Die Verzeitlichung der Potenzialität. Jan-Philipp Schramm
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Jan-Philipp Schramm
Die Verzeitlichung der Potenzialität
Über die menschlichen Bedürfnisse
Jan-Philipp Schramm
Die Verzeitlichung der Potenzialität
Über die menschlichen Bedürfnisse
Copyright: © 2020 Jan-Philipp Schramm
Lektorat: Erik Kinting – www.buchlektorat.net
Satz: Erik Kinting
Coverbild & Umschlaggestaltung: © Joel Contreras
Verlag und Druck:
tredition GmbH
Halenreie 40-44
22359 Hamburg
978-3-347-07548-1 (Paperback)
978-3-347-07549-8 (Hardcover)
978-3-347-07550-4 (e-Book)
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Freiheit und Autonomie
Unsere Bedürfnisse
Unsere Umwelt
Potenzialität und Sein
Die Normierung der Welt
Der Zusammenschluss der Nationen
Der Zweck des Kapitals
Zukunft
Letzte Schlüsse
Einleitung
Was ist es, das den Menschen antreibt? Es gibt kaum eine Frage, die uns so nachhaltig zu beschäftigen vermag, wie die Frage nach der menschlichen Existenz und ihrer Bedeutung, denn obwohl sie uns von Beginn an begleitet, ist sie noch immer Gegenstand heutiger Untersuchungen.
Unsere Existenz hat eine Frage hervorgebracht, an deren Beantwortung wir seitdem unermüdlich arbeiten und die bereits eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze hervorgebracht hat. Doch keine unserer Antworten hat es bisher geschafft, zu einer Gewissheit zu werden, die unsere Frage überflüssig machen würde. Abgesehen von den wenigen Ansätzen, die wir zu den gescheiterten Ideologien ihrer Zeit werden ließen, verbleiben alle übrigen Erklärungsansätze und Theorien in einem Dornröschenschlaf.
Wir wissen, dass die Antworten, die diese Erklärungsansätze enthalten, nicht ausreichen, um als unumstößliche Lösung gelten zu können. Aber solange keine Lösung gefunden wurde, sind wir nicht in der Lage, die Aussagen innerhalb dieser Theorien als widerlegt anzusehen. Die Frage nach der menschlichen Existenz bildet aus diesem Grund das Fundament dessen, was wir als Philosophie bezeichnen, während unsere bisherigen Erklärungen als unwiderlegbare Granitblöcke auf diesem Fundament ruhen. Philosophie ist eine Konstruktion, die nur fortbestehen kann, weil noch keine Antwort gefunden wurde, mit der ihr Fundament durchbrochen werden kann.
Wir wollen im Folgenden versuchen, uns einen eigenständigen Ansatz zu erarbeiten, und dabei am Ende entweder zu einer Anhäufung falscher Antworten oder aber zur Lösung der Frage beigetragen zu haben. Bevor wir beginnen, müssen wir uns jedoch von dem Ballast trennen, der sich über die Zeit angesammelt hat und die ausgetretenen Pfade unserer Vordenker verlassen. Ausdrucksweisen wie der Sinn des Lebens oder das Streben nach Glück verweisen in ihrem Kern auf unsere Ausgangsfrage, aber wir können an ihnen erste Weichenstellungen, erste Ansätze sehen, die es vermögen, unsere Antwort zu verfälschen. Ihre Begriffe sind Losungen, die wir bereits mit einem bestimmten Inhalt in Verbindung bringen. Wenn wir unsere Ausgangsfrage unvoreingenommen beantworten wollen, müssen wir versuchen, über unsere eigene Existenz nachzudenken. Wir können versuchen, unserer eigenen Existenz etwas zu entlocken, indem wir uns selbst befragen.
Doch sich selbst zu befragen, ist in etwa so, als würde man ein Interview mit sich selbst führen – man stellt Fragen, deren Antwort man schon kennt. Wir können keine Frage über etwas stellen, das uns nicht bekannt ist. Wenn wir beispielsweise annehmen, uns wäre die Bedeutung des Universums vollkommen unbekannt, wie könnten wir dann zu einer Frage gelangen, die dieses Universum zu etwas macht, dessen Existenz wir implizit voraussetzen? Es gibt keine Frage, die etwas uns völlig Unbekanntes mit einem Mal aufdecken könnte. Wir können nur versuchen, die Dinge, die uns bekannt sind, zu hinterfragen. Wir können etwas uns Unbekanntes nur schrittweise aufdecken, indem wir die Dinge, die Teil unserer Erkenntnisse sind, auf ihre Wahrheiten hin befragen und ihnen auf diese Weise etwas entlocken, dass in Relation zu etwas uns Unbekanntem steht.
Wenn der Himmel nur ein unveränderlicher Blauton wäre, der uns keinen Hinweis auf eine Atmosphäre geben würde, hätten wir vielleicht niemals zu der Erkenntnis gelangen können, dass es über unseren Köpfen irgendetwas zu sehen gibt, das für uns von Interesse ist. Wir konnten nur deshalb zu einer Erkenntnis über das Universum gelangen, weil es Anzeichen gab, die wir auf ihre Wesensarten hin befragt haben. Aus der Summe dieser Erkenntnisse haben wir schließlich eine Vermutung werden lassen, die wir in Form einer Frage artikulieren konnten, damit sich ihre Beantwortung als etwas herausstellen konnte, das unsere Schlussfolgerungen entweder bewies oder widerlegte.
Wir können uns fragen, was den Menschen antreibt, doch die Antworten, die wir auf diese Frage geben können, sind aufgrund unserer Perspektive nicht in der Lage den Beweis Ihrer Widerlegung anzutreten. Wir können auf eine subjektive Theorie keinen objektiven Beweis erbringen. Wir befragen uns selbst und können dabei nur Fragen stellen, deren Antwort wir schon kennen. Darüber hinaus ist aber die Antwort, die wir erhalten, niemals einer objektiven Gegenüberstellung ausgesetzt, die uns unverblümt vor Augen halten könnte, dass wir uns irren. Dass wir die Möglichkeit haben, uns selbst zu befragen und dieses Ergebnis der Selbstbefragung von anderen bestätigen oder dementieren zu lassen, löst diese Problematik nicht auf, denn hierbei tauschen wir unsere eigene Subjektivität nur gegen eine andere ein. Das von uns angeführte Modell der Selbstbefragung gleicht vielmehr dem Bewusstwerdenlassen einer Erkenntnis. Wir können uns selbst Fragen stellen, deren Antwort wir schon kennen müssen, um sie artikulieren zu können. Wir können uns zum Beispiel an einen Raum und eine Zeit erinnern, in der man uns die Antwort auf unsere Fragen gab. Aber wir können uns nicht mehr an den Inhalt dieser Antwort erinnern, sondern nur noch an den Raum und an die Zeit, in der wir uns befanden, als diese Antwort gesprochen wurde. Auf diese Weise sind wir in der Lage, uns selbst die Frage nach einer Antwort zu stellen, bei der wir uns sicher sind, uns an sie erinnern zu müssen.
Die Erinnerung an das Erleben einer Situation ermächtigt uns dazu, eine Frage zu stellen, deren Antwort uns bekannt, aber nicht bewusst ist. Sich selbst zu befragen, ist nicht der Versuch, nach neuen Erkenntnissen zu streben, sondern eine Erkenntnis, von der wir glauben, sie zu kennen, bewusst werden zu lassen.
Unser Beispiel über die Erkenntnis des Universums hat dagegen nichts mit unserem Modell der Selbstbefragung zu tun, denn bei unserem Beispiel handelt es sich um einen Erkenntnisgewinn, der seine wesentlichen Impulse aus der Beobachtung unserer Umwelt erhält. Wir sind zwar in der Lage, beide Vorgänge, den des Erkennens und den des Bewusstwerdens sprachlich voneinander zu unterscheiden, tatsächlich ist uns aber eine Trennung praktisch kaum möglich. In jeder Erkenntnis steckt ein Bewusstsein. Alle Dinge in der Welt werden durch ein Bewusstsein angeblickt, doch verrät uns dieser Blick noch nichts über die Vorgänge, die sich hinter den uns anblickenden Augen abspielen.
Einer der Gründe, aus denen es auf eine so einfache Frage, so viele unterschiedliche