Sei höflich zu deinem Hund!. Masih Samin

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Sei höflich zu deinem Hund! - Masih Samin


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Tiere ihre eigenen Laufwege bestimmen: So läuft ein Hund zum Beispiel meistens nicht geradewegs auf einen fremden Artgenossen zu, sondern nähert sich ihm in einem großen Bogen, wendet den Kopf, senkt den Kopf oder wird langsamer. Dadurch gibt er ihm zu verstehen, dass er nur mit den besten Absichten unterwegs ist.

      Natürlich gibt es auch unhöfliche Kandidaten unter den Hunden, die mit ihrem stürmischen Verhalten persönliche Grenzen missachten und damit für Unbehagen sorgen können. Solche, die die feine »Hunde­sprache« (noch) nicht beherrschen und von Artgenossen daher schnell korrigiert werden müssen. Hunde, die die Individualdistanz ihrer Art­genossen missachten und dadurch schnell Konflikte provozieren. Dass zu viel Nähe beim Gegenüber Unbehagen auslöst, wissen wir selbst nur zu gut. Gibt es das doch auch unter uns Zeitgenossen, die zu forsch an andere herantreten oder deren Individualdistanz missachten.

      »Menschen und Hunde sprechen im Grunde dieselbe Sprache. Wir müssen uns nur darauf besinnen, wieder mehr unserer Natur zu folgen.«

      Genau hier beginnt die spannende Erkenntnis, dass unsere Kommunikation und die der Hunde auf denselben – ungeschriebenen – Gesetzen beruht. Mensch und Hund sprechen dieselbe Sprache, im Grunde genommen sind wir in erster Linie ja auch nur Tiere und ursprünglich betrachtet befriedigen wir dieselben lebenswichtigen Bedürfnisse wie unsere Hunde. Folgt man Charles Darwin, so ist der Unterschied zwischen Tier und Mensch nur graduell, nicht grundsätzlich. Und das bedeutet, dass Menschen und Hunde einander im Grunde gut verstehen könnten. Wir müssen dazu nur genau hinsehen und den ungeschriebenen Gesetzen, unserer Natur, folgen.

      Hunde und Menschen haben vieles gemeinsam. Eine Sache jedoch finde ich besonders faszinierend: Sowohl Zwei- als auch Vierbeiner tauschen Höflichkeiten aus, sobald sie auf Artgenossen treffen. Genauso ähnlich ist übrigens auch ihr Verhalten, wenn ihnen die Haltung ihres Gegenübers weniger gefällt.

      Mal angenommen, Sie stehen in einer rappelvollen U-Bahn. Es ist eng, und jedes Mal, wenn die Bahn anfährt und stehen bleibt, werden die Insassen gegeneinandergedrückt. Blöd, wenn jemand mit einem klobigen Rucksack neben Ihnen steht und Sie ungewollt ständig einen Schlag abbekommen. Weil der Träger kein Gefühl im Rucksack hat, sollten Sie es ihm nicht übel nehmen und ihn freundlich auf das Problem ansprechen: »Verzeihung, könnten Sie bitte den Rucksack absetzen? Sie treffen mich damit.« Natürlich können Sie den anderen auch einfach zurückschubsen und es ihm so »heimzahlen«. Nur wird das weniger zu einem guten Tag beitragen.

      Menschen sind in der Regel darauf aus, Konflikte unbeschadet zu ­lösen. Und können wir sie nicht lösen, meiden wir sie tunlichst. Hunde sind ähnlich motiviert. Schauen Sie sich doch nur mal auf einer Hundeausstellung um. Die Vierbeiner werden dort vor ihrem großen Auftritt nochmals hergerichtet. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt. Ich habe oft erlebt, dass Hunde, die sich, weshalb auch immer, im Alltag gern lauthals bemerkbar machen, auf solchen Ausstellungen ziemlich unauffällig sind. Schließlich sind auch sie darauf aus, sich selbst nicht zu schaden – erst recht nicht, wenn viele Artgenossen aufeinandertreffen. Sie meiden daher den Blick, senken den Kopf oder schließen die Augen leicht. Nur keine Konfrontation …

      Genauso kenne ich einige Hunde, die im Alltag mit ihrem Menschen andere Hunde überhaupt nicht abkönnen, während sie in der Hundetagesstätte oder in der Hundepension keinerlei Probleme mit Artgenossen haben. Hunde wissen also genau, wann sie ihrem Ärger Luft machen können und wann nicht.

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      Das nenne ich mal höflich: Hier wird keiner überrumpelt, sondern beide nehmen respektvoll Kontakt auf.

      NEULICH AUF DER HUNDEWIESE

      Ich liebe Hundewiesen. Nicht nur weil Hunde dort frei laufen können. Sie können auch offen »sprechen«. Ich weiß gar nicht, wie viele Stunden ich schon in Parks verbracht habe, um zuzuhören, was die Hunde zu sagen haben.

      Vor vielen Jahren, ich hatte damals nur einen einzigen Hund, ging ich regelmäßig auf eine zentral gelegene Hundewiese in Köln. Ich wollte, dass Liselchen alles erleben konnte, was mir für sie spaßig erschien. Und dazu gehörte für mich auch, dass sie viele Hunde kennenlernte. Einen davon werde ich nie vergessen. Sie hieß Mausi und war der Inbegriff eines Platzwartes. Mausi war Dauergast auf dieser Wiese, und auch wenn ihr Name anderes ver­muten ließ, tanzten alle nach ihrer Pfeife. Sie war ein Tibet-Terrier und äußerst deutlich, sobald es um ihre Wiese ging. Sie maßregelte jeden Hund, der es wagte, gegen die »Hausordnung« aufzubegehren.

      Ich fand es äußerst interessant zu beobachten, wie unterschiedlich die anderen Hunde aufgrund ihrer Charaktere auf Mausi reagierten. Die meisten mieden sie, ein paar legten sich mit ihr an, wieder andere versuchten Mausi zu beschwichtigen, liefen einen Bogen um sie und wendeten den Kopf ab. So wie mein Liselchen.

      Irgendwie erinnerte mich Mausi an einen früheren Nachbarn. Er wohnte ganz oben im Haus, fünfter Stock. Aber wenn jemand vor der Einfahrt parkte, war er sofort zur Stelle. Spielten die Kinder lauthals im Hof, war er zur Stelle. Und bellten mal die Hunde, ebenfalls … Er war eigentlich immer sofort zur Stelle, wenn es darum ging, andere an die Ordnung zu erinnern.

      Dieser Mann war der selbst ernannte Hausmeister, und vermutlich herrscht er noch heute über das Haus und die Umgebung. Die Nachbarn hatten wenig Lust, sich mit ihm zu streiten, und verhielten sich daher ähnlich wie die Hunde auf der Wiese. Manche mieden ihn, andere besänftigten ihn mit einem Lächeln oder gaben ihm gegen besseres Wissen recht … Ich denke nicht, dass tatsächlich jemand Angst vor dieser Einmann-Nachbarschaftswache hatte. Vielmehr hatten die meisten einfach keine Lust auf eine Diskussion. Weil auch wir Menschen, genau wie unsere Hunde, abwägen, ob sich der Aufwand lohnt. Lohnt es sich zu kämpfen? Meistens nicht!

      Außerdem sind Hunde sehr soziale Tiere. Die meisten Raufereien sind harmlos, und sehr selten kommt es zu so echten Beschädigungskämpfen. In den meisten Fällen handelt es sich bei körperlichen Auseinandersetzungen um sogenannte Kommentkämpfe. Bei diesen ritualisierten Kämpfen signalisiert der Unterlegene seine Position deutlich und löst dadurch beim Überlegenen eine Aggressionshemmung aus. Kommentkämpfe dienen also weniger dazu, das Gegenüber zu verletzen, sondern vielmehr die eigene Überlegenheit zu verdeutlichen. Sie werden von vielen Tierarten praktiziert. So habe ich zum Beispiel gelesen, dass Giftschlangen während eines Kommentkampfs nicht ihre tödlichen Zähne einsetzen, sondern den Gegner zu Boden ringen und festdrücken. Genauso aber konnte ich, als ich während meines Studiums nebenher im Nachtleben arbeitete, Kommentkämpfen zwischen halbstarken Betrunkenen beiwohnen …

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      Im Freilauf können Hunde uneingeschränkt auf ihre eigene Art kommunizieren. Dadurch kann jeder so weit Kontakt aufnehmen, wie er will – und auch bei Größenunterschieden wie diesem läuft alles problemlos.

      MIT HÖFLICHKEIT KOMMT MAN WEITER

      In weit mehr als 1000 Einsätzen als Hundeverhaltenstherapeut habe ich in den letzten Jahren immer wieder festgestellt, dass es unzählige Meinungen gibt, wenn es um die »richtige« Erziehung von Hunden geht. In meinem Freundeskreis gibt es übrigens einige junge Eltern, die Ähnliches berichten, wenn es um pädagogische Ansätze in der Erziehung von Kindern geht. Hundemenschen lesen heute zahlreiche Ratgeber, buchen Trainingseinheiten, besuchen Welpenschulen und belegen Kurse, um zu lernen, wie ihr Hund am besten apportiert und Platz macht. Gerne werden gleich mehrere Trainer hinzugezogen, um bloß alles richtig zu machen. Dabei wird schnell vergessen, dass jeder Hund ein Individuum ist, das in einer direkten Abhängigkeit zu seinem Menschen steht und dass man mit alldem das natürliche Verhalten gegenüber dem Hund aus den Händen gibt. Wir machen es uns leicht, indem wir am Hund arbeiten und nicht an uns. Natürlich ist das wichtig, Hunden eine Aufgabe zu geben und sie auf ihr »Erwachsensein« vorzubereiten. Sie müssen bei alldem aber Hund bleiben dürfen.

      Manche Hundehalter machen sich auch zu wenig Gedanken über das Leben mit dem Vierbeiner – weder über die Rasse noch das Wesen des Hundes im Allgemeinen. Die Frage, ob der Hund zu einem passt und ob man mit dem Lebensstil, den man führt,


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