Ostfriesenspieß. Wolfgang Santjer

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Ostfriesenspieß - Wolfgang Santjer


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Hände umschlossen noch immer verkrampft die Schere. Er sah zum Wohnmobil hinüber und hörte das Geräusch eines herannahenden Autos. Er legte die Schere unter den Sitz und griff nach dem Funkgerät.

      Ein schwarzer Mercedes SLK hatte zwischen dem Transporter und dem Reisemobil geparkt.

      *

      Der Mann im Mercedes war auf der Autobahn fast eingeschlafen. Das Hinweisschild auf einen Parkplatz war ihm gerade recht gekommen.

      Er saß allein im Auto. Seine Beine fühlten sich schwer und müde an. Das lange Stehen auf dem Messestand hatte ihn angestrengt. Die schlechte Luft und der ständig hohe Geräuschpegel dort machten es auch nicht besser. Immer dieselben Verkaufsgespräche über die Vorteile der angepriesenen Fassadenverkleidung … Die Kunden waren vorsichtiger geworden. Er musste seine ganze Überredungskunst aufbieten, damit es zu Vertragsabschlüssen kam.

      Einen Vorteil hatte die Arbeit an dem Stand: Der Dienstwagen, ein nagelneuer Mercedes, war einsame Spitze.

      Natürlich bekam man den vom Chef nur, wenn die Anzahl der Abschlüsse den Erwartungen entsprach. Er seufzte. Nächstes Mal bekam er sicher die ausgelutschte alte Karre mit. Sein neuer, junger, dynamischer Kollege hatte ihn bei den Abschlüssen weit abgehängt.

      »Diese verdammte Freisprecheinrichtung«, fluchte er, »wie funktionierte das auch noch?« Er schaltete die Innenbeleuchtung an. Endlich gelang es ihm, seine Festnetznummer einzugeben. Die Verbindung baute sich auf und sein Blick richtete sich nach draußen und fiel auf ein rot beleuchtetes Wohnmobil.

      *

      Zum Glück hatte der Mercedes-Fahrer die Innenbeleuchtung angeschaltet. Beim nächsten Mal brauche ich unbedingt ein Nachtsichtgerät, stellte der Fahrer des Transporters fest.

      Die Situation war optimal. Keine anderen Fahrzeuge auf dem Parkplatz. Ihr Opfer war allein im Auto.

      Er griff zum Funkgerät, atmete tief durch und drückte die Sprechtaste: »Dies ist unser Mann, alles wie geplant!«

      Die Tür des Wohnmobils öffnete sich und sie stieg aus.

      Mein Gott, der Mercedesfahrer hatte keine Chance. Sicher, sie war eine schöne Frau, aber diese Aufmachung mit Schminke und Reizwäsche … ›Unwiderstehlich‹ trifft es wohl am besten, dachte er.

      *

      Der Lautsprecher im Mercedes knackte. »Schulte!«, meldete sich seine Frau am anderen Ende der Leitung.

      »Ich bin es, Erich, wollte mich nur mal kurz melden.«

      »Das wird auch Zeit. Hast ja lange nichts von dir hören lassen.«

      »Ist ja gut, Linde, ich bin circa in einer Stunde zu Hause und habe ganz schön Kohldampf.«

      »Aha, daher weht also der Wind! Nur weil der feine Herr Hunger hat, ruft er an.«

      Während ihn seine Frau beschimpfte, sah Erich Schulte eine Frau aus dem Wohnmobil steigen. Die dunkle Schönheit schaute in seine Richtung. Sie trug nur dunkelrote Reizwäsche und alles, aber auch alles, was er sah, gefiel ihm. Besonders die schwarzen Lackstiefel.

      »Erich, hörst du überhaupt zu? Ich rede mit dir.«

      »Linde, ich muss auflegen. Der Chef reißt mir den Kopf ab, wenn wir zu lange telefonieren.« Er drückte den roten Knopf an seinem Handy und beendete so das Gespräch. Mit Wehmut dachte er an längst vergangene Zeiten. Linde, seine große Liebe … Und jetzt tote Hose im wahrsten Sinne des Wortes. Wie lange war es eigentlich her, dass Linde und er …? Keine Ahnung. Sicher schon viel zu lange.

      Die dunkle Schönheit begann mit einem Lappen in der Hand, die Fensterscheiben ihres Mobils zu bearbeiteten. Dazu bückte sie sich wie zufällig ständig nach dem Wassereimer neben ihr. Natürlich genau in seine Richtung! Erich konnte seinen Blick nicht von ihr lösen und bekam einen trockenen Mund. Sein Freund in der Hose erwachte aus dem Tiefschlaf.

      Er überlegte nur kurz. Sein Schwarzgeld wäre hier gut angelegt.

      So konnte er aber nicht aussteigen. Trotz der Dunkelheit war seine Erregung nicht zu übersehen.

      Seine linke Hand griff zum Türöffner und die rechte zu seiner Strickjacke. Als er ausgestiegen war, legte er sich die Jacke über den Arm und hielt sie vor seine Hose.

      Er ging auf sie zu und blieb direkt vor ihr stehen. Die dunkle Schönheit lächelte ihn an. Das Miststück wusste genau, welche Wirkung das Putzmanöver auf ihn gehabt hatte.

      Eigentlich ungewöhnlich, dass sie ausgestiegen war. Ihre Berufskolleginnen blieben meist unauffällig drinnen sitzen. Eine innere Stimme rief: Dreh um, steig ins Auto und fahr weg!

      Sie lächelte ihn an und fragte ihn mit dunkler, rauchiger Stimme, ob sie etwas für ihn tun könnte. Ihre Hand griff unter seine Strickjacke und legte sich auf die Wölbung unter seiner Hose. Der letzte Rest seiner Vernunft löste sich schlagartig in Wohlgefallen auf und mit heiserer Stimme fragte er: »Wie viel?«

      »Ich wollte eigentlich Schluss machen für heute, aber du gefällst mir. 100 Euro und du wirst den Abend nicht vergessen!«

      »Einverstanden.« Er wollte unbeholfen ihre Brust berühren.

      »Aber doch nicht hier draußen. Drinnen habe ich eine kleine Spielwiese für uns. Warte, ich mach dir gleich die hintere Tür auf.« Sie stieg ein, schaltete das rote Licht aus und zog die Vorhänge zu.

      Erich Schulte ging mit eiligen Schritten zum Auto, nahm sein Schwarzgeld aus dem Handschuhfach und verriegelte den Mercedes.

      *

      Alles lief wie geplant. Während der Mercedes-Fahrer in seinem Wagen herumkramte, nahm er den Elektroschocker, öffnete vorsichtig die Tür des Transporters und ging durch die Dunkelheit um das Wohnmobil herum. Lautlos stieg er hinten ein, ging in das kleine Bad und zog die Tür hinter sich zu.

      *

      Der Mercedes-Fahrer ging aufgeregt zurück zum Lovemobil und dachte: Bescherung, Erich! Bescherung!

      Die hintere Tür war geöffnet. Er betrat das Innere. Links sah er eine schmale Tür, gegenüber eine kleine Küchenzeile. Im vorderen Bereich befand sich ein breites Bett. Trotz der spärlichen Beleuchtung konnte er sie sehen. Sie saß auf der Bettkante und öffnete langsam den dunkelroten BH. Heiser sagte er: »Warte, ich möchte mein Geschenk selber auspacken.«

      Ihr Blick zog ihn magisch an. In diesem Moment vergaß er alles um sich herum und sah nur noch eine Frau, die ihn begehrte. Zitternd ging er zwischen ihren schwarzen Lackstiefeln auf die Knie. Sie zog sein Gesicht zwischen ihre Brüste und sofort umnebelte schweres Parfüm seine Sinne.

      Deshalb bemerkte er auch nicht, dass sich hinter ihm langsam die Tür zur kleinen Nasszelle öffnete und dann jemand hinter ihm stand. Der Stromschlag im Genick lähmte sofort seine Muskeln. Er schlug bewusstlos auf den Boden.

      *

      »Beruhige dich. Ist alles gut gelaufen. Ich leg ihm noch die Handschellen an und hole den Transporter.«

      Er fuhr den Wagen dicht an die Tür des Mobils. Als sie öffnete, fiel ihr Blick auf die sargähnliche Kiste im Transporter. Sie war blass.

      Gerd Hasler öffnete die massiven Verriegelungen der Kiste und legte den Deckel zu Seite. Sie schauten sich an. Er bemerkte ihr Zögern. »Du weißt, dass sie es verdient haben«, sagte er. »Pack an, bevor er wach wird!«

      Nachdem er die Autoschlüssel und die Brieftasche in der Kleidung des Opfers gefunden hatte, wuchteten sie den immer noch Bewusstlosen zusammen aus dem Lovemobil hinüber in den Transporter und packten ihn in die Kiste, legten den schweren Deckel darauf und verriegelten sie.

      Gerd Hasler legte sich neben dem Transporter auf den Boden und schob sich unter das Fahrzeug. Er stellte das spezielle Ventil an der Auspuffanlage um und kroch zurück. Als er aufstand, sah er die Verzweiflung in ihren Augen.

      Gerd küsste sie auf den Mund und drückte sie fest an sich. »Vertrau mir, fahr nach Hause. Ich komm später nach.«

      Als


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