Der Tee der drei alten Damen / Чаепитие трех старух. Книга для чтения на немецком языке. Фридрих Глаузер

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Der Tee der drei alten Damen / Чаепитие трех старух. Книга для чтения на немецком языке - Фридрих Глаузер


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mit der hochgewachsenen Frau, die Thévenoz' Interesse erregt hatte.

      »Wer war das?«  fragte Madge. Der Professor seufzte laut und gründlich. Sein Gesicht war noch grauer als sonst und ängstlich verzogen.

      »Eine dunkle Persönlichkeit« , sagte er. »ein Russe, Baranoff heißt er, der, wie ich glaube, in irgendeiner Beziehung zu der Sowjetgesandtschaft steht, aber offiziell will die Delegation nichts mit ihm zu tun haben. Die Regierungen brauchen heutzutage, scheint es, derartige Subjekte« , Dominicé ballte die Fäuste auf dem Tisch, wie in hilfloser Wut. »um ihre dreckigen Geschäfte erledigen zu lassen. Geht etwas schief, so lässt man sie fallen und wäscht seine Hände in Unschuld. Wir leben in einer schmutzigen Zeit.«

      »Und die Frau, die bei ihm war?«  fragte Madge. »Thévenoz interessiert sich für sie, er wollte sie ansprechen, aber das dulde ich nicht.«

      »Die Frau? Seine Sekretärin. Eine schöne Frau. Ich bin ihr einmal vorgestellt worden. Sie schien Mitleid mit mir zu haben. Natalja Ivanovna Kuligina heißt sie.«

      »Sie kannte Crawley, den Sekretär« , platzte Thévenoz heraus. »Sie hat ihn heute Morgen besucht, sie nannte ihn armer Junge. Mitleidig scheint sie zu sein. Ich wollte sie fragen, was sie eigentlich im Spital wollte, aber wenn Madge ihren Rappel hat.«

      »Aber Jonny« , sagte Madge gefühlvoll. »Du solltest doch stolz sein, dass ich eifersüchtig bin.« Und sie legte ihre Hand auf Thévenoz' Schulter, den die unerwartete Zärtlichkeit erstaunte.

      »Sie kannte Crawley« , sagte der Professor und stützte den Kopf in die Hand. »Ich glaube wohl, dass sie Crawley kannte.«

      Aber als Thévenoz und Madge in ihn drangen, sich ein wenig klarer auszudrücken, schüttelte Dominicé nur den Kopf. So ließen sie ihn schließlich allein sitzen

      Zweites Kapitel

      Die Morgenblätter des nächsten Tages beschäftigten sich mit dem Tode des Sekretärs Crawley. Das ernste. »Journal de Geneve« , das seinen Ehrgeiz darein setzte, so dezent zu sein, dass auch sechsjährige Kinder seine Prosa verzehren durften, ohne Schaden an ihrer Seele zu nehmen, sprach in gefühlvollen Worten von dem Tode eines hoffnungsvollen jungen Diplomaten, der eines geheimnisvollen Todes gestorben sei. Am Schlusse des Artikels wurde andeutungsweise gefragt, ob hinter diesem Verbrechen nicht die Hand des Erzfeindes westlicher Kultur zu suchen sei. – Diese anscheinend harmlose Frage hatte einen geharnischten Protest der Sowjetdelegation zur Folge, der dann im Abendblatt in winzigen Buchstaben gerade am Schluss des redaktionellen Teiles erschien – und übersehen wurde. – Die. »Tribune de Geneve«  hatte einen Toxikologen angefordert, der ausgezeichnet und geistvoll über das ehrwürdige Alter der Gifte plaudern konnte: dieser berichtete vom Bilsenkraut und der Tollkirsche, die auch zu Liebesfiltern gebraucht worden seien. Das sozialistische. »Travail«  brachte, wie gewohnt, die Vergiftung des jungen Diplomaten mit der Korruption der bürgerlichen Gesellschaft in Verbindung und fand dadurch einen neuen Weg, von den Bankskandalen der letzten Zeit zu sprechen, was wöchentlich mindestens sechsmal geschah, denn so oft erschien dieses Blatt.

      Aber auch im Ausland fand der geheimnisvolle Vorfall gebührende Beachtung. Besonders in der Heimat der Kriminalromane – und das Königreich Großbritannien kann diesen Titel ruhig beanspruchen – schwelgte die Nachrichtenpresse in fingerbreiten Schlagzeilen:

      »Mysterious Death of the Secretary of Sir Eric Bose!« (dies die Überschrift im. »Globe« ) war eine der bescheidensten. Aber, wie gesagt, es gab nicht viel mitzuteilen. Immerhin hatte die Meldung eine nicht ganz gewöhnliche Wirkung, und zwar äußerte sich diese folgendermaßen:

      Gegen zwei Uhr nachmittags (am Morgen waren die Meldungen über Crawleys Tod erschienen) trafen sich zwei Herren am Telegraphenschalter der Hauptpost in Genf. Sie waren beide ungeduldig und kämpften höflich um den Vorrang. Den einen kannte der Beamte als eifrigen Kunden (seine sportlichen Allüren, Golfhosen, buntes Hemd wollten nicht recht zu seiner ungesunden Gesichtsfarbe passen): es war der Völkerbundskorrespondent des. »Globe« , der behauptete, die Referate der Abrüstungskonferenz hätten ihm ein chronisches Magenleiden eingebracht und er sei ein Märtyrer seines Berufes. Fast hätte dieser Herr im Kampf um den Vortritt am Schalter den Sieg davongetragen. Aber der andere Herr, der dunkel und unauffällig gekleidet war und trotz der Hitze einen steifen Hut trug, hatte einen so unangenehmen Blick, dass der eingeschüchterte Korrespondent schließlich doch den Platz freigab.

      Der Herr mit dem unangenehmen Blick reichte einen Zettel durch den Schalter, der trotz seiner Kürze den Schalterbeamten stutzig machte. Der Beamte fühlte sich verpflichtet, eine leise Frage zu stellen, die der Herr durch das Vorzeigen einer Karte beantwortete.

      »Gewiss, Monsieur« , sagte der Beamte diensteifrig. »in diesem Falle kann ich das Chiffre-Telegramm natürlich ohne weiteres abschicken. Aber Sie werden begreifen, dass dies nicht jedem gestattet werden kann. Auch wir in der Schweiz haben unsere militärischen Geheimnisse.«

      Aber der Herr im steifen Hut schien sich für die Landesverteidigung der Schweiz wenig zu interessieren, er winkte barsch ab, seine Frage nach dem Preis war in ein Wort gepresst, er zahlte und führte als Abschiedsgruß zwei Finger zum Hutrand. Der Beamte aber stand auf und verbeugte sich, was für einen Postbeamten, selbst wenn er Genfer ist, immerhin nicht ganz alltäglich ist.

      »Übrigens, verzeihen Sie« , fragte der Korrespondent des. »Globe« . »wer war der Herr vor mir? Es kommt mir vor, als hätte ich ihn schon ein paarmal gesehen.«

      »Das kann sein« , erwiderte der Postbeamte, froh, die Langeweile des heißen Nachmittags mit einem Gespräch zu zersplittern. »Er war schon ein paarmal hier, aber nur um recht harmlose Telegramme aufzugeben, meistens Glückwünsche und andere unwichtige Sachen. Ich hab immer gedacht, er sei irgend ein Kammerdiener.«

      Der Korrespondent pfiff so laut, dass der Beamte ihn besorgt anblickte.

      »Natürlich« , sagte der magenkranke Herr. »das ist ja Charles gewesen, Sir Eric Boses Charles, – was man nicht alles erfährt! Ich hatte keine Ahnung, dass er daneben ein. Aber Sie dürfen das nicht verraten, verstehen Sie, Dienstgeheimnis, es könnte un-ab-seh-bare Folgen haben. – Und wie viel macht mein Telegramm?«

      Schon zwei Stunden später übten diese beiden Telegramme ihre verheerende Wirkung aus. Ein noch jugendlich aussehender Mann, rothaarig, 1 Meter 89 groß, Simpson Cyrill O'Key mit Namen, musste seine Ferien unterbrechen, die er in Collioure, einem kleinen Fischerdorf am Mittelmeer, hart an der französisch-spanischen Grenze, verbrachte. Das kleine Postfräulein, das sie ihm übergab, wartete vergebens auf den übertrieben schmachtenden Blick, mit dem der junge Mann sie sonst stets zum Lachen brachte. Er runzelte nur missmutig die Nasenhaut (auch dies war komisch), nickte, und am Abend war er verschwunden. Er wurde von der Bevölkerung vermisst, denn er war beliebt, weil er allnächtlich mit einem der Fischer aufs Meer fuhr zum Sardinenfang. Man erfuhr nur, dass er sich nach Port-Vendres begeben hatte, um dort den Nachtschnellzug zu nehmen, der am nächsten Morgen in Genf ankommt.

      Um halb zehn Uhr morgens betrat Cyrill Simpson O'Key das Hotel de Russie und wartete in der Halle auf das Resultat seiner Anmeldung. Endlich durfte er in den ersten Stock steigen, auf dessen Gang ihm Sir Eric Boses Kammerdiener entgegenkam.

      »Seine Exzellenz wird Sie sogleich empfangen« , sagte Charles laut, führte O'Key in jenen Raum, den wir schon kennen (hoffnungsloser Luxus, Filmkulissen), schloss behutsam die Türe; dann sagte er mit völlig veränderter Stimme. »Setz dich, Simp, du kannst rauchen, der Alte schläft noch, wir sind ungestört. Schön, dass du gleich gekommen bist. Die Sache stinkt mir zum Hals heraus, ich kann's allein nicht mehr deichseln, und seit der Junge hat daran glauben müssen, hab ich keine Ruhe mehr. Du musst mir helfen. Der große Chef in London weiß Bescheid, dass ich dich aufgefordert habe. Also, Baranoff scheint in die Sache verwickelt zu sein, und durch Baranoff ein alter Professor. Ich hab den Jungen, den Crawley, in der letzten Zeit nicht beaufsichtigen können, aber es sind Pläne verschwunden, sagt der Alte, und ein Bündnisentwurf, außerdem ein Projekt, von dem ich nichts weiß, das aber der Landpfleger so schwer vermisst, dass er die abendliche Gin-Ration verdoppelt hat, um schlafen zu können, – aber auch die nützt nichts. Also, sieh mal, was du machen kannst. Der große Chef hat mir eine Empfehlung mitgegeben, an den Staatsrat, der das Departement für Polizei und Justiz unter


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