Glauben und das Leben genießen. Markus Hofer

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Glauben und das Leben genießen - Markus Hofer


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sucht und auf der Flucht ist. Mit wahrem Genießen, mit Lebenslust und Freude am Leben hat das nichts mehr zu tun. Paulus, der Asket, würde jetzt vielleicht erschrecken, aber vermutlich kann man seine Pointe auch umdrehen: Wirklich genießen können wir erst, wenn wir glauben, dass mit dem Tod nicht alles aus ist, wenn wir getragen sind von der Zuversicht, dass das Leben weitergeht. Dann wird das Leben durchlässig. Miteinander essen und trinken ist erst ein wahrer Genuss, wenn es gleichzeitig ein Vorgeschmack ist auf das, was noch folgen wird.

      Dem Genuss kann man nicht nachjagen. Im selben Moment verflüchtigt er sich und wird zum Konsum. Wahrer Genuss ist letztlich ein Geschenk und trägt so zum Glück des Menschen bei. Man beschenkt sich selbst, beschenkt andere und wird gleichzeitig von Gott beschenkt. Vermutlich ist genau das die Ebene, auf der der Segen Gottes in unserem alltäglichen Miteinander liegt. Wenn Gott mitten im Alltag erscheint, damit sein Segen dabei ist, dann zeigt sich das unter anderem genau dort, wo Menschen miteinander essen und trinken und es genießen. In diesem Sinn ist Essen und Trinken mehr als die nötige Nahrungsaufnahme, sondern erhält eine zusätzliche soziale und emotionale Dimension. Miteinander essen und trinken wird tatsächlich zu einer gemeinsamen Feier des Lebens, aber ohne dass man dafür eigens ein Halleluja anstimmen müsste. Pointiert könnte man sagen: Die Frömmigkeit beginnt dort, wo aus „Fressen und Saufen“ ein „miteinander Essen und Trinken“ wird. Dort verbindet sich Natur mit Kultur, erhalten die triebhaften Notwendigkeiten eine zutiefst menschliche Form. Erich Fromm hat das Begriffspaar vom Haben und Sein sehr schön beschrieben. „Fressen und Saufen“ ist reines Haben, eine natürliche Notwendigkeit vielleicht, aber auch nicht mehr. „Miteinander essen und trinken“ ist darüber hinaus eine Form des Seins: Beim miteinander Genießen verändert sich tatsächlich die Zeitstruktur.

      Es ist sicher kein Zufall, dass Jesus bei seinen Gleichnissen vom Himmel immer wieder das Gastmahl verwendet hat als Inbegriff des miteinander Essens und Trinkens und damit als Grundvollzug der von Gott gemeinten Menschlichkeit. Zum „Großen Fressen“ gibt es kein schöneres Gegenbild als die grandiose Vision des Propheten Jesaja, in der er das künftige Leben aller beschreibt als ein großes Festmahl auf dem Berg Zion: „Der Herr der Heere wird auf diesem Berg für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit erlesenen Weinen, mit den besten und feinsten Speisen, mit besten, erlesenen Weinen. Er zerreißt auf diesem Berg die Hülle, die alle Nationen verhüllt, und die Decke, die alle Völker bedeckt. Er beseitigt den Tod für immer. Gott, der Herr, wischt die Tränen ab von jedem Gesicht. Auf der ganzen Erde nimmt er von seinem Volk die Schande hinweg. Ja, der Herr hat gesprochen.“ (Jesaja 25,6–8)

      Johann Wolfgang von Goethe hat Genuss einmal so definiert: „Genießen heißt, sich und anderen in Fröhlichkeit anzugehören.“ Nimmt man noch den Herrgott hinzu, wäre das eigentlich eine wunderbare Beschreibung des Himmels: Gott, sich und den anderen in Fröhlichkeit anzugehören. Das klingt vielleicht etwas prosaischer als beim Propheten Jesaja. Das Bild vom einander in Fröhlichkeit Angehören macht aber noch deutlicher, dass das, was wir hier in unserem alltäglichen Leben miteinander genießen, nichts anderes ist als ein Vorgeschmack auf den Himmel.

      Miteinander essen und trinken – biblisch kommen wir mit der Frage, was ein frommes Tun ist, nicht daran vorbei. Letztlich ist auch das Abendmahl, die Eucharistiefeier, nichts anderes als eine ritualisierte Form des miteinander Essens und Trinkens und damit ein Urvollzug der christlichen Kirchen. Kein anderes Bild entwirft auch die Apostelgeschichte von der ersten Gemeinde in Jerusalem (Apostelgeschichte 2,44–47). Zuerst wird diese Form des „Urkommunismus“ beschrieben, in dem alle alles gemeinsam hatten und jeder davon so viel bekam, wie er nötig hatte. Und wie schaute der Alltag aus? „Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude mit lauteren Herzen. Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk beliebt.“ Etwas lapidarer könnte man sagen: Sie gingen in die Kirche, feierten Eucharistie, aßen und tranken genüsslich miteinander und lobten den Herrn. Ist das nicht ein schönes Bild für fromm und lebenslustig? Der Schlusssatz verwundert dann gar nicht mehr: Sie waren beim ganzen Volk beliebt.

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