Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis. Meinhard-Wilhelm Schulz
Читать онлайн книгу.wieder zu Atem kam, sagte sie kichernd:
»Caro Dottore, ich wäre ja schon deine dritte Frau, ganz abgesehen von der stürmischen Romanze, die du mit der versoffenen Fabiola hattest, hihihi. Du solltest ein Buch drüber schreiben. Mir machst du nichts vor, alter Schwerenöter.«
»Na, du scheinst ja alles von mir zu wissen. Wirklich schade, dass du mir einen Korb gibst«, sagte ich verlogen, denn der Gedanke, solch ein mörderisches Biest im Ehebett liegen zu sehen, ließ mir in Gedanken die Haare zu Berge stehen.
»Lass uns lieber Freunde werden und für immer bleiben. Casa mia è aperta (meine Hütte steht dir offen)«, sagte sie glucksend und richtete das Gewand wieder her:
»Du wirst dann mein niedlicher kleiner Freund sein, während ich deine große Freundin bin.«
Ich ärgerte mich tierisch darüber, dass sie meine geringe Körpergröße erwähnt hatte, schwieg jetzt, schluckte den Zorn hinunter und stieg wieder ins Spiel der Lippen und Zungen ein. Was wollte ich mehr. Nach der Durststrecke, die ich seit dem Verlust meiner Fabiola hinter mir hatte, eröffneten sich für mich neue Möglichkeiten, und sei es ein Verhältnis mit dieser Adonis-Frau.
Ja, das alles und nicht mehr geschah übrigens, bevor sie sich aus meinen Armen befreite und in ihre Wohnung begab, mich draußen stehen lassend. Der schon oben erwähnte Portier des Hauses schlug mir die Tür dermaßen krachend vor der Nase zu, dass es von den Mauern des schlafenden Venedigs widerhallte.
Zuvor hatten wir noch vereinbart, uns von nun an regelmäßig zu treffen, ganz gleich, wo, und es geschah denn auch so, etwa einen Monat lang. Dabei konnte ich mir noch so viel Mühe geben, über das schon in der obigen Nacht eingeübte Küssen kam ich nie hinaus. So ging das eine Zeitlang, bis ich die Schnauze voll davon hatte, und wir endlich wieder voneinander ließen.
Volpe, der mich ja kennen sollte, hatte Dergleichen vorhergesehen und aus diesem Grunde lieber die Frau Mama nach Hause geleitet, um sie nie wieder sehen zu wollen. Als er mich nach geraumer Zeit mit hängendem Kopf bei sich einschleichen sah, tröstete er mich hingebungsvoll und meinte, mit dieser Schlange, die nur in der unteren Hälfte eine Frau, im Kopf aber härter als ein Diamant sei, wäre es mir auf Dauer übel ergangen.
Ich lud ihn zur Abwechslung ein, mein Ross Diavolo kennen zu lernen, denn er hatte sich gerühmt, als Junge ein guter Reiter gewesen zu sein. Mit dem Vaporetto fuhren wir ein paar Tage darauf nach Punta Sabbioni hinüber und nahmen dann den Bus Richtung Jesolo, stiegen aber bereits im Dörfchen Cavallino aus, wo mein Gaul steht. Volpe meinte trocken, der Name des Ortes sei ja selbstredend (cavallino = Pferdchen) und schwang sich, nachdem die Vorbereitungen getroffen waren, kühn in den Sattel. Diavolo machte seinem Namen alle Ehre, stob auf und davon und brauste eine volle Stunde wie der Wind daher.
Halbtot lag Volpe anschließend bei mir auf dem Diwan und hatte fürchterlichen Durst. Die halbe Nacht zechten wir und schwelgten in der Vergangenheit. Als er sich aber am nächsten Morgen vom Lager erhob, konnte er vor Muskelkater kaum laufen. Doch zurück zum Morgen nach dem obigen Drama!
14. Teil: Nachwort des Dottore Petrescu
Nur weil Volpe wieder einmal recht gehabt hatte, durfte ich nicht in den Tag hinein schlafen, denn der verfluchte Tenente erschien zu beinahe noch nachtschlafender Stunde, kaum dass die Sonne ihr erstes Licht in die engen Gassen Venedigs strömen ließ.
Ungefragt und uneingeladen lümmelte er sich in den Kissen des Korbsessels, den ihm mein Freund angeboten hatte. Wir hockten also wieder einmal zu dritt am Frühstückstisch. Was es diesmal gab, habe ich glatt vergessen, so müde war ich noch. Es werden wohl wieder einmal leckere Schnittchen samt frischem Obst nebst Obstsaft gewesen sein. Ambrosio sagte boshaft kichernd und erwartungsfroh:
»Es hat wieder einen Mord gegeben.«
Volpe wurde weiß um die Nase, denn er hatte dem Tenente ja erst gestern gesagt, es werde keinen einzigen mehr geben. Ambrosio lächelte schief und sagte:
»Am Fuße der Rialtobrücke war es, als sich ein Räuber über einen Bankboten her machte und ihn erstach. Indem er dann mit dem ganzen Geld türmen wollte, ist er mir und meinen Leuten in die Arme gelaufen. Wir haben ihm die Fresse poliert und ihn dann ins Kittchen geschmissen, hehehe! Da staunst du!«
Volpe atmete auf. Er hatte Schlimmeres erwartet.
»Ein langweiliger Fall, nichts von Bedeutung«, sagte er, »ein harmloser Fall, bei dem von vorn herein alles klar ist. Gibt es denn nichts Besonderes in Venedig? Etwas, das sich nur durch Kombinieren lösen lässt?«
Er gähnte herzhaft. Ambrosio sagte dann, vorsichtig auf den Busch klopfend:
»Mir lässt der fünfte und letzte Frauenmord immer noch keine Ruhe. Ich komme da nicht weiter, so oft ich auch nachdenke und habe das dumpfe Gefühl, dass du wieder einmal mehr weißt, als du zugibst. Es wäre wirklich nett, wenn du mir bei der Jagd nach dem Verbrecher helfen könntest. Schließlich hast du deine eigenen Methoden, mit denen du uns von der Stadtwache gelegentlich schon einmal einen kleinen Dienst erweisen konntest; also, wie wäre es?«
Volpe sah den Tenente schelmisch an, rieb sich die Hände, schüttelte die feurige Mähne und sinnierte:
»Zunächst einmal sind es nur Theorien, welche ich habe, und ihr wollt ja immer nur Fakten sehen. Ich bin aber über diese meine Theorien noch nicht hinaus gekommen und müsste aktiv werden, um ihnen nachzugehen. Genau das aber beabsichtige ich diesmal nicht, denn meine Sympathien gelten eher dem Täter als dem Opfer. Es wurde Zeit, dass der Formica jemand das Handwerk legte. Wie lange noch wollten wir zusehen, wie sie straflos ihre Freier beraubte? Nun, sie hat, was sie verdient: Und, ist es seitdem zu weiteren Frauenmorden in Venedig gekommen oder haben wir jetzt Ruhe?«
»Nein, kein solcher Mord mehr«, sagte Ambrosio, »das Leben ist inzwischen in die normalen Bahnen zurück gekehrt.«
»…und dann nur dieser primitive Raubüberfall?! Gibt es im schönen Venedig denn überhaupt keine Verbrecher mehr von Format? Hat es hier nur noch Stümper? Wenn das so weiter geht, verschwinde ich von hier und gehe zurück nach Rom. Tenente Giulio Annibale, mein alter Kumpel, schreibt mir, im benachbarten Tivoli gehe ein Serienmörder um, ein abgemurkstes Weib nach dem anderen, und der verfluchte Kerl lasse sich einfach nicht fassen …«
»Nun, wie ich meine Römer kenne«, entgegnete der Tenente schmunzelnd, »werden sie deine kleinen grauen Zellen mächtig auf Touren bringen und nicht mehr lange auf dich warten. Doch jetzt genug der Reden. Ich will das Frühstück genießen. Giovanni hat höchste Anerkennung verdient. Ich beneide dich um ihn, aber ein Butler bei unseren mageren Beamtengehältern …«
»Natürlich verdient er Lob«, sagte Volpe, »und weil er ebenso tüchtig wie brav ist, habe ich ihm das Gehalt erhöht. Die Staatsknete, die mir zusteht, weil ich vier Morde aufgeklärt habe, macht es möglich. Jetzt dient er uns mit gesteigerter Freude.«
15. Teil: Ein Jahr später
Volpe machte mit seiner obigen Androhung ernst, und wir siedelten für einige Zeit nach Rom über, wo ich Tenente Annibale persönlich kennen lernen konnte. Hier Näheres über ihn zu schreiben, hieße Eulen nach Athen tragen. Dafür ist er in der Ewigen Stadt viel zu bekannt.
Nachdem wir unserem Freund im Fall des Frauenmörders von Tivoli Beistand geleistet und ihn gemeinsam aufgeklärt hatten, blieben wir noch einige Zeit in der, wie Volpe sagte »nach Venedig schönsten Stadt der Welt«. Dann reisten wir in die Lagune zurück. Ein Jahr war seitdem vergangen, und der kochend heiße Augustus hatte Venedig fest im Griff.
Mein Freund brauchte seine Zeit, sich wieder an sein gewohntes Dasein zu gewöhnen und lümmelte tagelang untätig in seinem kleinen Palazzo herum. Er war wieder einmal einer grenzenlosen Lethargie verfallen und tat stundenlang nichts anderes als