Verteidigung. Tertullian
Читать онлайн книгу.verfolgt wird durch ein gewisses, ihm feindselig entgegenwirkendes Prinzip, das in erster Linie das bezweckt, dass die Leute nicht den Willen haben möchten, mit Gewissheit etwas zu erkennen, wovon sie mit Gewissheit erkennen, dass sie es nicht kennen.
Daher glauben sie auch in Betreff unser Dinge, die nicht bewiesen werden, wollen von einer Nachforschung nichts wissen, damit nicht bewiesen werde, dass die Dinge gar nicht existieren, welche sie für glaublich zu halten belieben, und so wird der jener feindseligen Macht so verhasste Name auf bloß angenommene, nicht bewiesene Anschuldigungen hin, auf das bloße Bekennen zu ihm verurteilt. Deshalb werden wir gefoltert, obwohl wir bekennen, bestraft, wenn wir verharren, und freigesprochen, wenn wir ableugnen, weil es ein "Krieg gegen den Namen" ist. Zum Schluss endlich, weshalb lässt ihr von der Schuldtafel ablesen, der N. N. sei ein Christ? Warum nicht auch, er sei ein Mörder, wenn der Christ ein Mörder ist? Warum nicht auch, er sei ein Blutschänder und das, was ihr sonst von uns noch glaubt? Bei uns allein schämt und scheut ihr euch, die Verbrechen mit ihrem Namen (im Schuldprotokoll) öffentlich bekannt zu machen. Wenn das Wort "Christ" kein Name für irgendein Verbrechen ist, so ist es höchst albern, wenn es "das Verbrechen des bloßen Namens" ist.
3. Von dem allgemeinen Hass gegen den Namen "Christ" vermögen sich die Heiden selbst keinen vernünftigen Grund anzugeben.
Was soll man dazu sagen, dass manche so mit geschlossenen Augen in den Hass gegen diesen Namen hineinrennen, dass sie, auch wenn sie jemand ein gutes Zeugnis geben, als Vorwurf beifügen, dass er ihn trägt? "Cajus Sejus ist ein braver Mann, nur dass er ein Christ ist." Ähnlich ein anderer: "Ich wundere mich, dass Lucius Titius, der doch ein verständiger Mann ist, auf einmal Christ geworden ist!" Niemandem kommt das Bedenken, ob nicht Cajus etwa gerade deshalb brav und Lucius deshalb klug ist, weil er ein Christ, oder deshalb Christ, weil er gut und klug ist. Man lobt, was man kennt, und tadelt, was man nicht kennt, und zieht gegen das, was man kennt, los mit dem, was man nicht kennt, da es doch gerechter wäre, ein Urteil über geheime Dinge auf Grund von offenkundigen zu fällen, als offenkundige Dinge im Voraus zu verdammen auf Grund von etwas Unbekanntem.
Andere brandmarken die, welche sie früher vor der Annahme dieses Namens als unstete, gemeine, gottlose Menschen kannten, durch denselben Namen, durch den sie sie loben; in blindem Hasse verfallen sie auf das Urteil: "Dieses Weib da! Wie ausgelassen, wie vergnügungssüchtig war sie! Dieser Jüngling da! Wie ausschweifend, wie verbuhlt war er! Sie sind Christen geworden." So wird ihrer Besserung der Name als eine Schuld zugerechnet. Manche verkaufen sich sogar diesem Hasse auf Kosten ihres eigenen Nutzens und lassen sich den Schaden gern gefallen, wenn sie das nur nicht im Hause haben, was sie hassen. Der Ehemann, der jetzt nicht mehr eifersüchtig zu sein braucht, verstößt seine nunmehr züchtig gewordene Gattin, der früher so geduldige Vater enterbt einen nunmehr gehorsamen Sohn, der früher so nachsichtige Herr verweist den nun treu gewordenen Sklaven von seinem Angesicht. Sobald sich jemand unter dieser Bezeichnung bessert, stößt er an. So hohen Wert hat kein Gut – es wird aufgewogen durch den Hass gegen die Christen.
Wenn es also nun der Hass gegen den Namen ist, welche Schuld können denn Namen haben, wessen können Worte angeklagt werden? Höchstens, dass der Klang eines Namens barbarisch sei oder Unglück verkündend laute, eine Verwünschung enthalte oder schamlos sei. Der Name Christ aber wird, was seine Etymologie angeht, von Salben hergeleitet. Und auch, wenn er von euch falsch Chrestianus ausgesprochen wird – denn selbst den Namen kennt ihr noch nicht einmal genau -, so schließt er den Begriff Milde und Güte in sich. Man hasst also an ganz schuldlosen Menschen auch noch einen ganz unschuldigen Namen, Aber, so erwidert ihr, die Genossenschaft wird gehasst, natürlich in dem Namen ihres Stifters. – Ist das denn etwas Neues, wenn eine Lehre ihren Anhängern eine vom Lehrer hergenommene Benennung beilegt? Nennen sich nicht die Philosophen nach ihren Häuptern Platoniker, Epikureer, Pythagoräer, oder sogar von ihren Versammlungs- und Standorten Stoiker und Akademiker? Nicht auch die Ärzte nach Erasistratus, die Grammatiker nach Aristarchus und sogar die Köche nach Apicius?
Und doch stößt sich niemand an dem Bekenntnis zu einem Namen, der sich mitsamt der Institution vom Urheber herschreibt. Allerdings, wenn jemand nachweist, dass der Stifter schlecht und die Genossenschaft schlecht ist, so weist er auch die Schlechtigkeit und Hassenswürdigkeit des Namens damit nach, infolge des schlechten Charakters der Schule und des Stifters. Und daher hätte es sich gehört, bevor man den Namen verabscheut, den Charakter der Schule an ihrem Urheber oder den Charakter ihres Urhebers an der Schule zu prüfen. Nun aber wird ohne Untersuchung und Erkenntnis beider der Name festgenommen, der Name bekämpft, und für die noch unbekannte Schule wie den noch unbekannten Stifter liegt schon in dem bloßen Worte zum Voraus eine Verurteilung, bloß weil sie so genannt, nicht weil sie überführt werden.
4. Ob das Bestehen der christlichen Religion gegen die Staatsgesetze sei. Der Wert oder Unwert menschlicher Gesetze hängt von ihrer Zweckmäßigkeit und Moralität ab.
Nachdem ich somit dies, um die Ungerechtigkeit des öffentlichen Hasses gegen uns zu brandmarken, gleichsam als Vorrede vorausgeschickt habe, will ich nunmehr für unsere Unschuld den Beweis antreten, und zwar werde ich nicht bloß widerlegen, was uns vorgeworfen wird, sondern es auch auf die zurückschleudern, welche es uns vorwerfen, damit die Leute auch daraus erkennen, dass bei den Christen sich nicht findet, was sich bei ihnen selbst, nicht ohne ihr Wissen, wirklich findet, und damit sie zugleich darüber erröten, dass sie als ganz schlechte Menschen anklagen, ich will nicht sagen die besten, sondern ihresgleichen, wie sie es haben wollen. Wir werden im Einzelnen auf das antworten, was wir im Geheimen verüben sollen, und was man als offen verübt bei uns findet, worin wir für Verbrecher, und worin wir für Toren, worin wir für strafbare und worin wir für lächerliche Menschen gehalten werden.
Indessen, da der von uns vertretenen Wahrheit, weil sie allen Anklagen zu begegnen weiß, zuletzt die Autorität der Gesetze entgegen gehalten und entweder gesagt wird, nach Erlass der Gesetze dürfe keine Verhandlung weiter statthaben, oder dem notwendigen Gehorsam müsse selbst wider Willen vor der Wahrheit der Vorzug eingeräumt werden, so will ich zuerst in Betreff der Gesetze mit euch, als ihren Schutzherrn, in den Streit eintreten, Erstens, wenn ihr nach dem Recht die Entscheidung fällt und sagt: "Es ist euch nicht erlaubt zu existieren", und wenn ihr dies ohne jede weitere Untersuchung, die doch menschenwürdiger wäre, einfach als Präjudiz aufstellt, so proklamiert ihr die Gewalt und eine ungerechte Tyrannenherrschaft, wie von einer Zwingburg herunter, wenn ihr das "Erlaubtsein" (unsere Existenzberechtigung) deshalb verneint, weil ihr es nicht wollt, nicht weil es (moralisch) nicht gestattet werden darf. Gesetzt aber, ihr wolltet es deshalb nicht gestatten, weil es nicht erlaubt werden dürfe, so unterliegt der Grundsatz keinem Zweifel, dass nur das nicht erlaubt werden darf, was schlecht ist, und eben dadurch ist der Schluss auf die Erlaubtheit dessen, was gut ist, gestattet. Wenn ich finde, dass gut ist, was das Gesetz verboten hat, so kann es – infolge des obigen Schlusses – mich unmöglich daran hindern, woran es mich von Rechtswegen hindern würde, wenn es etwas Schlechtes wäre. Wenn dein Gesetz geirrt hat, so ist es, meine ich, von einem Menschen verfasst; es ist ja doch nicht vom Himmel gefallen.
Wundert ihr euch etwa, dass ein Mensch bei Erlass eines Gesetzes sich habe irren können, oder dass er, wieder zur richtigen Einsicht gekommen, es verworfen habe? Hat nicht die Verbesserung der Gesetze sogar des Lykurg, welche die Lazedämonier vornahmen, ihrem Urheber solchen Schmerz verursacht, dass er in freiwilliger Verbannung sich selbst zum Tothungern verurteilte? Durchwühlt und fällt ihr denn nicht, da neue Erfahrungen täglich die Dunkelheiten des Altertums erleuchten, jenen ganzen alten und wuchernden Wald von Gesetzen mit den neuen Äxten kaiserlicher Reskripte und Edikte? Hat nicht kürzlich der charakterfeste Kaiser Severus die nichtsnutzigen Papischen Gesetze, welche früher Kinder zu haben gebieten, als die Julischen Gesetze zu heiraten vorschreiben, nach so langer Geltung aufgehoben?
Doch es war ja früher Gesetz, dass die Verurteilten von ihren Gläubigern in Stücke geschnitten wurden, und dennoch wurde später mit allgemeiner Zustimmung diese Grausamkeit abgeschafft und die Todesstrafe in eine Strafe der Infamie verwandelt. Der angewandte Zwangsverkauf der Güter wollte lieber einem Menschen das Blut ins Gesicht treiben, als es vergießen. Wie viele Gesetze, die ihr verbessern müsstet, sind auch jetzt noch unbemerkt vorhanden! Gesetzen nämlich