Seewölfe Paket 33. Fred McMason
Читать онлайн книгу.einem derart kräftigen Weiß, wie es jetzt zu sehen war. Das Gewitter hatte sich längst nicht ausgetobt, sondern schien nach einer kurzen Phase der Beruhigung noch einmal alle zerstörerische Gewalt zu entfalten.
„Wintergewitter sind zum Glück selten“, sagte Don Juan. „Aber wenn sie losbrechen …“
„Wir sind nicht hier, um über das Wetter zu reden, Don Juan“, unterbrach der Generalkapitän schroff.
„Unser Kurs weicht nicht einen Strich von der vorgesehenen Route ab“, sagte Hasard. „So sehr ich die zusätzlichen Strapazen bedauere, die unsere Leute auf sich nehmen müssen, ich sehe keine Möglichkeit, schneller ans Ziel zu gelangen.“
„Im Sturm ohnehin gefährliche Gewässer durchkreuzen und bis fast vor die Haustür unseres Erzfeindes England segeln, wollen Sie das wirklich, Don Julio? Wir gefährden damit unnötig Schiffe, Mannschaften und vor allem unsere Fracht.“
„Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.“
„O doch“, begehrte der Generalkapitän auf. „Ich bin der Meinung, daß wir gerade darüber nicht ausführlich genug geredet haben. Die ‚Nobleza‘ ist spurlos verschwunden, die ‚Respeto‘ explodiert – sollen wir weitere Schiffe verlieren? Gold und Silber werden in Spanien dringender benötigt als je zuvor. Warum kehren wir nicht um, solange noch Zeit dazu ist, und laufen Santander, Gijón oder La Coruña an?“
Hasards Augen verengten sich. Um seine Mundwinkel lag plötzlich ein ungewöhnlicher scharfer Zug.
„Selbst als Generalkapitän stehen Ihnen solche Äußerungen nicht zu. Soll ich Ihre Rede als Meuterei auffassen?“
„Als Vorschlag, Verluste zu begrenzen.“ Während Hasard ruhig und gelassen blieb, kauerte Don Ricardo sprungbereit im Sessel. Seine Finger verkrampften sich um die Armlehnen, daß die Knöchel weiß unter der Haut hervortraten. „Hätten wir Cádiz angelaufen, könnten auch die Schätze der ‚Respeto‘ noch zur Verfügung stehen.“
„Die Unfähigkeit Ihrer Kapitäne sollten Sie denen anlasten, die sie zu verantworten haben.“
Natürlich nahm Don Ricardo den Vorwurf, wie er gemeint war, nämlich gegen seine Person gemünzt. Er verfärbte sich, seine Wangenmuskeln begannen unkontrolliert zu zucken. Im nächsten Moment sprang er auf und stierte Hasard unverhohlen feindselig an.
„Sie werden unverschämt und obendrein ausfällig, Capitán de Vilches“, schnaubte er. „Ich brauche mir ein solches Verhalten nicht bieten zu lassen, schon gar nicht auf meinem eigenen Schiff.“
„… das letztlich wie alle anderen meiner Befehlsgewalt unterstellt wurde“, sagte Hasard. „Ich will Sie in keiner Weise übergehen, Don Ricardo, ich würde mich sogar über eine Zusammenarbeit mit Ihnen freuen.“
Der Generalkapitän vollführte eine energische, geringschätzige Handbewegung.
„Nicht, solange die Schiffe weiterhin mit Kurs auf Irland segeln. Ich bin nicht länger gewillt, diesen Irrsinn zu dulden, geschweige denn zu unterstützen.“
Hasard seufzte tief, ließ sich zurücksinken und verschränkte die Arme.
Kopfschüttelnd sagte er: „Dieser Irrsinn, wie Sie sich ausdrücken, wurde von unserem Allergnädigsten König, Seiner Majestät persönlich, angeordnet. Ich darf Sie demnach dringendst bitten, sich weniger abfällig zu äußern.“
„Warum wurde uns die Order nicht mit versiegeltem Schriftstück übergeben?“ fragte Miguel Salcho, der Erste Offizier der „Salvador“, den Hasard schon bei ihrer ersten Begegnung als pedantischen Klugscheißer kennengelernt hatte.
„Das wäre auch das Mindeste gewesen, was Seine Majestät uns schuldig ist“, bemerkte Bernardo de Murcia hämisch. Er war der Zweite, ein verknöcherter, kleiner, geiernasiger Kerl mit scharfer Zunge und stechendem Blick. Seine Pergamenthaut hatte eine ungesunde Färbung, die ihn häufig genug greisenhaft erscheinen ließ.
Hasard stellte fest, daß die Offiziere und der Generalkapitän zueinander paßten wie die Faust aufs Auge.
„In Spanien herrschen Aufruhr und Unruhe.“ Don Juan wiederholte an Stelle des Seewolfs die schon benutzten Ausflüchte. „Ihnen dürfte klar sein, Señores, daß jedes Schriftstück die Gefahr birgt, in falsche Hände zu geraten. Zum Beispiel in die der Engländer. Die Folgen wären unausdenkbar.“
„Das ist geradezu lachhaft“, schnaubte der Generalkapitän. „Kein Spanier würde einen solchen Verrat üben. Eher“, er musterte den vermeintlichen Sonderbeauftragten und seine Begleiter der Reihe nach, „eher versuchen Schnapphähne und übelstes Lumpenpack, unsere Schätze zu erbeuten. Was halten Sie davon?“
„Wenig“, sagte Hasard geringschätzig. „Soll das Gesindel ruhig angreifen, die Breitseiten unserer Schiffe werden jedem das Fürchten lehren.“
Don Ricardo drehte auf dem Absatz um und blickte scheinbar gedankenverloren durch die Scheiben auf das nach wie vor wildbewegte Meer hinaus. Nur noch vereinzelt geisterten Blitze über den Himmel. Im Süden fiel ein Schimmer fahler Helligkeit durch die aufreißende Wolkendecke.
„Wer sind Sie, Don Julio?“ fragte der Spanier, ohne sich umzuwenden. „Ein Pirat, der ein Schreiben des Königs abgefangen hat und auf leichte Beute hofft?“
Philip Hasard Killigrew lachte glockenhell, obwohl er innerlich zutiefst erschüttert reagierte. Er gab sich Mühe, seiner Stimme einen spöttischen Klang zu verleihen.
„Dann würde ich Ihnen dieses Schreiben zeigen.“
„Das hängt wohl von seinem Inhalt ab.“
Ruckartig wandte sich Don Ricardo wieder um. Sein Gesicht wirkte kantiger als noch kurz zuvor. Die dunklen Augen funkelten eisig, und scheinbar zufällig lag seine Rechte auf dem Griff des Degens.
„Ich verlange absolute Gewißheit“, sagte er.
„Schicken Sie einen Boten zum Hof. Das steht Ihnen selbstverständlich frei. Leider werden wir Irland erreicht haben, bevor Sie eine Antwort erhalten.“ Hasard spürte die sich aufbauende Spannung deutlich. Langsam richtete er sich aus seiner bequemen Sitzhaltung auf.
Auch seine Männer reagierten. Ferris Tucker schob sich unmerklich an de Murcia heran, der Profos wirkte sprungbereit, und Don Juan taxierte seine Landsleute, als wolle er für alle nur erdenkliche Fälle gewappnet sein. Lediglich Higgy war die Ruhe in Person.
Don Ricardo de Mauro y Avila hatte seinen Entschluß gefaßt.
„Wir segeln nicht nach Irland“, verkündete er. „Die Schätze sind in jedem Hafen des Mutterlands so sicher wie auf See, eher sogar noch sicherer.“
„Ich hätte Sie für klüger gehalten“, sagte Hasard. „Was Sie vorhaben, wird Sie den Kopf kosten.“
Dann ging alles sehr schnell. Don Ricardo riß den Degen aus der Scheide und wollte de Vilches festnehmen, aber Hasard parierte trotz seiner noch immer sitzenden Haltung mit unglaublicher Geschmeidigkeit. Erst das harte Aufeinanderklirren beider Klingen schreckte den Spanier aus seiner selbstherrlichen Überheblichkeit auf und ließ ihn erkennen, daß er durchaus mit Widerstand rechnen mußte.
„Sie sind ein Narr“, zischte der Seewolf.
Der Generalkapitän attackierte ihn härter.
Miguel Salcho und Bernardo de Murcia eiferten ihrem Capitán nach. Aber während de Murcia noch von Glück reden konnte, daß er „nur“ an Ferris Tucker geriet, erlebte Miguel Salcho innerhalb von Augenblicken alle Höhen und Tiefen menschlichen Daseins – die Höhen allerdings weit weniger, denn zwischen seinem Kopf und den Deckenbalken lagen kaum drei Handspannen Luft.
Als der Erste Offizier zum Degen griff, war Carberry aufgesprungen. Keinen Lidschlag eher. Er wollte nicht, daß es hinterher hieß, er hätte mit der Prügelei angefangen. Obwohl solches schlichtweg Unsinn war.
Blankwaffen waren gefährlich. Sofern sie geschickt gehandhabt wurden, hinterließen sie unschöne Hieb- und Stichwunden, die nicht