Der Bergpfarrer Staffel 15 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.die Produktion hier stattfindet, und einer davon bist du, Rosel.«
Ihre Schwester lächelte.
»Ich freu’ mich, daß du zurückgekommen bist«, sagte sie. »Und was ist der and’re Grund?«
Brigitte schwieg einen Moment und schien in weite Ferne zu starren.
»Erinnerst du dich an den Tobias?« fragte sie.
Rosel kramte in ihrem Gedächtnis.
»Meinst’ den Burschen vom Rauchingerhof?«
»Richtig«, nickte Brigitte mit glänzenden Augen. »Weißt du was über ihn? Lebt er immer noch da droben?«
Rosel zuckte die Schultern.
»Keine Ahnung«, erwiderte sie. »Ich geh’ ja kaum unter die Leut’. Die Arbeit mach’ ich hier zu Haus’, am Computer, und sonst seh’ ich nur hin und wieder jemanden beim Einkaufen.«
Während ihrer Unterhaltung hatte sie schon erwähnt, daß sie vor ein paar Jahren einen Computer angeschafft hatte, mit dem sie Schreibarbeiten für verschiedene Firmen erledigte. Kein lukrativer Job, aber sie hatte ihr Auskommen. Miete brauchte sie nicht zahlen, weil das Haus den Schwestern gehörte, und zum Leben brauchte sie nicht viel.
»Warum fragst’ denn nach dem Tobias?« wollte Rosel wissen.
Brigitte neigte den Kopf.
»Er war meine erste große Liebe«, erwiderte sie. »Und irgendwie hab’ ich ihn nie vergessen können…«
»Na, dann besuch’ ihn doch einfach mal«, schlug ihre Schwester vor.
»So einfach, wie du dir das vorstellst, ist das net«, sagte Brigitte. »Wir sind damals im Streit auseinander gegangen. Tobias wollte, daß ich bleibe, ihn heirate und Bäuerin werd’, wenn er den Hof übernimmt. Ich wollt’, daß er mitkommt. Wir haben lang’ darüber gestritten, und dann bin ich ohne ihn fort.«
»Und jetzt hast’ Angst, daß er dich net mehr kennt.«
»Ja, oder daß er immer noch bös’ ist.«
Die junge Frau machte eine resignierende Handbewegung.
»Vielleicht jag’ ich da ja sowieso nur einem Hirngespinst nach.«
Sie trank ihre Tasse leer.
»Hauptsache ist, daß das mit den Dreharbeiten klappt. Sag’ mal, Rosel, hast’ viel zu tun, oder kannst deine Arbeit morgen mal liegen lassen?«
»Für die Woche bin ich fertig.«
»Prima, dann fahren wir morgen früh in die Stadt und machen einen kleinen Einkaufsbummel.«
»Einfach so?«
»Freilich einfach so. Oder willst’ bei dem herrlichen Wetter lieber in der Stube hocken?«
Rosel schien der Gedanke, in die Stadt zu fahren, unangenehm zu sein.
»Nein, natürlich net«, antwortete sie. »Aber, weißt du, ich ganz selten in der Stadt. Erstens, weil ich net viel Geld hab’, um großartig einzukaufen, und außerdem…«
Sie schaute an ihrem Kleid herunter.
»… außerdem hab’ ich auch nix Rechtes zum Anziehen.«
»Und genau das werden wir ändern!« sagte Brigitte bestimmt. »Und zum Friseur geh’n wir auch.«
»Ich…, ich gefall’ dir wohl net, was?« fragte die Schwester unsicher.
»Ach, Rosel!«
Brigitte nahm sie in den Arm.
»Natürlich gefällst du mir«, antwortete sie. »Aber ein bissel was hermachen sollst’ schon.«
Sie zwinkerte ihr zu.
»Wirst seh’n, dann klappt’s auch mit den Burschen.«
*
Pünktlich um fünfzehn Uhr am nächsten Tag klingelte Brigitte an der Tür des Pfarrhauses.
Am Morgen waren die beiden Schwestern, nach einem ausgiebigen Frühstück, in die Stadt gefahren. Rosel hatte sich vergeblich dagegen gesträubt.
»Schau doch bloß, wie ich aussehe«, hatte sie gesagt und an sich herunter gezeigt.
Brigitte betrachtete sie kritisch.
»Hm, die Hose ist wirklich net der Hit«, meinte sie.
Sie kramte in ihren Sachen, die noch auf dem Bett lagen.
»Probier mal die hier«, sagte sie. »Die müßte dir auch passen.«
Schon als junge Madln hatten sie oft ihre Kleidungsstücke getauscht; sie hatten die gleiche Figur.
»Du spinnst«, schüttelte Rosel den Kopf. »Die ist doch viel zu elegant!«
Es handelte sich um eine teure Designerjeans, die eng geschnitten war.
»Quatsch. Zieh’ sie einfach an.«
Brigitte suchte ein passendes Top heraus.
»Mit den Haaren werden wir was machen müssen«, überlegte sie und band sie zu einem Zopf zusammen.
Sie trat einen Schritt zurück und blickte Rosel an.
»Na also, geht doch.«
Zuerst suchten sie nach einem Friseur, was allerdings nicht ganz einfach war, weil die meisten nur Kunden bedienten, die einen festen Termin hatten. Nach einer längeren Suche hatten sie schließlich Glück. Rosels Haare wurden gewaschen und etwas geschnitten, dann bekam sie ein schicke Fönfrisur.
»So, und jetzt geh’n wir shoppen«, sagte Brigitte, als sie den Friseursalon wieder verlassen.
Zufrieden betrachtete sie ihre Schwester, die immer wieder mit der Hand nach der ungewohnten Frisur tastete.
In einer Boutique machten sie einen Großeinkauf: Hosen, zwei Kleider, zwei Röcke, dazu T-Shirts, Blusen, Pullis und Schuhe.
»Du bist total verrückt!« flüsterte Rosel, als sie an der Kasse standen, und sie den Betrag sah. »Das kann ich doch niemals bezahlen!«
Brigitte zückte ungerührt ihre Kreditkarte und unterschrieb den Beleg.
Es war nicht so, daß sie mit dem Geld nur so um sich werfen konnte, aber sie verdiente gut und lebte im Grunde recht sparsam. In den letzten Jahren hatte sie einiges sparen können und es machte ihr Freude, ihre Schwester zu beschenken.
»Hast du eigentlich einen Freund?« fragte Rosel, als sie beim Mittagessen in einem Restaurant saßen.
Insgeheim argwöhnte sie, daß Brigitte einen reichen Mann haben könne, der sie aushielt.
»Nein, den letzten hab’ ich vor vier Wochen in den Wind geschossen«, erwiderte die Schwester.
»Einfach so?«
Brigitte Granzinger drehte das Weinglas in den Händen. Um ihren Mund stand ein düsterer Zug.
»Ich glaub’, mit den Männern hab’ ich irgendwie kein Glück«, gab sie zu. »Die einen seh’n in mir nur eine attraktive Frau, die beim Fernsehen arbeitet, und wollen davon profitieren, um selbst beim Sender ein Fuß in die Tür zu bekommen. Die and’ren denken, sie bräuchten nur mit den Fingern zu schnippen und könnten alles von mir haben. Der letzte war übrigens verheiratet. Als ich das herausgefunden hatte, war bei mir der Ofen aus. Ich hab’ seine Sachen durch das Fenster auf die Straße geworfen und ein neues Türschloß einbauen lassen.«
Rosel wußte nicht, ob sie Mitleid haben sollte, oder schmunzeln.
»Na ja, konsequent warst’ ja schon immer.«
Am Abend vorher hatten sie sich noch lange unterhalten. Zuerst machten sie einen Spaziergang durch das Dorf und suchten den Friedhof auf, wo die Eltern in einem gemeinsamen Grab lagen. Brigitte erfuhr, wer noch alles in den vergangenen Jahren gestorben war, und daß die Praxis