Von Humanae vitae bis Amoris laetitia. Martin M. Lintner

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Von Humanae vitae bis Amoris laetitia - Martin M. Lintner


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der Würde der Person (vgl. AL 82) anführen. Zur Anwendung der Methoden, die auf den natürlichen Zeiten der Fruchtbarkeit beruhen, wird ermutigt (vgl. AL 222). Bestärkend und motivierend werden hierfür einige positive Effekte in Erinnerung gerufen, die die natürlichen Methoden der Empfängnisregelung für Ehepartner haben können (vgl. ebd.).

      Amoris laetitia zitiert bei den einschlägigen Passagen übrigens immer den Schlussbericht der Bischofssynode 2015. Das macht deutlich, dass Papst Franziskus den Prozess der synodalen Konsensfindung gewählt hat und der großen Mehrheit der 260 Bischöfe gefolgt ist, die die 14. ordentliche Generalversammlung gebildet haben: die Vorsitzenden der regionalen Bischofskonferenzen sowie – je nach deren Größe – ein oder mehrere Vertreter. Amoris laetitia spiegelt also die Position und Überzeugung des überwiegenden Teils der Bischöfe weltweit wider.

      Die Diktion der Texte der Bischofssynoden 2014 und 2015 sowie von Amoris laetitia von der „wiederzuentdeckenden Botschaft“ von Humanae vitae sowie von der „Ermutigung“ zur Anwendung der natürlichen Methoden der Geburtenregelung liegt in einer Linie mit Aussagen von Papst Benedikt XVI. Es ist auffallend, dass dieser sich sowohl als Präfekt der Glaubenskongregation als auch als Papst in Bezug auf die normative Frage der Empfängnisregelung kaum und wennschon nur sehr zurückhaltend geäußert hat: Man dürfe nicht lediglich die weiterhin gültigen Perspektiven von Humanae vitae verkünden, sondern müsse auch Wege der Lebbarkeit finden.

      Man kann davon ausgehen, dass mit den Bischofssynoden 2014 und 2015 sowie mit Amoris laetitia die jahrzehntelangen kontroversen Diskussionen um die normative Lehre von Humanae vitae entschärft worden sind, vielleicht ein Ende gefunden haben. Damit wird auch der Blick wieder frei, wichtige Anliegen der Enzyklika neu in den Blick zu nehmen. Die vorliegende Publikation anlässlich des 50. Jahrtages des Erscheinens der Enzyklika will hierfür einen Beitrag leisten. Dabei kann es von Vorteil sein, dass der Verfasser selbst jünger ist als die Enzyklika. Er hat die intensiv und emotional geführten kontroversen Diskussionen nicht als Zeitzeuge miterlebt, was ihm zugleich eine gewisse Distanz verschafft und eine nüchternere Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglicht.

      Im ersten Teil4 wird die wechselvolle Entstehungsgeschichte des Lehrschreibens nachgezeichnet, die sich phasenweise fast wie ein Krimi liest. Obwohl die entsprechenden Archive des Vatikans noch nicht öffentlich zugänglich sind, kann die Genealogie der Enzyklika aus den zugänglichen Quellen relativ detailliert rekonstruiert werden.5 Sie beginnt mit der Gründung der „Päpstlichen Kommission für Familien-, Bevölkerungsfragen und Geburtenhäufigkeit“ durch Papst Johannes XXIII. im März 1963. Eine wichtige Bedeutung gewinnen die Diskussionen während des Zweiten Vatikanischen Konzils und hier besonders die Arbeiten der „Subkommission über die Ehe und Familie“, die schließlich die Ehelehre des Konzils in Gaudium et spes 47–52 wesentlich prägen. Noch in den letzten Tagen vor der definitiven Abstimmung über diesen Text tobt ein heftiger Kampf darüber, ob die Ehelehre von Casti connubii (1931) und ihre Auslegung durch Pius XII. weiterentwickelt werden kann oder nicht. Eine kleine Minderheit von Kurienkardinälen und Konzilstheologen interveniert diesbezüglich bei Paul VI., damit dieser direkt in die Kommissionsarbeit eingreife und eine solche Fortentwicklung verhindere, letztlich jedoch nicht mit dem von den Initiatoren erwünschten Erfolg.6 Als folgenschwer erweist sich jedoch der Entschluss des Papstes, die Entscheidung über die sittliche Beurteilung der Methoden der Empfängnisregelung den Konzilsvätern zu entziehen und sich selbst vorzubehalten.7 Schließlich setzt er im März 1966 eine Bischofskommission ein mit dem Auftrag, den Abschlussbericht der päpstlichen Studienkommission zu prüfen, die von einem gesonderten Bericht einer kleinen Minderheit der Kommissionsmitglieder, die dem Kommissionsbericht nicht zustimmen wollte, flankiert worden ist. Die Mehrheit sowohl der Studienkommission als auch dieser Bischofskommission empfiehlt dem Papst, die Frage der Methoden der Geburtenregelung der Gewissensentscheidung der Ehepartner zu überantworten. Der Papst wird sich diesem zweimaligen Mehrheitsvotum jedoch nicht anschließen, sondern dem zweifachen Minderheitsvotum folgen. Das kollegiale Bemühen um größtmöglichen Konsens, das den Prozess des Zweiten Vatikanums ausgezeichnet hat, hat Paul VI. jedenfalls beiseitegelassen.8 Festzuhalten bleibt, dass er dazu formell zweifelsohne ermächtigt war; ob es klug war, darüber mag man streiten. Beleuchtet wird auch die Rolle einer vom damaligen Krakauer Kardinal Karol Wojtyła in Auftrag gegebenen Denkschrift, des sogenannten „Krakauer Memorandums“, welches Paul VI. im Februar 1968 zugespielt worden ist. Dieser Text liegt zwar nicht im Argumentationsduktus, wohl aber in den Schlussfolgerungen hinsichtlich der normativen Untrennbarkeit der einheitsstiftenden und fortpflanzungsoffenen Dimension der Sexualität im einzelnen ehelichen Akt ganz auf der Linie des Minderheitsvotums.

      Der zweite Teil ist der Rezeptionsgeschichte von Humanae vitae gewidmet, beginnend von den ersten Reaktionen und den Stellungnahmen von weltweit 38 Bischofskonferenzen, von denen jene der italienischen, deutschen, österreichischen und belgischen exemplarisch herausgegriffen werden, bis zu Amoris laetitia. Kritisch untersucht wird auch die Frage, ob die von Anfang mangelhafte Rezeption der Enzyklika nicht auch damit zu tun hat, dass hier Positionen bezüglich Ehe und Familie in eine lehramtliche Verlautbarung „zurückgeholt“ werden, die bei den Konzilsberatungen keine Mehrheit mehr gefunden haben, sondern die man zu überwinden versuchte. Diese Minderheit, die sich auf dem Konzil nicht durchsetzen konnte, wollte durch Humanae vitae einzelne Aspekte der konziliaren Ehelehre gleichsam korrigieren und hat einen enormen Druck auf den Papst ausgeübt bis dahin, dass andersdenkende Theologen, ehemalige Konzilsberater und Mitglieder der Konzilssubkommission über die Ehe und Familie nicht mehr zu ihm vorgelassen worden sind.

      Ein besonderes Augenmerk gilt in der Rezeptionsgeschichte Johannes Paul II., einem entschiedenen Verfechter von Humanae vitae, der aber durchaus auch hat durchblicken lassen, dass die Enzyklika seines Erachtens an einer biblischen und anthropologischen Grundlegung mangle. Er hat es sich auf dem Hintergrund seines personalistischen philosophischen Ansatzes zur Aufgabe gemacht, die biblischen, anthropologischen und moralischen Fundamente der Lehre von Humanae vitae zu erhellen und mit Vehemenz zu verteidigen. Dabei geht er sogar so weit, die Ablehnung der Enzyklika mit der Ablehnung des Gedankens der Heiligkeit Gottes gleichzusetzen. Seine Ansprache anlässlich eines Kongresses zu „20 Jahre Humanae vitae“ im November 1988 macht zudem deutlich, dass die Art und Weise, wie die Auseinandersetzung mit der Lehre über die Geburtenregelung geführt worden ist, zutiefst die katholische Auffassung von Tradition, Lehramt, Beziehung zwischen Lehramt und Gläubigen sowie das Verständnis des Gewissens betrifft. Auch hier wird kritisch die Frage zu stellen sein, ob ein Gewissensverständnis, das vorwiegend von einem moralischen Objektivismus geprägt ist und das Gewissen vordergründig als Instanz des Gehorsams gegenüber der objektiven Norm sieht (vgl. Veritatis splendor 60), nicht wesentliche Aspekte der konziliaren Gewissenslehre in Gaudium et spes 16 unterbewertet.

      Bei Papst Benedikt XVI. wird sich zeigen, dass er selbst dezidiert davon spricht, die Enzyklika habe ihn nach ihrem Erscheinen als Theologen nicht zufriedengestellt. Sie sei für ihn und andere Theologen ein „schwieriger Text“ gewesen. In seinem Kommentar zu Gaudium et spes 47–52 hat er bezüglich der Ehelehre bereits 1966 einige kritische Anfragen bzw. Forderungen formuliert, von denen man sagen muss, dass sie durch die Enzyklika letztlich nicht beantwortet bzw. nicht eingelöst worden sind. Schon angesprochen wurde seine Zurückhaltung zur normativen Lehre der Enzyklika während seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation und als Papst, was als vorsichtige Korrektur gedeutet werden kann, wenn sie als solche auch nicht benannt worden ist (wohl um seine Vorgänger nicht zu desavouieren).

      Schließlich wird ausführlich der Umgang der beiden Bischofssynoden 2014 und 2015 mit Humanae vitae dargestellt und wie die Enzyklika Pauls VI. letztlich in Amoris laetitia rezipiert worden ist.

      Der dritte Teil wird mit einer kritischen Reflexion über die Überzeugungskraft der Argumentationsformen gegen die künstliche Empfängnisregelung, die in Humanae vitae und von Johannes Paul II. verwendet werden, beginnen und danach fragen, ob sie hinreichend sind, um ein kategorisches Verbot dieser Methoden zu begründen. Eingegangen wird zudem auf den bereits erwähnten Themenkomplex des Verständnisses von Tradition, Lehramt, Beziehung zwischen Lehramt und Gläubigen sowie der Gewissenslehre. Auf dem Hintergrund der beiden Bischofssynoden 2014 und 2015


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