Sammelband 7 Krimis: Tuch und Tod und sechs andere Thriller auf 1000 Seiten. Alfred Bekker
Читать онлайн книгу.hatte sich inzwischen ebenfalls erhoben. Er ging zum Schreibtisch, der trotz der Tatsache, dass inzwischen Vanessa Karrenbrock hier regelmäßig aufräumte, ziemlich chaotisch aussah. Wirklich wegräumen durfte Vanessa hier natürlich auch nichts. Alles, was Berringer ihr zugestand, war, dass sie herumliegende Papiere in farbige Boxen einsortierte. Eine Ordnung, die den Namen verdiente, entstand dadurch zwar nicht, worauf Vanessa ihren Arbeitgeber auch schon des Öfteren hingewiesen hatte. Aber immerhin war das Chaos nicht mehr so augenfällig. Und das, so fand Berringer, war schon mal ein guter Anfang.
Berringer griff zielsicher zu den Post-its, wühlte einen Stift aus einer Schublade und gab beides an Peter Gerath weiter.
Dieser nahm jedoch beides nicht an, griff in seine Jackettinnentasche und zog seine Brieftasche hervor, aus der er eine Visitenkarte nahm. Anschließend holte er seinen eigenen Kugelschreiber hervor und kritzelte etwas auf die Visitenkarte.
„Ich schreibe Ihnen die Adresse des Reiterhofs hier auf. Meine Handynummer steht auch auf der Karte!“, kündigte der Chef von Avlar Tex an. „Man weiß ja nie, vielleicht ergibt sich plötzlich noch irgendeine Frage, die für Ihre Ermittlungen von eminenter Bedeutung ist ...“
„Gut möglich“, bestätigte Berringer.
„Der Hof heißt Rahmeier-Hof. Die Besitzerin trägt den Namen Rahmeier. Petra Rahmeier. Ich nehme an, dass Sie früher oder später Kontakt mit ihr aufnehmen werden.“
„Anzunehmen. Wir werden von Ihnen eine Vorauszahlung für sieben Tagessätze verlangen. Die Rechnung geht noch heute im Laufe des Tages raus.“
„In Ordnung.“
Peter Gerath verabschiedete sich ziemlich knapp, aber wieder mit einem sehr dominanten Händedruck, der nach Berringers Empfinden diesmal sogar noch etwas schmerzhafter war als beim ersten Mal.
„Darf ich fragen, wie Sie ausgerechnet auf meine Detektei gekommen sind?“, fragte Berringer.
„Sie dürfen. Erstens kommen Sie nicht aus Krefeld. Ich will keinen, der mit dem lokalen Klüngel verwoben ist, dann macht doch alles gleich die Runde! Und zweitens haben Sie doch herausgekriegt, wer hinter den Einbrüchen bei Schauerte Logistic in Uerdingen steckte. Ich habe davon in der Zeitung gelesen.“
„Ja, das stimmt.“
Er machte eine ausholende Geste und meinte: „Allerdings hätte ich gedacht, dass Ihr Laden besser läuft – bei dem Erfolg, den Sie haben, müssten Sie eigentlich nicht in so einer erbärmlichen Absteige hausen. Wenn ich alleine den Anteil an der Versicherungssumme überschlage, den Sie bei dem Schauerte-Fall wahrscheinlich eingestrichen haben...“
„So etwas wird immer überschätzt.“
Er nickte. „Wahrscheinlich. Na ja, ist auch egal.“ Er klopfte Berringer gönnerhaft auf die Schulter. „Ich gebe gerne jemandem eine Chance, der was drauf hat.“
„Danke. Haben Sie Ihren Wagen in der Nähe parken können?“ Gerath verneinte. „Aber das macht nichts. Mein Bodyguard wartet vor der Tür auf mich. Da kann nichts geschehen“, sagte er, bevor er mit gravitätischem Schritt das Büro verließ.
„Wie war der denn drauf?“, fragte Mark Lange kopfschüttelnd, nachdem Peter Gerath die Detektei verlassen hatte. Der Fünfunddreißigjährige war kräftig gebaut. Das Haar trug er sehr kurz. Die Geheimratsecken hielten sich zwar noch in Grenzen, waren aber bereits unübersehbar. Mark sagte meistens gerade heraus, was er dachte. Und das mochte nicht immer besonders geschliffen oder diplomatisch verbrämt klingen, aber dafür war es ehrlich, was Robert Berringer durchaus zu schätzen wusste. Er mochte es lieber, wenn ihm jemand auf den Kopf zu sagte, dass ihm etwas nicht passte, als wenn lange herumgedruckst oder alles mit einem süßen Zuckerguss übertüncht wurde.
Mark Lange war froh, nach dem Delos-Desaster in der Detektei Berringer zumindest stundenweise einen Job gefunden zu haben, was in dieser Branche zurzeit gar nicht so einfach war. Mehr als tausend Mitarbeiter waren dem Konkurs der Geldtransportfirma zum Opfer gefallen. So viele Kaufhausdetektive, Parkplatzwächter und Seniorenhilfen zur Straßenüberquerung brauchten Mönchengladbach, Düsseldorf und Krefeld nicht einmal zusammen.
Die wenigen Stellen, die es in diesem Beruf gab, waren natürlich schnell weg gewesen. Der Rest der Mitarbeiterschaft von Delos musste nun hoffen, dass der Sozialplan noch irgendwelche Wohltaten bereit hielt oder sich vielleicht doch noch ein gnädiger Investor fand, der das Unternehmen mit Haut und Haaren aufkaufte –
ohne Rücksicht darauf, ob er sich an diesem Bissen vielleicht verschluckte.
„Ein komischer Kerl ist das schon“, stimmte Vanessa zu. „Aber auch ein armer Hund.
Ich weiß nicht, ob ich noch in der Lage wäre, überhaupt nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen, wenn in so rascher Folge zwei Mordanschläge auf mich verübt worden wären!“
„Wir beginnen damit, alle Informationen zusammenzutragen, die wir bisher haben“, bestimmte Berringer.
„An deiner Stelle hätte ich diesen Auftrag nicht angenommen“, meinte Mark Lange.
„So?“, fragte Berringer etwas irritiert zurück. Vor einer Woche hatte Berringer ihm aktiv das Du angeboten, damit zumindest in dieser Hinsicht Gleichheit zwischen seinen Angestellten herrschte.
„Diese Gerüchte über eine Textilmafia, die in Krefeld und Umgebung ihr Unwesen treibt, sind doch schon seit längerem im Umlauf. Ich habe in der Zeit, als ich noch für Delos fuhr, davon gehört. Einige der Kunden, für die wir Bareinnahmen zur Bank gebracht haben, waren davon betroffen. Ich weiß das auch nur über drei Ecken ...
Offiziell hätte das niemand zugegeben.“
„Weißt du noch, welche Firmen das waren?“, fragte Vanessa.
„Klar. Die Breiler Textil und die Satoria GmbH. Beide in Krefeld ansässig. Die Kollegen haben sich bei diesen Fahrten immer zu drücken versucht, weil sie wohl befürchteten, dass diese Schutzgelderpresser direkten Zugriff auf das Geld nehmen könnten ... Ich wusste das zu Anfang natürlich nicht und erfuhr die Hintergründe erst nach und nach.“
„Dann schlage ich vor, dass du deine alten Kontakte reaktivierst, damit wir Näheres wissen.“
„In Ordnung“, bestätigte Mark Lange.
„Ich könnte auch etwas übernehmen“, meinte Vanessa. „Ich weiß, dass du mich für’s Büro bezahlst, Robert, aber im Moment ist da nichts Dringendes zu tun.“ Berringer wandte sich an Vanessa.
„Sind die Daten für die Umsatzsteuervoranmeldung schon beim Steuerberater?“
„Ja. Sonst wäre es jetzt auch schon zu spät.“
„Dann fahr du bitte zu diesem Rahmeier-Hof, wo der Gerath seine Pferde untergebracht hat. Wer immer ihn auch ins Visier genommen haben mag, er muss vorher genau über die Gewohnheit seines Opfers Bescheid gewusst und sich vielleicht auch bei der Hofbesitzerin oder ihrem Personal erkundigt haben.“
„Ich werde mich dort umhören“, versprach Vanessa.
„Und ich werde mich mit Björn Dietrich von der Kripo Krefeld in Verbindung setzen“, kündigte Robert Berringer an.
2. Kapitel: Herzblut – Pferdeblut