Der Kanujäger. Larry Lash

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Der Kanujäger - Larry Lash


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aus Stämmen eine Art Landungssteg errichtet worden war. Kein Boot schaukelte wie einst am Landungssteg. Leer lag der Platz. Das Holz war so morsch, dass Tom sofort erkannte, dass es einige Jahre hindurch nicht ausgebessert worden war.

      Der Heimkehrer machte sein Boot fest und kletterte vorsichtig heraus. Vom Steg aus warf er noch einen schnellen Blick auf das Boot, in dem sich unter Planen seine Ausrüstung befand. Er ließ sie vorerst zurück, bis er seine Geschwister begrüßt hatte. Er drängte ihn danach, zu seinen Angehörigen zu kommen. Es fiel ihm schwer, nach gewohnter Art, erst zu prüfen, ob das Seil, mit dem er das Boot festgemacht hatte, und der Holzpfahl, an dem er die Leine festgezurrt hatte, sicher genug waren. Als er alles geprüft und in Ordnung gefunden hatte, machte er sich auf den Weg.

      Sonderbar, wie schwer die Füße jetzt waren, wo sie doch leicht und beschwingt hätten sein müssen. Es schien, als hätten sich Bleigewichte daran gehängt. Es kam hinzu, dass seine Kehle trocken war und er immerzu schlucken musste. Fast starr waren seine Augen auf das Haus gerichtet.

      Warum schwieg er, warum rief er nicht die Namen seiner Angehörigen? Kamen ihm jetzt Bedenken, wurde er sich erst jetzt dessen bewusst, dass zehn Jahre eine lange Zeit in einem Menschenleben sind? In zehn Jahren konnte viel geschehen. Er überlegte sich, dass auch seine Geschwister um zehn Jahre älter geworden waren. In seiner Gedankenwelt hatte er sie sich immer vorgestellt, wie sie vor zehn Jahren gewesen waren. Jetzt, da seine Heimkehr Wirklichkeit geworden war, schreckte er unwillkürlich zurück.

      In Gedanken versunken war er jetzt so nahe an das Anwesen herangekommen, dass das Gekläff eines Hundes ihn aufschreckte.

      „Nur ruhig!“, sagte er zu dem starken, wolfsähnlichen Tier, das an seiner Leine zerrte. „Nur

      ruhig!“, wiederholte er jetzt, da er nur wenige Yards vor dem Tier haltmachte und zur Haustür spähte. „Wir beide werden uns bald besser kennenlernen, schwarzer Teufel!“

      Der starke Fang des Hundes schnappte zu. Wildblitzende Augen und ein gesträubtes Fell verrieten nur zu deutlich, dass dieser Hund Fremde nicht mochte und nur die Leine ihn daran hinderte, es deutlicher unter Beweis zu stellen.

      „In einer Stunde, schwarzer Teufel, wirst du mir das Futter aus der Hand nehmen und vor mir kuschen. Ich kenne das Geheimnis, wie man Burschen wie dich bändigt und gefügig macht.“ Ein leises Lachen kam über Tom Darnells Lippen. Er beachtete den Hund nicht weiter. Deutlich hatte er gehört, wie der Riegel der Haustür bewegt wurde. Im nächsten Augenblick wurde die massive Tür einen Spalt weit geöffnet. Der Lauf einer Flinte wurde sichtbar, und eine grell klingende Stimme wurde hörbar.

      „Wer wagt es, in der Nacht zu stören?“

      Das war ganz und gar gegen die Gastfreundlichkeit, die in diesem Lande üblich war. Das war ganz und gar nicht Darnell‘sche Art, das war auch keine Darnell‘sche Stimme. Es war eine fremde, von Misstrauen erfüllte Stimme, die diese Frage stellte.

      In Toms Augen brannte es wie Feuer. Eine Welt brach in ihm zusammen.

      „Ich bin Tom Darnell“, sagte er, sich gewaltsam zur Ruhe zwingend. „Vielleicht sagt Ihnen der Name etwas?“

      Es erfolgte keine Antwort. Dem hinter der Tür lauernden Mann schien es die Sprache verschlagen zu haben. Das Schweigen, das sich herabsenkte, wurde nur durch das rasende Hin- und Herlaufen des Hundes unterbrochen.

      „Haben Sie mich nicht verstanden?“, fragte Tom, als er noch immer keine Antwort erhielt.

      „Sehr gut habe ich Sie verstanden, Tom Darnell!“, wurde ihm mit heiserer und vor Erregung schwingender Stimme erwidert. „Sie haben zufällig den Namen eines Mannes, der schon längst tot ist. Tom Darnell ging vor zehn Jahren in die Fremde und ist schon seit acht Jahren tot. Wenn Sie jetzt noch den Mut haben, sich so zu nennen, dann müssen Sie entweder wirklich das Pech haben, so zu heißen oder sich einen Namen gewählt haben, der Ihnen nur Unglück bringt.“

      „Hören Sie, Freund, ich bin wirklich Tom Darnell, und hier ist meine Heimat, hier bin ich zu Hause!“

      Wieder senkte sich schwer und drückend das Schweigen nieder. Dann kam endlich die beißende Antwort: „Ich glaube nicht an Gespenster. Wenn Sie nicht schauen und kehrtmachen, schieße ich. Es wird sich dann zeigen, ob Sie aus Fleisch und Blut sind. Schließlich könnte jeder daherkommen und behaupten, Tom Darnell zu sein. Verschwinden Sie!“

      „Bevor ich verschwinde, noch eine Frage: Wo ist meine Schwester Gerlinde und mein Bruder Ralph?“

      „Sie sind hartnäckig“, erwiderte der unsichtbare Sprecher. „Glauben Sie, dass ich nun, da Sie den Namen der beiden haben laut werden lassen, annehme, dass Tom Darnell von den Toten auferstanden ist? Ich war ein Kind, als Tom Darnell in die Fremde ging. Ich würde ihn jederzeit wiedererkennen.“

      „Wenn es so ist, dann versuchen Sie es!“ Wieder musste der andere lange überlegen, dann wurde die Tür weiter geöffnet. Der Hund wurde zurückgerufen, und der Unsichtbare sagte einiges, was Tom nicht verstehen konnte. Er konnte nur annehmen, dass es eine Anweisung war, die an die anderen Familienmitglieder gerichtet war. Dann folgte eine scharfe Aufforderung.

      „Kommen Sie, kommen Sie ganz langsam mit erhobenen Händen!“

      Noch während diese Worte gesprochen wurden, wusste Tom Darnell, dass der Sprecher sich weiter in das Innere des Hauses zurückzog. Die Tür öffnete sich wie von selbst. Eine breite Lichtbahn erhellte jetzt die Nacht.

      „Hier hat sich wirklich vieles geändert“, sagte Tom. Der andere blieb die Antwort nicht schuldig.

      „Vielleicht können Sie das beurteilen, vielleicht auch nicht. Das werden wir erst wissen, wenn wir Ihnen unter die Hutkrempe schauen können. Die Zeiten haben sich geändert. Wenn Sie aber nicht Tom Darnell, sondern einer dieser verteufelten englischen Landvermessern sind, dann machen Sie lieber gleich Ihr Testament.“

      Das also war es. Tom ging endlich ein Licht auf. Er hatte bereits davon gehört, dass nach der Besitzergreifung Englands den kleinen Leuten nichts erspart blieb, dass sie das Land, das sie sich erkämpft hatten, nach der Vermessung auch noch bezahlen sollten. Die Zivilisation rückte unaufhaltsam nach Westen vor. Die Pioniere, die den Indianern das Land entrissen und es gegen sie verteidigt hatten, konnten nicht begreifen, dass sie jetzt auch noch dafür bezahlen sollten.

      England fragte wenig danach, wie die Hinterwäldler dachten, noch weniger fragten sie danach, dass die eigentlichen Herren des Landes die Indianer waren. Englands Beamte waren sehr hartnäckig. Sie trieben die Steuern ein, sobald das Land dicht genug besiedelt war. Das Mutterland England brauchte immerzu Geld, es war unersättlich.

      Nun, Tom Darnell wusste darüber Bescheid. Dass er aber selbst zu spüren bekommen sollte, welchen Hass dieses Vorgehen der Engländer in der Bevölkerung erzeugen würde, hatte er nicht vermuten können. Ohne zu zögern ging er an dem Hund vorbei, trat ein und blieb neben der Tür stehen.

      Wenn er bis jetzt noch gehofft hatte, dass er seinen Geschwistern begegnen würde, so sah er sich arg enttäuscht. Fremde sahen ihn an. Nicht einen von ihnen kannte er. Es hatte sich alles verändert. Von den Möbeln, die einst sein Vater geschreinert hatte, war nichts mehr vorhanden. Der alte Kamin war abgerissen und durch einen neuen ersetzt worden. Man hatte viele Balken ausgewechselt. Das neue Holz stach stark von dem alten verräucherten ab. Doch diese Dinge nahmen Toms geschulte Augen nur nebenbei wahr. Mehr interessierten ihn die Menschen im Raum. Sein Blick fiel auf eine hagere, leidend aussehende Frau, die ihn scharf betrachtete. Zwei Kinder – Jungen waren es – klammerten sich wie Schutz suchend an ihre Mutter. Sicherlich machte das von vielen Mückenstichen blutig gewordene Gesicht des Fremden keinen vertrauenerweckenden Eindruck auf sie. Das mochten aber nicht nur die Kinder empfinden, sondern gleichermaßen auch die Eltern.

      „Nehmen Sie die Hände herunter, Sie sind wirklich Tom Darnell“, sagte der hagere Mann, der immer noch die Flinte auf ihn gerichtet hielt. „Zehn Jahre sind zwar eine lange Zeit, doch habe ich Sie nicht vergessen. Wir Jungen schwärmten damals alle für Sie, Tom Darnell. Sie waren unser Held. – Es ist alles in Ordnung, Mary. Dieser Besucher ist tatsächlich Tom Darnell. Entschuldigen Sie die wenig freundliche Aufnahme. Zehn Jahre haben auch Sie sehr


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