"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können". Sigrid-Maria Größing
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MAXIMILIAN I. UND MARIA VON BURGUND
Karl der Kühne, der reiche und mächtige Herzog von Burgund, hatte nur eine einzige Tochter; die aber war sein ganzer Stolz. Auf Maria ruhte seine Hoffnung für die Zukunft, sie galt es, gewinnbringend zu verheiraten. Viele Freier waren im Laufe der Jahre aufgetaucht, die sich um die Hand der schönen Herzogstochter bewarben. Die große Mitgift, die Länder Burgunds mit ihren unendlich reichen Handelsstädten im Westen, hätte mancher gern als Morgengabe gesehen. Aber Maria hatte ihren eigenen Kopf und ganz bestimmte Vorstellungen von ihrem zukünftigen Gemahl, und so hatte sich auch der Vater noch nicht festgelegt, als ihn die Werbung des römisch-deutschen Kaisers erreichte, der Maria als Gemahlin für seinen Sohn Maximilian haben wollte.
Die Erkundigungen, die der burgundische Herzog über den Prinzen einziehen ließ, waren nur zu erfreulich. Man schilderte Maximilian in den schönsten Farben, als echten Ritter, der weder Tod noch Teufel fürchte, sich in jedem Turnier als tapferer und kühner Streiter erweise, der aber auch auffallend gut aussehen solle, blond, mit strahlend blauen Augen und einer männlichen Gestalt. Zudem gelte er als besonders charmant und liebenswürdig, so daß er die Herzen der Damen im Nu erobere.
So hatte sich Maria den Helden ihrer Träume vorgestellt, den Mann, mit dem sie ein ganzes Leben verbunden sein wollte. Freudig stimmte sie daher dem Wunsch ihres Vaters zu, dem Werben des Kaisers nachzugeben. Natürlich mußte man sich zunächst etwas zieren und durfte die Karten nicht offen auf den Tisch legen, denn allzu leicht hätte dies den Anschein erweckt, als wäre man froh, die Tochter möglichst schnell loszuwerden.
Daß Maria von Burgund mit Maximilian glücklich werden würde, war ihr nach Meinung ihres Schwiegervaters schon durch die Konstellation der Sterne vorherbestimmt. Denn wie immer bei wichtigen Angelegenheiten hatte Friedrich III. nach der Geburt Maximilians seine Hofastrologen gebeten, für seinen neugeborenen Sohn das Horoskop zu erstellen. Dieses versprach viel Gutes, obwohl auch ein dunkler, geheimnisvoller Aspekt zu vermerken war, und Maximilian wies bei den vielen Schicksalsschlägen, die er später erlebte, immer wieder auf diesen »dunklen Stern« hin. Ganz konnte er sich nie von der Vorstellung befreien, daß es die Gestirne eigentlich nicht gut mit ihm gemeint hatten, obwohl der Mathematiker und Astronom Johannes Regiomontanus, dem man die Erstellung des Horoskopes zuschreibt, den Lauf der Gestirne bestimmt nicht schlecht interpretiert hat.
Maximilian hatte nicht nur Habsburger Blut in den Adern, das ohnedies in den letzten Jahrhunderten durch die vielen Heiraten vermischt worden war. Seine Großmutter stammte aus Masovien und brachte polnisch-litauische Elemente in die Familie, daneben hatten die Habsburger immer wieder nach Deutschland, Italien und Böhmen geheiratet, so daß keine eindeutige Abstammung mehr festzustellen war. Habsburger Blut, was war das eigentlich? Viel eher ließ sich die Mutter Maximilians charakterisieren; sie hatte das leichte portugiesische Wesen, das die Kinder an ihr besonders liebten, ihre Heiterkeit und Fröhlichkeit hatte sie auch bei dem griesgrämigen Gatten und am langweiligen, finsteren Hof in Wiener Neustadt nicht verloren. Sie war ein Lichtblick für Maximilian, wenn er auch schon als Kind feststellen mußte, daß es zwischen den Eltern immer wieder Auseinandersetzungen wegen der Erziehungsrichtlinien gab.
Warum die schöne, lebenslustige und verwöhnte portugiesische Königstochter Eleonore sich damals freiwillig für den skurrilen Junggesellen Friedrich entschieden hatte, wußte sie wohl selbst nicht mehr ganz genau. Denn das fünfzehnjährige Mädchen hatte mit fester Stimme erklärt, sie wolle den (Friedrich) und sonst keinen! Vielleicht hatte die junge Prinzessin der Gedanke gereizt, einmal Kaiserin zu werden, vielleicht hatte sie auch ganz andere Vorstellungen vom Leben am Kaiserhof und von ihrem zukünftigen Gatten gehabt. Eleonore war an einem der luxuriösesten Höfe Europas aufgewachsen, war kostbare Teppiche, Seidentapeten und wohlige Wärme gewöhnt und konnte sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen, daß es all dies im kalten und finsteren Österreich nicht gab.
Auch vor seiner Werbung um Eleonore hatte Friedrich seinen Hofastrologen beauftragt, die Sterne über die Braut zu befragen. Der mittlerweile 32jährige Herrscher war von Natur aus äußerst mißtrauisch, alles, was an ihn herangetragen wurde, prüfte er sehr genau, und erst wenn er keine Fußangeln erkennen konnte, entschloß er sich, zu handeln.
Aber die Auskunft seines Astrologen war durchaus zufriedenstellend. Auch die übrigen Erkundigungen, die Friedrich einziehen ließ, bestärkten ihn in dem Entschluß, eine Ehe mit der portugiesischen Prinzessin anzustreben. Ihre Porträtmedaillons betrachtete er allerdings mit großer Skepsis; zu schön war das Konterfei, das ihm entgegenblickte. Aber Eleonore mußten die Maler nicht schmeicheln; sie war ein anmutiges Mädchen, mit makelloser Haut und vollem braunem Haar, vielleicht etwas zu grazil, fast zerbrechlich. Man bevorzugte robustere Frauen, um auf jeden Fall mit reichlichem Kindersegen rechnen zu können.
Friedrich und Eleonore waren ein äußerlich und charakterlich ungleiches Paar. Er galt für die damalige Zeit als ungewöhnlich groß, 1,80 Meter, hatte fahles blondes Haar und eine markante lange Nase. Alles an Friedrich erinnerte an einen Asketen. Für ihn gab es nicht Saus und Braus beim Essen und Trinken, er hielt Maß und achtete in seiner engeren Umgebung streng darauf, daß keiner über die Stränge schlug. Gähnende Langeweile machte sich in seiner Gegenwart breit, er verstand es nicht, interessante Unterhaltungen zu führen, und jeder Gast war froh, wenn er in Gnaden wieder entlassen war.
Für die temperamentvolle portugiesische Prinzessin bedeutete die Abreise aus ihrer Heimat das Ende ihres unbeschwerten Lebens. Schon die Fahrt übers weite Meer, während der das Schiff von Piraten und heftigen Stürmen bedroht wurde, war für Eleonore ein einziges Schrecknis. An der italienischen Küste erwartete sie dann ihr zukünftiger Gemahl. Aber Friedrich war nicht aus dem Holz geschnitzt, einer Frau leichten Herzens gegenüberzutreten. Als er sie zum ersten Mal sah, begann er am ganzen Leibe zu zittern und benahm sich in seiner Verlegenheit ausgesprochen linkisch. Nur die italienische Bevölkerung, die dem deutschen König stets mißtrauisch, ja feindselig begegnet war, begrüßte die Prinzessin mit lauten Jubelrufen, ihr öffneten sich die Herzen, die Friedrich verschlossen geblieben waren.
Anders als jeder normale Bräutigam suchte Friedrich immer wieder einen Grund, um nicht mit seiner Braut allein sein zu müssen. Eleonore war allerdings von der italienischen Zauberwelt so gefangen, daß sie Friedrich nirgends vermißte. Auch als er sich nach der feierlichen Trauung durch den Papst in Rom sofort in seine Gemächer zurückzog, sah Eleonore in seinem Verhalten nichts Ungewöhnliches. Sie genoß die schönen Tage in der alten Stadt und nahm von Rom und seinem Volk nur schwer Abschied, als man in Richtung Neapel aufbrach, wo ein Onkel Eleonores residierte, der alles daran setzte, das Paar mit jedwedem Luxus, den man aufbieten konnte, zu verwöhnen. Glanzvolle Bankette wechselten mit Schauspielen ab, dann wieder maß man sich bei Turnieren und sportlichen Wettkämpfen in Geschicklichkeit und Kampfesmut. Der Wein floß in Strömen, aber Friedrich war all der Trubel zuviel, er stand als Griesgram inmitten der Lebensfreude, argwöhnisch und mißtrauisch. Wo er nur konnte, ging er seiner Frau aus dem Weg. Allmählich wurde Eleonores Onkel auf die Haltung Friedrichs aufmerksam und stellte mit Erstaunen fest, daß dieser das Beilager mit seiner schönen Frau noch nicht vollzogen hatte. Wenigstens pro forma sollte dies stattfinden, ließ Alfonso seinen angeheirateten Neffen wissen. So sehr sich Friedrich auch sträubte, er konnte nicht mehr anders, als mit seiner Frau vor versammeltem Hof ein breites Bett zu besteigen. Beide waren bis zum Hals bekleidet. Dann zog Friedrich kurz die Decke über den Kopf, gab Eleonore einen Kuß, und die Ehe war offiziell vollzogen.
Man begann die junge Frau zu bedauern, und die Hofdamen bemühten sich durch alle möglichen Tricks, den Kaiser in das Ehebett zu locken. Die Bettwäsche wurde mit Weihwasser und Parfüm beträufelt, Liebeslieder klangen durch den weiten Palast, aber immer noch weigerte sich Friedrich, mit seiner Frau zu schlafen. Viel zu groß war seine Angst, hier in Italien einen »welschen Bastard« zu zeugen. Vor allem vor der Amme Eleonores fürchtete sich Friedrich, sie sah er als unheimliche Hexe an, die sicherlich das Bett verwünscht hatte. So befahl er seiner Gemahlin, ihm auf sein Zimmer zu folgen. Wie der Vertraute des Kaisers, Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II., berichtete, konnte der blutleere Friedrich aber dann doch, als sie allein waren, den Verlockungen des jungen, schönen Körpers seiner Frau nicht widerstehen.
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