Einführung in die germanistische Linguistik. Karin Pittner

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Einführung in die germanistische Linguistik - Karin Pittner


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Kunze, Alina Pottmann und Daniel Pottmann haben auf vielfältige Weise bei der Herstellung des Manuskripts mitgewirkt. Nicht zuletzt ermöglichte die Ruhr-Universität Bochum durch die Gewährung eines Forschungsfreisemesters die Fertigstellung der vorliegenden Einführung.

      Für die Neuauflage hat das Buch ein neues Layout sowie vorangestellte Kapitelübersichten erhalten. Inhaltlich wurde die Darstellung an einigen Stellen ergänzt, die Literaturhinweise wurden aktualisiert und einige Druckfehler beseitigt. Allen, die mir hilfreiche Hinweise für die Überarbeitung gegeben haben, möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Für die gute Betreuung durch den Verlag bedanke ich mich bei Sophie Dahmen und Jasmine Stern.

      Bochum, im Juni 2016Karin Pittner

       1. Einleitung

       Überblick

      Wichtige Prinzipien der modernen Sprachwissenschaft (Linguistik) gehen auf Ferdinand de Saussure zurück. Er unterscheidet zwischen Sprache als System (langue) und ihrer Verwendung in konkreten Äußerungen (parole). Sprache wird als ein System von Zeichen aufgefasst, bei denen die Zuordnung von Form und Inhalt willkürlich (arbiträr) ist. Die Zeichen sind durch ihre Relationen zueinander definiert. Methoden der strukturalistischen Analyse sind die Zerlegung (Segmentierung) von sprachlichen Einheiten in kleinere Einheiten und ihre Klassifikation nach bestimmten Merkmalen. Der Zustand einer Sprache zu einem bestimmten Zeitpunkt kann dabei unabhängig von ihrer geschichtlichen Entwicklung beschrieben werden (synchrone vs. diachrone Betrachtungsweise). Die Verbreitung des Deutschen, seine Verwandtschaftsbeziehungen zu anderen Sprachen und seine regionale Gliederung werden kurz charakterisiert. Das Deutsche weist verschiedene Ausprägungen (Varietäten) auf wie z.B. Dialekte oder Fachsprachen. Eine besondere Rolle spielt die Standardsprache (oft auch Hochdeutsch genannt), die der überregionalen Verständigung dient.

       1.1.1 Die Linguistik und ihre Nachbarwissenschaften

      Sprachwissenschaft

      Linguistik ist eine andere Bezeichnung für Sprachwissenschaft. Sie setzt sich mit Sprachen allgemein (allgemeine Sprachwissenschaft), mit dem Vergleich von Sprachen (vergleichende Sprachwissenschaft) oder mit einzelnen Sprachen auseinander. Die germanistische Linguistik ist der Zweig der Sprachwissenschaft, der sich mit der deutschen Sprache beschäftigt.

      Teildisziplinen

      Die Linguistik hat unterschiedliche Teildisziplinen ausgebildet, die die verschiedenen Beschreibungsebenen der Sprache behandeln. Die Phonologie untersucht die Lautstruktur einer Sprache, die Graphematik hingegen das Schriftsystem. Den Aufbau von Wörtern untersucht die Morphologie. Die Syntax behandelt den Aufbau von Sätzen. Die Semantik untersucht die Bedeutung von Wörtern und Sätzen. Die Pragmatik hingegen untersucht, wie die Sprache in bestimmten Kontexten verwendet und interpretiert wird.

      Interdisziplinäre Gebiete

      Einige Gebiete der Linguistik stehen in enger Verbindung zu anderen Wissenschaften. Die Soziolinguistik ist an der Schnittstelle zur Soziologie angesiedelt, sie untersucht die Beziehungen zwischen Sprache und Gesellschaft. An der Schnittstelle zur Psychologie liegt die Psycholinguistik, die sich z.B. mit dem Spracherwerb und mit den Vorgängen bei der Verarbeitung und der Produktion von Sprache beschäftigt. Sie steht in enger Verbindung zur Neurolinguistik, die untersucht, wie die Sprache im Gehirn verankert ist, welche Teile des Gehirns für bestimmte Komponenten von Sprache zuständig sind. Die Klinische Linguistik befasst sich mit Sprachstörungen, den sog. Aphasien, die meist durch Unfälle oder Krankheiten zustande kommen und entwickelt Therapien. Die Computerlinguistik hat das Ziel, die menschliche Sprachfähigkeit auf dem Computer zu simulieren. Praktische Ziele sind dabei die Entwicklung von Programmen für maschinelle Übersetzungen oder Programmen, die gesprochene Sprache verstehen können.

      Angewandte Sprachwissenschaft

      Die Linguistik ist eine Grundlagenwissenschaft, deren Ergebnisse in eine Reihe von Anwendungen einfließen. Unter der Bezeichnung Angewandte Sprachwissenschaft werden Gebiete der Sprachwissenschaft zusammengefasst, die sich mit konkreten Problemen der Anwendung und Verwendung von Sprache beschäftigen. Ursprünglich behandelt dieses Gebiet im Kern die Anwendungen im Fremdsprachenunterricht, es umfasst jedoch inzwischen alle Fragestellungen, die bei der konkreten Verwendung von Sprache auftreten.

      de Saussure

      Als Begründer der modernen Sprachwissenschaft gilt der Genfer Linguist Ferdinand de Saussure (1857–1913). In seinem Werk Cours de linguistique générale, das auf der Basis von Vorlesungsmitschriften seiner Studenten zusammengestellt wurde und nach seinem Tod 1916 erschien, hat de Saussure wichtige Grundprinzipien der modernen Sprachwissenschaft dargelegt.

      langue vs. parole, langage

      De Saussure unterscheidet drei verschiedene Aspekte von Sprache. Als langue bezeichnet er das Sprachsystem, welches im Gehirn aller Sprecher einer bestimmten Sprache gespeichert ist. Sie ist zu unterscheiden von der Sprechtätigkeit in konkreten Situationen, die er als parole bezeichnet. Daneben gibt es noch die (faculté de) langage, die die generelle Fähigkeit zum Gebrauch und Erwerb von Sprache darstellt. Als Gegenstand der Linguistik bestimmt de Saussure die langue, das Sprachsystem, das allerdings nur über die parole, d.h. über konkrete sprachliche Äußerungen erfasst werden kann.

      Strukturalismus

      Da de Saussure als erster die Struktur des Sprachsystems in den Mittelpunkt rückt, wird er als Begründer des Strukturalismus gesehen. Die strukturalistische Linguistik verfolgt das Ziel, alle Elemente einer Sprache und ihre Relationen untereinander zu beschreiben. Dabei werden alle Ebenen der Sprachbeschreibung (Laute, Wörter und Sätze) einbezogen.

      Zeichenbegriff

      Nach de Saussure ist Sprache „ein System von Zeichen, in dem einzig die Verbindung von Sinn und Lautzeichen wesentlich ist“ (de Saussure 1967:18). Die Zeichen haben zwei Seiten, die wie die beiden Seiten einer Münze untrennbar miteinander verbunden sind: einen Signifikant (franz. signifiant ‚Bezeichnendes‘, auch Ausdrucksseite, Zeichenkörper genannt) und ein Signifikat (franz. signifié ‚Bezeichnetes‘, auch Inhaltsseite, Konzept genannt).

      Abb. 1 Das Zeichenmodell bei de Saussure

      Arbitrarität des Zeichens

      Es gibt nun keinen zwingenden Grund, ein bestimmtes Konzept durch eine bestimmte Lautform zu bezeichnen. De Saussure spricht davon, dass das Zeichen arbiträr (franz. arbitraire ‚zufällig‘) ist. Das wird schon daran deutlich, dass der Baum auf Englisch tree und auf Französisch arbre genannt wird. Die Zuordnung von einem signifiant zu einem signifié beruht auf einer Konvention innerhalb einer Sprachgemeinschaft.

      Nicht alle Zeichen sind jedoch völlig arbiträr. Manche Wörter haben eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Bezeichneten, nämlich lautmalende (onomatopoetische) Wörter. Sie treten gehäuft in der Sprache von Kindern auf, wie etwa Kikeriki oder Wauwau, die jeweils für bestimmte Tiere charakteristische Laute nachahmen. Onomatopoetika stellen demnach eine Ausnahme zur Arbitrarität der Zeichen dar.

      syntagmatisch vs. paradigmatisch

      De Saussure begreift Sprache als ein System von Zeichen, die durch ihre Beziehungen untereinander beschrieben werden können. Dabei sind zwei grundlegende Betrachtungsweisen möglich: Syntagmatische Beziehungen bestehen zwischen miteinander vorkommenden Zeichen. Paradigmatische Beziehungen bestehen zwischen Elementen, die in einer bestimmten Position austauschbar sind. Diese Elemente können potentiell im selben Kontext vorkommen, schließen sich im aktuellen Kontext jedoch gegenseitig aus.


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