Kurze Morde, kurzer Prozess: Krimisammlung. Alfred Bekker

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Kurze Morde, kurzer Prozess: Krimisammlung - Alfred Bekker


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Verkäuferin kam dieser Aufforderung nur zögernd nach. Und wenn nun der Constable kein echter war, sondern mit zu den eventuellen Trickdieben gehörte? Was, wenn er alle 100-Pfund-Noten ‚beschlagnahmen‘ wollte?

      Kurz darauf fischte der Constable aus einem kleinen Geldbündel triumphierend eine Note heraus und hielt sie gegen das Licht. Mit unbewegter Miene verkündete er: „B 23 38 80 04 77!

      Damit wäre der Fall nun geklärt. Aber ich bin sicher, dass es sich um einen ungewohnten Irrtum handelt – etwas, was hin und wieder eben einmal vorkommen kann. Ich glaube, wir sollten die Sache damit auf sich beruhen lassen.“

      Judy nickte froh. „Ja, sicher. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt den Verdacht, dass man mich absichtlich betrügen wollte!“

      „Dann muss ich mich wohl doch geirrt haben“, meinte die Verkäuferin resigniert, „wenngleich ich…“ Als sie den festen Blick des Gesetzeshüters auf sich spürte, zuckte sie nur ergeben mit den Schultern und entschuldigte sich vielmals bei der jungen Kundin.

      Zwei Minuten später stand Judy in einer roten Telefonzelle, wählte die Nummer einer anderen Fernsprechbox, wartete, bis sich ihr Teilnehmer meldete, warf dann ein Fünf-Pence-Stück ein und schirmte die Muschel des Hörers mit der Hand gegen den heftigen Verkehrslärm draußen ab.

      „Hallo Jenny! Bist Du‘s? Klar hat es wunderbar geklappt. Diesmal waren die furchtbar misstrauisch , und ich musste sogar einen Bobby holen. Aber der war schön doof und checkte überhaupt nichts. Jetzt bist Du wieder an der Reihe! Wie wär‘s mit der Westminster-Apotheke? Die ist in der Toss Road. So in ‘ner Viertelstunde werde ich dort gewesen sein, dann kannst du aufkreuzen, ja?

      Wieder Hundert Pfund diesmal. Und beeil dich, dass der Lappen nicht vorher wieder weg ist. Heute ist überall großer Andrang.

      Pass auf, die Nummer des Scheines ist A 44 62 23 01 01. Hast Du‘s? Und ein Kaffeefleck ist auch auf dem Wasserzeichen. Bis dann also. Bye, bye!“

      ENDE

      Nur ein kleiner Mord

      Reiner Frank Hornig

      Eigentlich schon solange sie zurückdenken konnten, fuhren Al und Doug Nachtstreife durch Bailer City. Sie liebten es, ein wachsames Auge auf die friedlich schlafende Stadt zu werfen, obwohl sie, wenn sie ehrlich waren, sich nichts Langweiligeres hätten vorstellen können als eben ihre Nachtstreife.

      So verschwand eine einsame Nacht nach der anderen im schwarzen Abgrund unerfüllter Vergangenheit wie Schaufeln voll Erde in einem frischen Grab. Und zurück blieb nur das ständig wachsende Verlangen nach Abwechslung von der Routine. Ein aufregender Einbruch in die City Bank vielleicht, ein Brandstifter. Oder auch ein kleiner Mord...

      „Warum kannst du Maggie nicht mehr dazu bringen, dich zum Revierkegeln gehen zu lassen?“ Die alte Frage.

      „Völlig unmöglich!“ Die alte Antwort. Der rundliche Doug winkte ab. „Du weißt ja, der Haussegen hängt seit langem schief, und wenn ich nicht ständig nachgebe, schnappt meine Maggie vollends über.“

      Al nickte voll Mitgefühl, während er angesichts einer streunenden Katze vorsichtig die Hupe antippte. „Blödes Biest!“ zischte er leise und meinte das Tier im fahlen, tristen Mondlicht.

      „Ja, da hast du Recht! Manchmal glaube ich, wenn ich kein Polizist wäre, würde ich sie kurzerhand umbringen.“

      Sein jüngerer Streifenkollege blickte fragend auf. „Die Katze? Oder – deine Frau?“

      Brummig schob Doug seine Schildmütze tiefer in die Stirn.

      „Ja, einfach umbringen und dann vergraben“, fuhr er gedankenlos fort. „Im Garten, unterm Frührosenbeet, ganz so, wie der's da drüben macht!“ Mit dem Finger deutete er in die Dunkelheit, bis er mit einem Male begriff, was er soeben gesagt und gesehen hatte.

      „Halt an, Al! Gütiger Himmel – da drüben gräbt doch tatsächlich einer um drei Uhr morgens mit Hacke und Schaufel in seinem Garten!“

      Mit einem Satz waren sie sie aus dem Streifenwagen, zogen ihre Dienstpistolen aus den Halftern und näherten sich rasch dem Gartengrundstück hinter einem Bungalow.

      Mord in Bailer City! Das langersehnte Ereignis war endlich eingetroffen.

      „Sie kenn' ich doch, Freundchen! Sind Sie nicht Earl Warren?“ Doug leuchtete dem schwitzenden Mann mit einer Stablampe ins Gesicht. Warren war überall als der „einfältige Earl“ bekannt, ein zurückgebliebener junger Mann, welche bei Mutter und Schwester in Pflege wohnte.

      „Was graben Sie denn nachts in Ihrem Garten? Oder sollte ich lieber 'vergraben' sagen?“ Al hielt ihn von hinten im Griff, während Doug den Boden ableuchtete. Die frisch zugeschaufelte Stelle glich in der Form exakt einem Grab...

      Earl gab keine Antwort. Und so führten sie ihn auf das Haus zu. Plötzlich nahm Doug erneut weiches Erdreich unter seinen Füßen wahr.

      „Der Teufel soll mich holen, wenn hier nicht auch schon gegraben wurde!“

      Wieder strich der schmale Lichtkegel über den aufgewühlten Rasen. Die beiden Cops stießen einen Laut der Überraschung aus.

      „Halt mich fest, Al“, rief Doug völlig verblüfft aus. „Zwei – drei – vier – nein, fünf Gräber! Um Himmels Willen, jetzt ist der arme Earl vollends verrückt geworden.“

      „Ich war's nicht. Ich war's nicht!“ murmelte der Einfältige jetzt andauernd und rang sich die zerschundenen, blutigen Hände. Al ging zum Streifenwagen zurück und verständigte über Funk den Sheriff.

      „Man hätte ihn ihn schon lange in eine Anstalt bringen sollen!“ Sheriff Scanlon stand wie eine Statue mit hochgekrempelten Ärmeln auf der Terrasse und schaute seinen Leuten zu, die im Scheinwerferlicht die Gräber auf schaufelten.

      Drinnen bei Al und Doug war der einfältige Earl nicht viel gesprächiger.

      „Und du behauptest wirklich im Ernst, du hättest niemanden vergraben, obwohl das ganze Haus leer ist? Wo ist deine Mutter? Und wo deine Schwester?“

      Mit leerem Ausdruck starrte sie der kranke Mann an. „Ma und Sis sind zu einer Tante gefahren! Weiß nicht, wohin. Fragt Tyler Shoovogel!“ Er war den Tränen nahe.

      Al schüttelte sich fröstelnd. „Er wird diese Tante gleich auch noch um die Ecke gebracht haben. Bleibt dann nur noch offen, wer im vierten und fünften Grab liegt!“

      Sheriff Scanlon war von der Terrasse ins Wohnzimmer getreten. Sein Gesicht war bleich wie ein Totenhemd. „Was faselt er da immer von einem Tyler Shoovogel?“

      „Den sollen wir fragen“, gab Al lakonisch zur Antwort.

      „Dann fragt ihn auch! Erkundigt Euch bei der Zentrale, wo dieser Vogel wohnt, und fahrt hin!“

      An der Eingangstür des baufälligen Hauses hatte jemand in grauer Vorzeit ein bleiches Messingschild angebracht. TYLER SHOOVOGEL war mit einiger Mühe zu entziffern, und darunter 8 BIS 17 UHR.

      „Sieht mir nicht gerade nach einer Arztpraxis aus“ Doug knipste die Stablampe an und zog an der Glocke.

      Tyler Shoovogel, sein verschlafenes Ich in einen zottigen Bademantel gehüllt, hatte Ähnlichkeit mit einem alten Habicht.

      „Haben Sie mich dienstlich oder privat geweckt?“ wollte er krächzend wissen.

      „Dienstlich! Welche Tätigkeit üben Sie denn aus?“

      „Nun, ich bin der amtliche Totengräber“, sagte er, während er die Beamten hereinbat. „Was kann ich für Sie tun?“

      „Totengräber?“ kombinierte Al. „kennen Sie den jungen Earl Warren?“

      „Das kann man wohl sagen“ meinte Shoovogel lächelnd. „Hat er denn etwas ausgefressen?“

      In dienstlichem Übereifer erzählten beide, was in dieser Nacht in Bailer City vorgefallen


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