Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Читать онлайн книгу.nie mehr in seinem Leben begegnen.
Es kam ihm merkwürdig vor, dass er das Hotel verlassen konnte, ohne dass sich ihm jemand in den Weg stellte.
Auf so etwas war er gefasst, und er war entsprechend vorsichtig. Aber nichts geschah, was er befürchtete, obwohl er doch gemeint hatte, dass Laila Helfershelfer herbeigerufen hätte.
Poldi warf sich in ein Taxi und ertappte sich dabei, dass er den Fahrer misstrauisch musterte. Aber das war ein ganz biederer Mann, der ihn auf schnellstem Wege zu dem Lokal brachte, wo er seinen Kaffee in Ruhe trinken wollte.
Als Poldi auf der Straße stand, konnte er wieder klar denken, und er kam zu der Überlegung, dass Laila verzweifelt auf einem verlorenen Posten kämpfte. Sie bekam wohl Informationen, aber sie hatte gar keine Hintermänner. Und worum kämpfte sie? Poldi wusste es. Ihr ging es nur um Geld.
Er hatte einen schlechten Geschmack im Mund, den er hinunterspülen musste.
Ricky war da und fragte: »Was wünschen Sie, Herr Steiger?«
Ihre Stimme klang ziemlich frostig, und das ging Poldi nahe.
»Einen Mokka und eine große Flasche Wasser«, erwiderte er.
Wortlos stellte sie ihm beides wenig später auf den Tisch.
»Schlecht geschlafen?«, fragte er.
»Überhaupt nicht.«
»Warum nicht?«, fragte er.
»Weil ich von zehn Uhr abends bis zehn Uhr morgens Dienst habe«, erwiderte sie schnippisch.
»Sind immer Leute da?«, fragte er verblüfft.
»Ein paar Stunden nicht, aber da muss ich den Dreck wegräumen, den sie gemacht haben.«
»Ich?«, fragte Poldi bestürzt.
»Die Leute, die Gäste, besser gesagt.«
»Zwölf Stunden Dienst«, fragte er heiser. »Das ist doch Wahnsinn.«
»Man muss leben, Herr Steiger«, sagte Ricky und entfernte sich.
Poldi blickte auf seine Armbanduhr. Jetzt war es ein Viertel vor zehn Uhr. Er dachte jetzt nicht mehr an Laila, sondern an Ricky. An ihren
traurigen Blick, als er gestern Abend mit Laila das Lokal verlassen hatte, an ihre müden Augen jetzt und ihre doch so stolze, abweisende Haltung.
Er trank schnell den Mokka und zwei Gläser Wasser. Dann legte er einen Geldschein auf den Tisch und ging rasch hinaus. Aber er blieb auf der anderen Straßenseite stehen und wartete.
Lange brauchte er nicht zu warten. Bald kam Ricky in einem grünen Lodenmantel, ein buntes Kopftuch umgebunden. Sie schrak zusammen, als er vor sie hin trat.
»Ach ja, Sie haben wohl Ihr Wechselgeld vergessen«, sagte sie eisig.
»Nein, Ricky«, sagte er leise. »Ich möchte Sie heimbringen. Ich möchte mich jetzt mit einem vernünftigen Menschen unterhalten und Sie auch um etwas bitten. Haben Sie Telefon in Ihrer Wohnung?«
Sie lachte blechern auf. »Ich habe keine Wohnung, nur ein billiges möbliertes Zimmer. Und wozu brauche ich ein Telefon?«
»Dann gehen wir in eine Zelle. Ich bitte Sie um einen Gefallen, und ich werde Ihnen später erklären, warum.«
»Warum nicht vorher?«, fragte Ricky. »Hatte die Dame kein Telefon?«
»Es war keine Dame. Das erkläre ich Ihnen auch noch. Mädchen, wir kennen uns doch schon eine ganze Zeit. Wofür halten Sie mich denn?«
»Ich halte von Männern überhaupt nichts«, erwiderte Ricky.
»Schlechte Erfahrungen gemacht?«
»Bin ich Ihnen Rechenschaft schuld?«, konterte sie trotzig. »Sie habe ich für anständig gehalten, bis gestern. Und dann sind Sie mit solcher Person losgezogen.«
»Wie stufen Sie sie ein?«, fragte Poldi.
»Billig.«
»Irrtum, kleines Mädchen. Sie hat ihre Preise, und manchmal bezahlen Männer mit ihrem Leben dafür. Ich allerdings nicht. Schauen Sie mich doch nicht so vernichtend an. Ich mag Sie, Ricky, ich habe Vertrauen zu Ihnen, und deswegen bitte ich Sie, einen Anruf für mich zu erledigen. Er ist sehr wichtig.«
»Wen soll ich anrufen?«, fragte Ricky leise.
»Pension Rosengarten. Verlangen Sie Frau Herzog. Gott im Himmel, Mädchen, es ist eine gute Bekannte. Sie brauchen mich nicht gleich wieder in Grund und Boden zu verdammen. Sie brauchen ihr bloß zu sagen, dass sie mich um zwölf Uhr in der Behnisch-Klinik treffen soll.«
»Und warum rufen Sie nicht selber an?«
»Das erkläre ich Ihnen auch später.«
Ricky warf ihm noch einen langen Blick zu, dann sagte sie nichts mehr.
*
Bettina wusste nicht, was sie denken sollte, als die fremde ängstliche Mädchenstimme ihr ausrichtete, dass Poldi sie um zwölf Uhr in der Behnisch-Klinik treffen wolle.
»Wer spricht da bitte?«, fragte sie.
»Ricky, Ricky Brühl«, tönte es zaghaft durch den Draht. »Es stimmt schon, Frau Herzog.«
»Ja, es stimmt«, vernahm Bettina aus dem Hintergrund Poldis Stimme. Und da erinnerte sie sich, dass sie ja ausgemacht hatten, dass er sie nicht anrufen solle.
Nun hatte sich allerdings in der Pension Rosengarten so viel getan, dass man keine Heimlichkeiten mehr voreinander haben musste.
Annette wusste zwar nicht alles, aber doch so viel, dass es enge Verbindungen zwischen Dr. Clermont, Bettina und Karl Herzog gab. Und er fühlte sich allem Anschein nach ganz heimisch in dem schönen Haus.
»Ich fahre in die Stadt. Muss noch was erledigen«, sagte er zu Bettina. Sie war so mit ihren Überlegungen beschäftigt, dass sie nur nickte.
»Würdest du mir bitte den Umschlag geben, Bébé«, sagte ihr Vater.
»Was willst du damit?«
»Ihn an einem sicheren Ort deponieren.«
»Aber du wirst ihn nicht öffnen!«
»Ich habe mir ohnehin überlegt, dass dies eine Straftat wäre«, erklärte er mit einem hintergründigen Lächeln. »Nein, ich werde ihn selbstverständlich nicht öffnen.«
»Ich möchte wirklich wissen, was André sagt, wenn er erfährt, dass du in seinem Zimmer herumgeschnüffelt hast.«
»Das werden wir schon noch erfahren. Ich muss ja Farbe bekennen, wenn es so weit ist.«
Gegen den Vater konnte sie nicht ankommen. Er war ein Mann der Tat, und er verantwortete, was er tat.
Es wäre ihr aber doch nicht einerlei gewesen, wenn sie gewusst hätte, dass er jetzt zur Behnisch-Klinik fuhr.
Gegen Morgen war André wieder ruhiger geworden. Das Fieber war wieder abgeklungen. Dr. Behnisch und Jenny waren ganz zufrieden mit ihm. Jenny hatte schlafen können, während Dr. Behnisch von Schwester Petra zweimal geweckt worden war. Allerdings wäre das nicht nötig gewesen, aber Schwester Petra machte ab und zu doch einen Versuch, die Aufmerksamkeit des Chefs auf sich zu lenken. Dieter Behnisch übersah dies geflissentlich.
Nach der Visite wollte er sich allerdings ein bisschen ausruhen, doch dazu kam es nicht, denn Karl Herzog erschien.
Nach einer langen Unterhaltung befand sich der Chefarzt in einer Zwickmühle. Sollte er Herrn Herzog einen Besuch bei Dr. Clermont gestatten?
Es konnte neue Aufregungen geben, es konnte aber auch positiv sein.
»Ich werde mir Dr. Clermont erst mal ansehen«, sagte er.
Karl Herzog wartete geduldig. Er wollte nichts forcieren, aber auch er traf manchmal intuitive Entscheidungen.
Dann kam Dr. Behnisch