Er nahm einen Umschlag aus der Innentasche seiner Jacke. »Das sind der Ort und das Foto deines nächsten Schützlings.«

      Lash seufzte, riss den Umschlag auf und holte eine Karte heraus. »Naomi Duran«, las er. »Duran. Warte mal, ist sie mit Javier Duran verwandt?«

      Raphael öffnete den Mund und schloss ihn dann. Lash ahnte, dass es etwas Wichtiges gab was er ihm sagen wollte, aber es sah aus, als hielte ihn etwas zurück.

      »Alles, was ich dir sagen kann, ist, dass es von größter Wichtigkeit ist, dass du sie beschützt«, erklärte Raphael.

      Lash fluchte zwischen zusammengebissenen Zähnen. Sie würden es ihm nicht leicht machen. Er drehte die Karte um. Von der Rückseite blickte ihn eine hübsche junge Frau mit großen hellblauen Augen an. Stille senkte sich über das Zimmer, als er das Foto eingehend betrachtete. Er sah auf und stellte fest, dass Raphael sich erwartungsvoll zu ihm hingebeugt hatte.

      »Was denn?«

      »Nichts.« Raphael wandte die Augen ab. Er ging zum einzigen Fenster im Zimmer und zog den Vorhang zurück. »Schau es dir nochmal an. Wenn du ein Foto von besserer Qualität brauchst, kann ich dir eines besorgen.«

      Lash sah Raphael misstrauisch an. Er verhielt sich seltsam. Lash sah noch einmal auf das Foto hinunter. Da war etwas Vertrautes an ihr, das er nicht genau benennen konnte. Er zeichnete mit einem Finger ihren vollen, roten Lippen nach. Er hatte ihr nicht in der Vergangenheit zugeteilt sein können; an jemanden, der so aussah wie sie, hätte er sich erinnert. »Das Foto ist in Ordnung. Also, alles, was ich tun muss, ist sie zu beschützen. Wovor?«

      Raphael blickte zum schmutzigen Fenster hinaus und neigte dann den Kopf, als lauschte er auf etwas. »Wir sollten uns bei dem hier beeilen«, sagte er und kam auf Lash zu. Er legte seine Hände an Lashs Schläfen und eine Vision von Naomi erschien.

      »Was zum… versucht sie, sich umzubringen?«, rief Lash.

      Raphael zog seine Hand zurück.

      »Du kannst mir das nicht einfach zeigen und verschwinden«, sagte Lash.

      »Ich hätte dir das überhaupt nicht zeigen sollen.« Raphaels Gesicht spiegelte Sorge wider, während er hinausging.

      Lash lief in den Flur. »Warte! Wird Michael mir wenigstens alle meine Kräfte wiedergeben?«

      Raphael ging weiter, sein Bild verblasste mit jedem Schritt, den er machte, mehr. »Nein. Das hier musst du allein machen.«

      5

      Jane wische sich die verschwitzten Hände am Saum ihrer schwarzen Bluse ab. Sie sah aus der getönten Fensterscheibe des Mercedes hinaus auf die kleine Menschenansammlung, die sich um den geschlossenen Sarg versammelt hatte. »Das hier ist falsch, Luke. Ich sollte nicht hier sein.«

      Luke nahm sein Handy vom Halter und tätschelte Janes Hand. »Wir haben das doch besprochen«, sagte er. »Es wäre schlimmer, wenn du der Familie nicht deine Anteilnahme für ihren Verlust aussprächest. Du bist vollkommen in Sicherheit. Sal wird direkt hinter dir sein.«

      »Das meinte ich nicht,«, entgegnete sie. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war die Familie mit Sals Anwesenheit zu beunruhigen. »Meinetwegen ist dieser arme Mann tot. Ich bin die Letzte, die sie sehen wollen.«

      »Es wurde entschieden, dass es ein Unfall war«, merkte er an.

      »Der Mann ist tot.« Sie schloss die Augen und presste eine Hand gegen ihre Stirn. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für eine weitere Migräne. »Ich habe nicht auf die Straße geachtet und deshalb hat ein Mann sein Leben verloren.«

      Luke nahm ihre


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