Fantasy Sammelband Riyala - Tochter der Edelsteinwelt Band 1 bis 5. Antje Ippensen

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Fantasy Sammelband Riyala - Tochter der Edelsteinwelt Band 1 bis 5 - Antje Ippensen


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nun einen klaren Gedanken zu fassen, während sie Arjenez hinter sich ließ.

       Ein grauer Morgen war heraufgedämmert, aber für sie leuchtete er silberfarben.

      3. Kapitel: Kristalle

       Riyala rannte gen Süden. Sie nahm nicht den Lehmpfad, sondern lief quer durch die ausgedörrten Wiesen und Felder, ohne ein einziges Mal innezuhalten. Die körperliche Anstrengung war Balsam für ihre aufgewühlte Seele.

       Ja, diese Nacht hatte tatsächlich ihr Leben verändert – und sie hatte buchstäblich nicht die geringste Ahnung, wie es jetzt weitergehen sollte. Bei den Gedanken an ihre Eltern verzagte sie vollkommen ... ohne jeden Zweifel würde sie eine strenge Strafe erhalten für ihr Abenteuer; einerlei, ob es ihr gelang, den brenzligsten Teil zu verschweigen oder nicht. Den klaren, wissenden Augen ihrer Mutter entging so leicht nichts, und im Grunde widerstrebte es ihr, sie anzulügen. Und ob sie gar vor Lanias ungleich kritischerem Blick irgendetwas würde geheimhalten können ... in der Vergangenheit war es ihr selten genug gelungen. Riyala dachte an all die Kinderstreiche und kleinen Ungezogenheiten ... diesmal jedoch war es ernst. Diesmal erwartete sie sicher ein wochenlanger Zimmerarrest, endlose Strafpredigten und wer wusste, was noch alles ...

       Ihr rebellischer Sinn loderte plötzlich hell wie ein unruhig flackerndes Feuer – sie bäumte sich innerlich auf. Sie WOLLTE Nigel wiedersehen – unbedingt und um jeden Preis, koste es, was es wolle.

      „ Der Wille öffnet jede Pforte“, zitierte sie verbissen ein co-lhanisches Sprichwort.

       Sie erreichte jenen niedrigen, langgestreckten Hügel, von dem aus sie auch sogleich im Morgenlicht die Baumgruppe ausmachen konnte. Dort wartete der geheime Tunnel auf sie, und wenn sie sich sehr beeilte, würde es ihr gelingen, rechtzeitig zurück zu sein, um Suchaktionen nach ihr zu verhindern.

       Sie war nur noch zehn oder fünfzehn Schritte von den Bäumen entfernt, als sie wie vom Schlag getroffen stehenblieb.

       Dort zwischen den Stämmen stand ihr Vater, wie aus dem Nichts aufgetaucht, und blickte ihr gelassen entgegen, als habe er sie erwartet.

       Riyala blinzelte ungläubig.

       Nein, es war ihre MUTTER, nicht ihr Vater ... Ein fließendes weiches Gewand umspielte ihre schlanke, hochgewachsene Figur, und sie streckte bittend eine Hand aus ...

       Das Mädchen war verwirrt, wie vor den Kopf geschlagen – was in aller Welt ging hier vor? Abermals verschwammen die Konturen der Gestalt im morgendlichen Dunst und wandelten sich: Die Person glich nun ihrer früheren Amme und jetzigen Dienerin Lania.

       Da ist doch Magie im Spiel ... dachte Riyala, schwankend zwischen Schrecken und Misstrauen.

       Es war zu spät für sie, sich zu verstecken oder davonzulaufen. Zögernd näherte sie sich der Gestalt, die sich erneut veränderte, und nun erkannte sie ganz deutlich, dass es sich um einen Fremden handelte.

       Es war ein alter Mann, klein, aber kräftig – seine hellgrünen Augen glitzerten, während er das Mädchen musterte. Gekleidet war er in ein kaftanähnliches Gewand, das seine Farbe wechselte und sich an die Umgebung anpasste. Die staunende Riyala hatte so etwas noch nie gesehen. Sein Haar – falls er noch welches hatte – war bedeckt von einem dreieckigen Käppchen, das die gleichen Eigenschaften wie sein Gewand zu besitzen schien.

       Der Alte sprach kein Wort, und sie fühlte sich in seinem unverwandt auf sie gerichteten Blick gefangen. Sie errötete. Gerade als sie den Mund öffnete, um „Wer seid Ihr?“ zu fragen, winkte er ihr mit einem knorrigen Finger und wandte sich dann um. Weiterhin schweigend ging er mit langsamen Schritten davon.

       Riyala folgte ihm. Sie konnte gar nichts anderes tun, und obwohl es ihr schwer fiel, schluckte sie ihre sämtlichen Fragen und Vorbehalte hinunter. Der seltsame Unbekannte, der magische Fähigkeiten zu besitzen schien, hatte sie in seinen Bann gezogen. Ja, es war fast so, als habe er sie durch ein magisches Band an sich gefesselt.

       Der alte Mann führte sie ein gutes Stück durch die einstmals grüne und fruchtbare, jetzt verdorrte Ebene von Varnaka. Seltsamerweise machte sich Riyala nun auch keine Gedanken mehr über die unaufhaltsam verrinnende Zeit und die Folgen, wenn ihre Eltern sich immer mehr Sorgen um sie machen würden.

       Am fahlweißen Himmel stieg eine bleiche Sonne empor – es war ein falsches, trügerisches Licht, das sie verbreitete. Trotzdem wurde es rasch warm und drückend, wie an beinahe jedem Tag der letzten Monate. Einer Schlafwandlerin gleich, trottete Riyala hinter dem alten Mann her, ohne dass sie sich ihm mehr als fünf Schritt zu nähern vermochte. Irgendetwas hielt sie davon ab. Er blickte sich kein einziges Mal nach ihr um und war offenbar ganz sicher, dass sie ihm folgte.

       Im Gehen zauberte der Alte einen Krückstock aus seinem Gewand, auf den er sich sodann stützte; Riyala sah, dass der Knauf des Stockes aus einem blaugrün leuchtenden, prachtvoll geschliffenen Stein bestand.

       Schließlich erreichten sie die ersten Ausläufer des Felsenlabyrinths, das Riyala erst ein- oder zweimal in ihrem Leben gesehen hatte. Diese verwirrende, gewaltige Anhäufung von bizarr geformten Steinen und Felsen bildete eine Art Grenzstreifen zwischen der Flussebene Varnaka und der unermesslichen Wüste.

       Geschickt und flink zwängte sich der fremdartige alte Mann durch die schmalen, scharf eingeschnittenen Canyons und Schluchten, bis er plötzlich stehenblieb. Genau vor einem Felsmonolithen, der wie eine einsame Insel aus dem Steinmeer herausragte.

       Riyala erkannte, dass dieser Felsen in der Mitte gespalten war – und der dunkle Spalt bildete ohne jeden Zweifel den Eingang zu einer Höhle.

       Langsam drehte sich der alte Mann um, und das Mädchen schaute wieder in seine Augen, die jetzt dunkel schimmerten und wie unauslotbar tiefe Seen wirkten. Auf einmal fand Riyala die Herrschaft über ihre Zunge wieder und stieß hervor: „Wer seid Ihr? Was hat das zu bedeuten? Was habt Ihr mit mir vor?“

       Er lächelte. „Man nennt mich den Edelstein-Magister“, sagte er in selbstverständlichem Ton, als sei damit alles erklärt. Er machte eine einladende Geste in Richtung des Höhleneinganges, und wieder konnte Riyala sich nicht gegen das Gefühl wehren, ihm folgen zu müssen. Ihre Eltern, Lania und auch Nigel schienen sehr weit weg zu sein.

       Edelstein-Magister? Wo habe ich diesen Namen – wenn es ein Name ist schon einmal gehört? Sie forschte in ihrem Gedächtnis, doch umsonst.

       Nach wenigen Schritten durch die Düsternis, die Riyala äußerst behutsam zurücklegte, um auf dem leicht abschüssigen Weg nicht zu stolpern, stand sie am Rand einer recht geräumigen Kuppelhöhle. Der alte Mann eilte geschäftig hin und her und entzündete mehrere Fackeln, so dass Riyala ihre Umgebung bald noch besser erkennen konnte. Das Dach der Kuppel hatte jedoch auch ein kleines, kreisrundes Loch, durch das ein wenig Tageslicht hereinsickerte. Riyala sah nun mehrere einfache Möbel aus Weidenholz, kreisförmig angeordnet, eine Herdstelle, verschiedene seltsame Werkzeuge, und sie bemerkte auch, dass ein Teil der Höhle durch schwere Vorhänge abgetrennt und somit ihren Blicken entzogen war.

       Das Erstaunlichste an diesem Ort jedoch waren die vielen schimmernden Steine. Sie standen in Weidenholzregalen oder waren auf natürlichen Felsvorsprüngen gruppiert – wiederum jeweils in Kreisen.

       Neugierig näherte sich Riyala einem dieser Regale und bewunderte das irisierende Farbenspiel der Kristalle. Es gab leuchtend blaue, flammendrote, durchscheinend grüne ... goldfarbige mit schwarzen Punkten, weiße mit gestreiften Prismenflächen.

      „ Berühre sie nicht“, sagte der Edelstein-Magister freundlich, aber bestimmt. Er hatte sich in einem geflochtenen Sessel niedergelassen.

      „ Sie sind allesamt wunderschön“, murmelte Riyala leise und trat von dem Regal zurück. Sie fühlte sich auf einmal gar nicht mehr befremdet oder wie unter einem magischen Bann – nein, sie spürte, dass sie hier am richtigen Ort war.

       Mehr noch: Sie wusste es.

       Vor dem forschenden Blick des alten Magisters jedoch schlug sie befangen die Augen nieder. Dann räusperte sie sich und sagte, wobei sie sich um


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