Spuren intelligenten Lebens. Len Mette
Читать онлайн книгу.sind, liegen bei aller Political Correctness, Gleichberechtigung und Moderne, noch immer viele Themenschwerpunkte in unser aller Gene verankert, oder? Nein, ich will damit nicht sagen, dass Frauen an den Herd gehören oder sowas. Von solcher Machodenke bin ich kein Fan. Dennoch glaube ich, dass es klassisch weibliche und eben klassisch männliche Denkweisen und Themen gibt. Wäre ja auch schlimm, wenn nicht.
Wir Männer sind also nicht einfach nur diese männlichen Wesen, die Fleisch essen und Bier trinken wollen. Nein, wir wollen GUTES Fleisch und LECKERES Bier. Das ist für uns Luxus, so wie es für euch Luxus ist, den guten Eyeliner und die Handmaske mit Vitamin E zu kaufen. Ganz so, wie es auch Klopapier mit Vitamin E und eingeprägten Blumen und Kamillen-Duft gibt!
Seit Jahrzehnten stelle ich mir übrigens die Frage, ob ein weiblicher Arsch überhaupt in der Lage ist, gleichzeitig Vitamin E zu absorbieren und sich an geprägten Blumen zu erfreuen. Riecht er tatsächlich nach dem Gebrauch des Tuches nach Kamille? Ich stelle mir diese Frage und auch, ob Frauen Topfpflanzen kaufen und sie dann umbringen, nur um ihren Männern plakativ darzulegen, wozu sie in Wahrheit fähig sind. Diese und viele andere Themen werden wohl ewig ein Mysterium bleiben. Mein Arsch jedenfalls kann das nicht, mit dem Absorbieren irgendwelcher Vitamine. Glaube ich. Also, nicht, dass ich das wüsste. Bisher ist es mir jedenfalls nicht gelungen, meine Nase an meinen Allerwertesten zu führen. Kamillenduft macht Sinn. Aus Gründen. Ich weiß allerdings nicht, wie sich ein Vitamin E-Mangel an einem Arsch bemerkbar macht.
Wir stellen uns folgende familieninterne Konversation vor:
»Schatz! Mein Arsch ist so rau heut´ morgen. Auch nicht so rosig wie sonst isser. Da stimmt doch was nicht.«
»Da hast du recht, Hase. Zeig mal her! ... Das sieht mir stark nach einem Mangel an Vitamin E aus. Hier, nimm dieses Papier! Das wird dir helfen! Es ist mit Kamille und Vitamin E!«
»Danke Schatz! Übrigens, eine schöne neue Topfpflanze hast du da erstanden!«
Ich frage mich darüber hinaus, warum es bei Klopapier der Werbung oder eben neuer Funktionen, wie Vitaminen bedarf. Wer zum Geier würde das Zeug denn nicht trotzdem kaufen, wenn es keine solchen Maßnahmen geben würde? Was wäre die Menschheit ohne die Erfindung des Klopapiers mit Vitamin E und Kamillenduft und warum haben Hersteller ein Werbebudget dafür? Was zum Henker denkt sich die Industrie bei solchen Produkten? Ich weiß es nicht. Es mag daran liegen, dass ich zu männlich bin, um es zu verstehen.
Zurück zum Thema:
Handmaske? Ja! Handmaske. Ich wollte es selbst nicht glauben, aber es gibt nicht nur Gesichts-, sondern auch Handmasken! Das ist nicht etwa ein Karnevalskostüm ... Also man verkleidet sich nicht etwa und behauptet: »Ich gehe als Hand und das hier ... das ist ... Ich trage eine Handmaske.«. Nein, es ist noch viel komplexer: Das muss man sich wie einen Handschuh vorstellen, der irgendwelches Zeug beinhaltet. Als Handmaskenanwenderin sitzt du also mit Pranken auf der Couch, die aussehen, als seist du eine Mischung aus Astronaut und Tatortreiniger. Mit diesem Outfit könntest du Atommeiler rückbauen, so viel ist klar.
Nun ist es also so, dass du eine halbe Stunde dasitzt, wie Juri Gagarin in der Kapsel, um Vitamin E, Chiabutter sowie Macadamianussöl, für eine reichhaltige und tiefgehende Pflege in deine vom Alltag gebeutelten Flossen einwirken zu lassen. Nur, damit sie nicht mehr so trocken sind. Im Grunde ist es genau das, was den Trümmerfrauen zum Wiederaufbau gefehlt hat. In Gruppen hätten sie sich am Abend zusammengefunden, sich rund um ein altes, zu einer wärmenden Feuerstätte umgewandelten Ölfass versammelt, um gemeinsam eine Handmaske zu genießen. So entstehen Legenden.
Sei´s drum.
Nach 30 Minuten ziehst du die Dinger also wieder aus, wirfst jene nicht-biologisch-abbaubaren Einweghandschuhe in den Müll oder in die brennende Tonne und erfreust dich der weichsten Hände der Welt. Das Ganze hätte man ebenfalls mit einer Ladung Olivenöl erreichen können. Mit dieser Methode geht aber vermutlich der romantische Wellnessaspekt verloren. Als Frau bist du nun glücklich. Du hast dich um dich selbst gekümmert, etwas für dich getan. Du bist erneut bereit für die Welt. Und so macht auch eine Handmaske wieder irgendwie Sinn.
Bei Männern ist das ein bisschen anders. Wären wir pünktlich zum Wiederaufbau zu Hause gewesen, hätten wir abends gemeinsam ein Bier getrunken und unsere Hände in Motoröl getunkt, um kurz darauf damit zu prahlen, wer die fetteste Hornhaut an den Flossen hat.
So sind wir halt verschieden. Ich selbst bin in Teilen meines Lebens nicht weniger archaisch. Einmal im Jahr besuche ich heiligen Grund, pilgere zu einem der heiligsten Orte, die der Herr uns geschenkt hat, um mich selbst zu finden und Kontakt zu meinen Ahnen, zu den männlichen Wurzeln meines Stammes aufzubauen. Ich norde mich ein, kalibriere mich neu, nehme Kontakt zu den Vorvätern auf, um auch künftig ein guter und produktiver Mensch sein zu können. Ich fahre gen Norden, dorthin wo die Götter wohnen, wie man sagt. Und sobald ich dort angekommen bin, rufe ich ihn aus, den Gruß der Götter: »Wackööööööönnnn!!!«. Ja, Wacken. Das Mekka des Metals. Hier bist du Mann. Hier darfst du sein.
Eigentlich fahre ich dort nicht einmal primär wegen der Musik hin. Nein, ich reise gen Norden, um Gleichgesinnte zu treffen, mich auf einem der größten und gleichzeitig friedlichsten Festivals der Welt zu tummeln, Bier zu trinken, einfach in der Masse der Menschen unterzugehen und mit ihnen gemeinsam den Elementen ausgeliefert zu sein.
Es ist wahrlich nicht nur das Mekka des Metals, es ist auch das Mekka der Entspannung, wenn im Laufe einiger Tage der Ausruf »Wacköööööön!«, zum verzweifelten Schrei »Kacköööööön!« mutiert, das Dixie-Klo überläuft und aus eben jener Not ein Wir-Gefühl entsteht, das seines Gleichen sucht!
Kacken in Wacken, ein Abenteuer für sich. Dort, wo Vitamin E im Klopapier zur Erleuchtung wird. Genießt du am ersten Tag noch die Landluft, mischt sich selbige an Tag zwei und drei mit einem leichten Bouquet aus Urin. Alles danach ist nur noch mit dem alten Rom zu assoziieren. Es ist so romantisch, gar wunderbar! Wenn man Mann ist und du nicht weißt, ob es noch feinster Schleswig-Holsteinischer Schlamm ist, in dem du bis zum Knöchel einsinkst, oder sich der innere Kreis des mobilen Pissoirs nebenan, durch eine Undichtigkeit im von Urin zerfressenen Kunststoff, um einige Meter erweitert hat.
Das ist nicht einfache Naturverbundenheit, das ist Leben am Limit. Nicht nur Neandertaler. Das ist die wahre Liebe zu den Wurzeln des eigenen Seins. Das ist etwas sehr Emotionales, fast wie Religion. Bei den Göttern des Nordens.
Fahre ich nach Wacken, mögen andere eine Modelleisenbahn bauen und ihren Spieltrieb ausleben oder in einen Männerchor eintreten, um Verbindung zu ihren Emotionen zu finden. Sie entspannen sich. Und das ist wichtig für sie, vor allem in einer Welt, in der viele so unentspannt sind. Es ist wichtig, damit sie nicht komplett am Rad drehen. Es ist fundamental. So wie es eine Handmaske sein kann. Es ist der Ruf unserer Gene nach Ausgleich und Entspannung. Es ist nicht unbedingt weiblich oder männlich. Es ist nicht Homo neanderthalensis oder Homo erectus. Nein, das ist es nicht. Es ist allenfalls ein ganz wunderbares, emotionales und hochkomplexes Individualmysterium, das uns doch irgendwie zu dem macht, was wir sind. Frauen und Männer.
Deutschlands nächstes Top-Möbel
Sollte irgendein Wissenschaftler einmal herausfinden, dass sich der Zustand einer Zivilisation an ihren TV-Formaten ermitteln lässt dann, da bin ich mir sicher, befinden wir uns in der Phase, kurz vor dem Untergang. Als nächstes werden wir uns vermutlich gegenseitig zerfleischen. Etwas anderes ist kaum vorstellbar, wenn ich mir so anschaue, was sich da alltäglich in der Flimmerkiste zuträgt, was wir als Unterhaltung bezeichnen. Nennt mich altmodisch oder gestrig. Aber das, was ich hier vorgesetzt bekomme, ist doch wohl keine Weiterentwicklung im Sinne einer Unterhaltungsevolution, oder?
Dabei hat alles einmal so romantisch angefangen. Damals, die Älteren unter uns wissen es noch, als sich die Familie am Samstagabend vor der strahlenden Flimmerkiste versammelte. Als ein Bildschirm noch eine Tonne wog und die Hälfte des Raumes einnahm. Das waren Zeiten! Da nahm man sich noch Zeit für Unterhaltung. In einer Ära, in der man noch aufwändige Kulissen in den TV-Studios baute oder als Sender ein eigenes