Der Tee der drei alten Damen / Чаепитие трех старух. Книга для чтения на немецком языке. Фридрих Глаузер

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Der Tee der drei alten Damen / Чаепитие трех старух. Книга для чтения на немецком языке - Фридрих Глаузер


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der Regen, ein Gewitter ging nieder, es war dunkel im kleinen Raum, der Wirt schaltete das Licht ein, brachte dann dicken türkischen Kaffee in Kupferpfännchen. Dann war es sehr still im Raum, bis Pillevuit schließlich sagte. »Nun?«

      »Zeugenaussagen« , meinte O'Key. »Die Gemüsehändlerin Malvida Turettini, Witwe, kinderlos, hat ihren Laden am Morgen um fünf Uhr geöffnet. Da sie schräg gegenüber der Apotheke wohnt und Eltester sie von jeher interessiert hat, weil er merkwürdige Besuche erhielt, wirft sie jeden Morgen beim Öffnen ihres Ladens einen Blick auf die Apotheke. Die Rollläden waren heruntergelassen, doch meinte sie zwischen den Ritzen Licht schimmern zu sehen, was sie erstaunte, da es bekanntlich jetzt, im Sommer, schon um vier Uhr morgens ganz hell ist. Um halb sechs tritt sie zufällig vor ihre Türe, um ihre Gemüseauslage in Ordnung zu bringen und hört aus der Apotheke Lärm. Die Gasse war zu dieser Zeit fast menschenleer, nur in der Rue de Carouge war ein Trupp Arbeiter zu sehen. Frau Turettini kann sonst nichts angeben. Ihr Geliebter, Gaston Faillettaz, Mechaniker in einer Autofabrik, hat am Abend vorher, als er gegen zehn Uhr aus der Kneipe kam, hinter den schon herabgelassenen Läden der Apotheke singen gehört. Er bezeichnete das Geräusch als Singen, und als ich ihn fragte, was er denn unter Singen verstünde, Volkslieder oder Grammophonmusik, schüttelte er den Kopf: ›Wie wenn man an katholischen Kirchen vorbeigeht, so hat's geklungen‹, behauptete er. Der Zeitungsverkäufer Andre Gattineau muss schon.«

      »Halt« , rief Pillevuit. »ich habe eine Frage. Wie kam es, dass Sie etwas von dem Mordversuch wussten? Sie hatten doch Ihre Untersuchung schon beendigt, als wir die Entdeckung des kranken Eltester machten?«

      O'Key spielte mit einem silbernen Kettchen, das um sein Handgelenk lag. »Ich bin eben früher aufgestanden« , sagte er lächelnd. »Und ich kann Ihnen da nichts weiter erzählen, weil Sie sonst auf falsche Gedanken kämen. Lassen Sie mich lieber fortfahren. Der Zeitungsverkäufer Gattineau, der schon um fünf Uhr bei der ›Tribune‹ sein muss, um die Morgenblätter zu erwischen, die er in den Dörfern verkauft, hat um halb fünf Uhr einen älteren Herrn gesehen, mit weißem gelocktem Bart, der mit einer sehr dicken Frauensperson die Straße hinunterging. An der Ecke der Rue de Carouge waren diese beiden verschwunden. Gattineau glaubt, die beiden hätten ein Taxi genommen. Passt diese Beschreibung auf irgendjemanden, den Sie kennen, Kommissar?«

      »O'Key! Hervorragend!« Der Kommissar hüpfte wie ein Rugbyball bei einem Match. »Der Professor! Ich habe immer gewusst, der Professor ist in die Sache verwickelt. Wer hat Crawley ins Spital geschickt? Ich frage Sie, wer hat Crawley.«

      »Sie lieben rhetorische Fragen, Kommissar« , stellte O'Key mit strenger Stimme fest. »Wir wissen, dass der Professor in der Sache, die uns beschäftigt, eine Rolle spielt. Aber welche Rolle? Wer war die Frau, die ihn heute Morgen begleitete? Wissen Sie das?«

      »Ich? Nein.«

      »Sie sollten es aber wissen. Wozu haben Sie sonst einen Ihrer Leute vor dem Hause des Professors postiert? He? Und einen untauglichen noch dazu? Sie haben mich gefragt, wieso ich von dem Mordversuch hier Kenntnis erhalten hätte? Weil ich dem Professor gestern Abend gefolgt bin. Ein Auto hat ihn um neun Uhr abgeholt. Es ist bei seinem Hause vorgefahren, hat kaum zehn Sekunden gehalten, gehornt, der Professor ist aus der Haustür und mit einem Satz in den Wagen gesprungen, – fort war er. Ihr Polizist hatte gerade ein wichtiges Gespräch mit der Kellnerin in der Kneipe, die dem Hause des Professors gegenüberliegt. Ich bin ihm nachgefahren, dem guten Professor, er hat sehr geheimnisvoll getan, als er in der Apotheke verschwand. Ich habe gewartet bis Mitternacht. Um elf Uhr ist die dicke Dame, die heute Morgen mit ihm fortgegangen ist, angekommen, hat geklopft, ist eingelassen worden. Ich bin dann schlafen gegangen. Aber heute Morgen war ich schon zeitig wieder da. Hat übrigens der Polizist Malan von mir gesprochen?«

      »Malan? Gesprochen? Von Ihnen?«  Pillevuit schüttelt ratlos den Kopf. »Nein, er hat gesagt, ein kleiner Junge habe ihm aufgeregt mitgeteilt, die Apotheke sei noch immer geschlossen, und man höre Stöhnen durch die Türe. Und da sei er eben hingegangen. Die Türen seien offen gewesen, das heißt, die Türe, die vom Hausgang in die Wohnung führt, und die Tür von der Wohnung in den Laden. Und dann hat er mich gleich angerufen, als er den Körper gesehen hat.«

      »Sehen Sie, Kommissar, Sie müssen nicht böse werden, aber Ihre Leute arbeiten unexakt. Malan ist fortgelaufen, und Sie können sich vorstellen, welch eine Aufregung es in einer kleinen Gasse hervorruft, wenn ein uniformierter Polizist aus einem Hausgang herausstürzt. Die Gemüsefrau wollte gleich schauen gehen, was los war, sie rief ihre Nachbarinnen herbei, es waren spielende Kinder auf der Straße. Diese ganze Meute wollte den Laden stürmen. Da hab ich mich vor den Eingang gestellt, habe nur ›Polizei‹ gesagt und das Abzeichen meines Tennisklubs gezeigt, das ich hier unter dem Rockaufschlag trage. So habe ich Ihnen doch die Jungfernschaft dieses Falles gerettet, und dafür müssen Sie mir dankbar sein.«

      »O'Key.« , Pillevuits Augen glänzten feucht, war es die Rührung, war es der Alkohol, oder vielleicht beides? . »O'Key, Sie sind ein Freund. Was soll ich nun tun?«

      Der Reporter stellte freudig fest, dass die ausgeworfenen Enterhaken nicht mehr zu entfernen waren. Doch als er antworten wollte, unterbrach ihn Pillevuit wieder:

      »Nein, Sie sollen mich nicht für ganz borniert halten. Ich will versuchen zusammenzufassen: Wir haben also zwei mysteriöse Vergiftungsfälle, einen fremden Sekretär und einen Genfer Apotheker. Beide werden, so scheint es, durch das gleiche Gift zu ermorden versucht. Es muss also ein Bindeglied zwischen den beiden zu finden sein. Da haben wir Professor Dominicé, er kennt Crawley, er kennt, wie Sie behaupten, auch den Apotheker. Beide Male war er in der Nähe, als das Verbrechen begangen wurde. Wir finden beide Male ein Bündel Drähte, wie sie zu jeder Pravazspritze geliefert werden. Wir stellen ferner fest, dass der junge Sekretär am Abend seines. seines Unfalls eine Einladung des Professors erhalten hatte. Wir finden ferner bei dem Apotheker Dinge, die auf das Hineinspielen einer okkulten Sekte deuten. Wir wissen ferner, dass der Professor sich mit spiritistischen Phänomenen beschäftigt hat, dass seine Haushälterin früher Medium war – Donnerwetter« , unterbrach sich Pillevuit. »die dicke Frau, die mit dem Professor aus dem Haus des Apothekers gekommen ist, ist das.?«

      »Natürlich ist sie das, nur weiter, Kommissar.«

      »Ja, jetzt weiß ich nicht weiter. Denn einerseits behauptet die indische Exzellenz, ihr seien wertvolle Dokumente entwendet worden, und diese Dokumente habe Crawley gehabt. Also ein Mord mit einem klaren, politischen Hintergrund. Aber beim Apotheker scheint etwas anderes mitzuspielen. Eben dieses Hexenrezept, und die Münze und die gelbe Stirnbinde. Sagen Sie, O'Key, was ist's eigentlich mit diesen Hexensalben?«

      »Die Hexensalben? Ein Rauschmittel, mein Lieber. Die armen Frauen hatten Visionen, sie meinten zu fliegen. Sie rieben sich mit der Salbe ein, gewöhnlich die Körperstellen, wo die Haut dünn war, Achselhöhlen und so weiter, dann klemmten sie sich einen Besenstiel zwischen die Beine, legten sich aufs Bett, sagten: ›Obenaus und nirgent an‹, und dann flogen sie zum Kamin hinaus, auf den Blocksberg oder sonst wohin, nach Thessalien, was weiß ich, und trieben dort Unzucht mit dem Teufel, dem Abraxas, dem Behemoth, dem Herrn der Fliegen und anderen Gewürms. Ja. So ging die Sache vor sich. Und dafür wurden sie verbrannt. Wenn man nämlich ein Teufelszeichen an ihrem Körper entdeckte. Und ich habe mir sagen lassen, der Apotheker sowohl als auch der junge Mann hätten in der Ellbogenbeuge einen Einstich gehabt, mit einem roten Hof darum, und das sah aus, wie eine ungeschickt gemachte, intravenöse Injektion. Vielleicht war es auch etwas anderes.«

      Sie haben sicher schon Heu gesehen, das Pech gehabt hat. Es war halb trocken, dann regnete es drauf, dann trocknete es wieder, dann wurde es wieder nass, und dann wurde es eingeführt, noch halb feucht. Genau wie dieses Heu sah Pillevuits Bart aus. Er war matt und unansehnlich, gar nicht mehr stolz wogend, wie eine blonde Fahne.

      Madge Lemoyne hatte die Abendvisite in aller Eile erledigt. Sie wollte in die Stadt, sie war unruhig. Wem sollte sie von ihrem merkwürdigen Patienten erzählen? Sie beschloss Professor Dominicé aufzusuchen und mit ihm über Jane Pochon zu sprechen. Als sie mit ihrem Zweisitzer gegen fünf Uhr vor dem Hause des Professors hielt, sprang Ronny als erster aus dem Wagen. Er ging kläffend auf einen Mann los, der an einer Straßenecke stand und in die Luft starrte. Der junge Mann (er war lang, sehr lang, trug rote drahtige Haare über einem mit Sommersprossen besäten Gesicht) schnalzte auf sonderbare Art mit


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