Ardistan und Dschinnistan. Karl May

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Ardistan und Dschinnistan - Karl May


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bin, daß Ihr mich als Gast und Freund betrachtet.«

      »Und wenn wir das nicht tun?« fragte er.

      »So stoß ich Dir das Messer bis an den Griff in das Herz!« erwiderte ich, worauf Hadschi Halef mit ganz gewaltigem Augenrollen hinzufügte:

      »Und wenn Du davon nicht ganz sterben solltest, so schlage ich Dich sogar noch eigens tot! Darauf kannst Du Dich verlassen, denn ich bin Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah, der berühmte Scheik der Haddedihn vom großen Stamme der Schammar!« Der lange Name schien die beabsichtigte Wirkung nicht zu verfehlen, denn der Zauberer meinte ziemlich schüchtern:

      »Ein berühmter Scheik bist Du? Das hast Du uns gar nicht gesagt! Und wer ist denn der andere?«

      »Er ist der größte Held und Gelehrte des Abendlandes. Sein in der ganzen Welt bekannter Name lautet Emir Hadschi Kara Ben Nemsi Ben Emir Hadschi Kara Ben Dschermani Ibn Emir Hadschi Kara Ben Alemani. Sein Säbel ist scharf und spitz, seine Kugeln gehen nie daneben, und wenn er eine lange Rede hält, so bringt er sie stets an das richtige Ende. Er hat in seinem ganzen Leben noch niemals eine Schlacht verloren. Kein Feind kann ihn im Kampfe niederringen. Und wenn er seine Gelehrsamkeit erscheinen läßt, so ist sie wie ein Wirbelsturm, der, ohne still zu stehen, rund um die ganze Erde geht und alles niederreißt, was ihm zu widerstehen wagt!«

      »Ich habe weder Deinen noch seinen Namen jemals gehört,« entschuldigte sich der Zauberer. »Und ich kenne Dein Land und Deinen Stamm eben so wenig wie sein Volk und seine Gegend, in der er geboren wurde. Ich bin der Zauberpriester der Ussul. Ich wirke nur für die Religion und habe keine Zeit, mich mit der Politik und Geographie und Weltgeschichte abzugeben. Ihr müßt also verzeihen, daß ich in diesen Dingen nicht bewandert bin und meinen Ruhm nur darin suche, daß unsere Nation an ihren Gott und Schöpfer glaubt. Wenn wir bestimmen, was mit Euch geschehen soll, so habe ich nur in Beziehung auf Eure Religion mit zu beraten, sonst aber nicht. Glaubt Ihr an Gott?«

      »Ja.«

      »So bin ich beruhigt. Denn wer einen Gott hat, der schlägt keinen Menschen tot!«

      »Ihr aber habt mir doch damit gedroht!« warf Halef ein.

      »Gedroht? Ja! Aber haben wir es getan?«

      »Bis jetzt allerdings noch nicht.«

      »So wartet also ab, ob es geschieht!«

      »Abwarten?« lachte Halef. »Ja, das werden wir, und zwar mit größtem Vergnügen! Es hat nämlich bisher noch keinen gegeben, dem es gelungen ist, uns tot zu schlagen, und so soll es mich verlangen, zu erfahren, wie Ihr es anfangen werdet, dies zu tun!«

      Da kam Taldscha von der Höhe des Ufers langsam zu uns herabgestiegen, blieb am Wasser stehen und gab der Verhandlung folgenden, für beide Teile günstigen Verlauf:

      »Ist der, der sich Hadschi Halef Omar nannte, ein Araber?«

      »Ja,« nickte dieser.

      »Wirklich ein Scheik?«

      »Ja.«

      »Und aus welchem Lande ist Emir Kara Ben Nemsi?«

      Halef hatte vorhin in seiner bekannten Art und Weise über mich und seine Person geflunkert, um zu imponieren. Ich brauchte mich dieser Aufschneiderei allerdings nicht etwa in mich selbst hinein zu schämen, denn was er tat, ist orientalischer Gebrauch oder vielmehr morgenländische Ausdrucksweise. Ihn zu verbessern, hätte nichts nützen können, aber sicherlich geschadet. Dennoch war ich entschlossen, seine Angaben jetzt, falls Taldscha mich fragen würde, auf die reine, nackte Wahrheit zurückzuführen. Es kam aber nicht so weit. Die Ussul waren zu naiv und selbst viel zu wahrheitsliebend, als daß es ihnen eingefallen wäre, an den Worten des Hadschi herumzumäkeln.

      »Ich bin aus Dschermanistan,« antwortete ich.

      »Das kenne ich nicht. Folglich kann es nicht in unserem Erdteile liegen,« erklärte sie.

      »Es liegt allerdings nicht im Morgen-, sondern im Abendlande.«

      Es war mir nahegelegt worden, zu verschweigen, daß ich ein Abendländer sei; aber diesen hellen, klaren, außerordentlich ehrlich blickenden blauen Augen gegenüber, die jetzt auf mich gerichtet waren, fühlte ich mich nicht imstande, etwas anderes als die Wahrheit zu sagen. Ich ersah aus einer schnellen Bewegung ihres Kopfes, daß sie sich nicht unangenehm überrascht fühlt. Sie fuhr fort:

      »Im Abendlande? Und wo wolltest Du jetzt hin?«

      »Durch das ganze Ardistan.«

      »Dann bist Du entweder ein sehr unvorsichtiger oder ein sehr kühner Mann. Denn der ‘Mir von Ardistan würde Dich höchst wahrscheinlich töten lassen, sobald er erführe, daß Du ein Abendländer bist. Glücklicherweise aber wirst Du diesem Tode entgehen, weil Du gar nicht zu ihm kommst, sondern für immer bei uns bleibst. Nach den Gesetzen unseres Landes bist Du unser Eigentum.«

      »Nach den Gesetzen meines Landes aber bin ich es nicht,« entgegnete ich.

      »Wir haben den Gesetzen unseres Landes zu gehorchen, nicht aber den Gesetzes des Deinigen!«

      »Das begreife ich. Und Du wirst ebenso begreifen, daß ich den Gesetzen meines Landes zu gehorchen habe, nicht aber den Gesetzen des Eurigen!«

      »Du willst Dich gegen uns wehren?«

      »Ja.«

      »Es wird vergeblich sein!«

      »Du irrst. Bisher war es sehr von Erfolg. Wir befinden uns keineswegs in Eurer Gewalt. Wir sind frei. Dagegen ist Euer Scheik und Euer Priester in unsere Hände geraten. Wenn wir mit diesem Boote grad quer über den See rudern, kommen wir viel eher an das jenseitige Ufer als Ihr. Wer will uns hindern, erst den Priester und dann auch den Scheik zu töten, falls wir davon überzeugt sind, daß Ihr nicht Frieden halten wollt?«

      Sie antwortete nicht gleich; sie überlegte. Und sie musterte uns dabei mit prüfenden Augen. Dann sagte sie:

      »Ich bin ungewiß und unzufrieden. Ihr gefällt mir sehr, ja, wirklich sehr. Ich möchte gern recht viel über das Abendland erfahren. Und es wäre wohl schön, wenn Du als freier Mann, nicht aber als Knecht und Sklave von ihm erzähltest. Es würde mich freuen, wenn ich zu Dir sagen dürfte: Du bist mein Gast, bist nicht mein Eigentum! Aber ich habe den Gesetzen meines Landes zu gehorchen, nicht meinen Wünschen. Es gäbe zwar einen Weg, ein Mittel - - -«

      Sie sprach nicht weiter. Sie machte eine Handbewegung, als wie um anzudeuten, daß sie das, woran sie dachte, für unmöglich halte.

      »Welchen Weg? Und welches Mittel?« erkundigte ich mich.

      »Es ist für Euch überflüssig, hiernach zu fragen,« antwortete sie, indem sie die Handbewegung wiederholte.

      »Weißt Du das so genau? Ich wiederhole meine Frage und bitte Dich, mir Auskunft zu erteilen, damit auch ich mich darüber aussprechen kann, ob es so überflüssig ist, wie Du meinst!«

      Wieder dachte sie nach, und wieder musterte sie uns mit zwar wohlwollenden aber unbefriedigten Augen. Hierauf sprach sie:

      »Es gibt ein Mittel, Euch von der Knechtschaft, die Euch droht, zu befreien. Das Gesetz liefert Euch in unsere Hände; dasselbe Gesetz aber macht Euch wieder frei, indem es Euch gestattet, Euch von uns loszukämpfen.«

      Als Halef diese Worte hörte, warf er beide Arme hoch empor und rief aus:

      »Sihdi,


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