Mord mit verteilten Rollen. Agatha Christie

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Mord mit verteilten Rollen - Agatha Christie


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»einladend«, mit dem ich Agatha Christies Bücher und Filme oft beschrieben habe – ich finde, Robyn Brown und Gary Calland, die beiden seit 1999 für Greenway verantwortlichen Geschäftsführer des Trusts, sowie all ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich selbst übertroffen bei ihren Bemühungen, auf Greenway eine genauso einladende Atmosphäre zu schaffen, wie Nima es in meiner Jugendzeit getan hat. Ich hoffe, wenn Sie Mord mit verteilten Rollen gelesen und vielleicht sogar den Film mit David Suchet gesehen haben, finden Sie auch noch eine Gelegenheit, den Originalschauplatz zu besuchen. Dort erwartet Sie nämlich etwas ganz Besonderes!

      Kapitel 1

      I

      Es war Miss Lemon, Poirots effiziente Sekretärin, die den Anruf entgegennahm.

      Den Stenoblock beiseitelegend, hob sie den Hörer ab und sagte tonlos: »Trafalgar 8137.«

      Hercule Poirot lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schloss die Augen. Leise trommelte er mit den Fingern einen meditativen Rhythmus auf die Tischkante. In Gedanken fuhr er fort, die geschliffenen Sätze des Briefes zu formulieren, den er eben zu diktieren begonnen hatte.

      Mit einer Hand die Sprechmuschel zuhaltend, fragte Miss Lemon ihn mit gesenkter Stimme: »Möchten Sie ein persönliches Gespräch aus Nassecombe, Devon, entgegennehmen?«

      Poirot runzelte die Stirn. Der Ort sagte ihm nichts.

      »Der Name des Anrufers?«, fragte er vorsichtig.

      Miss Lemon erkundigte sich.

      »Aria Akne?«, fragte sie ungläubig nach. »Ah ja, und der Nachname lautet noch einmal?«

      Erneut wandte sie sich an Hercule Poirot.

      »Mrs Ariadne Oliver.«

      Hercule Poirots Augenbrauen schossen in die Höhe. Eine Erinnerung wurde in ihm wach: windzerzaustes graues Haar, das Profil eines Adlers …

      Er erhob sich und löste Miss Lemon am Telefon ab.

      »Hier spricht Hercule Poirot«, verkündete er großspurig.

      »Spricht dort Mr Hercules Porrot persönlich?«, fragte die misstrauische Stimme der Telefonistin.

      Poirot versicherte ihr, dass dem so sei.

      »Sie sind mit Mr Porrot verbunden«, sagte die Stimme.

      Ihr dünnes Näseln machte einer grandios dröhnenden Altstimme Platz, die Poirot dazu veranlasste, den Hörer schnellstens einige Zentimeter vom Ohr wegzuhalten.

      »Monsieur Poirot, sind Sie es wirklich?«, erkundigte sich Mrs Oliver.

      »Höchstpersönlich, Madame.«

      »Hier spricht Mrs Oliver. Ich weiß nicht, ob Sie sich an mich erinnern …«

      »Aber natürlich erinnere ich mich an Sie, Madame. Wer könnte Sie je vergessen?«

      »Nun, es gibt Menschen, die bringen es fertig. Und gar nicht einmal so wenige. Ich glaube nicht, dass ich eine sehr ausgeprägte Persönlichkeit habe. Vielleicht liegt es allerdings auch daran, dass ich ständig etwas anderes mit meinen Haaren mache. Aber das ist alles völlig ohne Belang. Ich hoffe, ich störe Sie nicht bei irgendetwas fürchterlich Wichtigem?«

      »Nein, nein, Sie derangieren mich nicht im Geringsten.«

      »Ach du liebe Güte, ich möchte Ihnen sicher nicht den Verstand rauben. Es ist nämlich so: Ich brauche Sie.«

      »Sie brauchen mich?«

      »Ja, auf der Stelle. Können Sie sich in ein Flugzeug setzen?«

      »Ich setze mich nicht in Flugzeuge. Da wird mir schlecht.«

      »Mir auch. Egal, es würde wohl auch kaum schneller gehen als mit der Bahn, denn der nächste Flughafen ist in Exeter, und das ist meilenweit entfernt von hier. Kommen Sie also mit dem Zug. Um zwölf Uhr mittags von Paddington direkt nach Nassecombe. Den können Sie leicht schaffen. Sie haben eine Dreiviertelstunde, wenn meine Uhr richtig geht, was sie allerdings meistens nicht tut.«

      »Aber wo sind Sie denn, Madame? Worum geht es überhaupt?«

      »Nasse House, Nassecombe. Am Bahnhof in Nassecombe wartet ein Wagen oder ein Taxi auf Sie.«

      »Aber warum brauchen Sie mich denn? Worum geht es überhaupt?«, wiederholte Poirot erregt.

      »Telefone stehen an so ungünstigen Stellen«, erwiderte Mrs Oliver. »Meins hier zum Beispiel in der Eingangshalle … Ständig kommen Leute vorbei, die sich unterhalten … Ich kann Sie kaum hören. Aber ich erwarte Sie. Alle werden ganz begeistert sein. Auf Wiedersehen.«

      Mit einem scharfen Knacken wurde aufgelegt. In der Leitung summte es leise.

      Verblüfft und verwirrt legte Poirot jetzt seinerseits den Hörer auf die Gabel und murmelte leise vor sich hin. Miss Lemon saß, den Bleistift gezückt, da und machte ein desinteressiertes Gesicht. Mit gedämpfter Stimme wiederholte sie die letzten Worte, die Poirot ihr vor der Unterbrechung diktiert hatte.

      »… gestatten Sie mir, Ihnen zu versichern, mein Verehrtester, dass die von Ihnen unterbreitete Hypothese …«

      Mit einer Handbewegung tat Poirot die Unterbreitung der Hypothese ab.

      »Das war Mrs Oliver«, sagte er. »Ariadne Oliver, die Autorin von Detektivgeschichten. Vielleicht kennen Sie …« Er hielt inne, denn ihm fiel ein, dass Miss Lemon lediglich Erbauungsliteratur las und für Frivolitäten wie Kriminalromane nur Geringschätzung übrighatte. »Sie will, dass ich nach Devonshire hinunterfahre, heute, sofort, in« – er blickte auf die Uhr – »fünfunddreißig Minuten.«

      Miss Lemon hob missbilligend die Augenbrauen.

      »Das dürfte ziemlich knapp werden«, sagte sie. »Und weshalb?«

      »Sie haben gut fragen! Das hat sie mir nicht gesagt.«

      »Höchst seltsam. Und warum nicht?«

      »Weil«, sagte Hercule Poirot nachdenklich, »sie Angst hatte, dass jemand lange Ohren machen könnte. Ja, das gab sie mir sehr deutlich zu verstehen.«

      »Also wirklich«, empörte sich Miss Lemon und nahm ihren Arbeitgeber in Schutz. »Was die Leute alles erwarten! Als wenn Sie einfach Hals über Kopf losstürzen und irgendeinem Phantom nachjagen könnten! Ein wichtiger Mann wie Sie! Mir ist schon immer aufgefallen, dass diese Künstler und Schriftsteller äußerst unausgeglichen sind, ohne jedes Augenmaß. Soll ich ein Telegramm durchgeben: ›Bedauerlicherweise in London unabkömmlich‹?«

      Sie griff nach dem Hörer. Poirots Stimme ließ sie in ihrer Bewegung innehalten.

      »Du tout!«, sagte er. »Im Gegenteil. Seien Sie so freundlich und bestellen Sie umgehend ein Taxi.« Er erhob die Stimme. »Georges! Die notwendigsten Toilettenartikel in meinen kleinen Handkoffer. Und bitte flott, sehr flott, ich darf den Zug nicht verpassen.«

      II

      Der Zug, der rund zweihundertneunzig der dreihundertvierzig Kilometer langen Fahrt mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs gewesen war, schnaufte die letzten fünfzig Kilometer langsam und fast schon kleinlaut dahin und fuhr schließlich in den Bahnhof von Nassecombe ein. Nur ein einziger Passagier stieg aus: Hercule Poirot. Vorsichtig überwand er den klaffenden Spalt zwischen der Waggonstufe und dem Bahnsteig und sah sich um. Am anderen Zugende machte sich ein Träger im Gepäckabteil zu schaffen. Poirot nahm seinen Handkoffer und schritt den Bahnsteig entlang zum Ausgang. Er gab die Fahrkarte ab und ging durchs Schalterbüro hinaus ins Freie.

      Vor dem Bahnhof parkte eine große Humber-Limousine, und ein Chauffeur in Uniform trat auf ihn zu.

      »Mr Hercule Poirot?«, fragte er ehrerbietig.

      Er nahm Poirot den Koffer ab und öffnete die Wagentür. Sie fuhren über die Überführung und bogen in eine schmale Landstraße ab, die sich zwischen hohen Hecken dahinschlängelte. Schon bald fiel rechts das Gelände ab und gab einen wunderschönen Blick auf einen Fluss und dunstig blaue Hügel in


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