Seewölfe - Piraten der Weltmeere 656. Fred McMason

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 656 - Fred McMason


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betrachtete, erklang noch einmal dieses schreckliche Geräusch, das ihn nervös herumfahren ließ.

      Das hörte sich an wie ein großer Frosch, der irgendwo auf den Planken hockte. Er entsann sich jedoch nicht, auf der ganzen Irrfahrt auch nur einen einzigen Frosch gesehen zu haben. Außerdem schlugen Frösche nicht mit den Flügeln.

      Die Zwillinge verursachten dieses Geräusch jedenfalls nicht, das wußte er jetzt genau.

      Mit wachen Sinnen lauschte er in die Dunkelheit und versuchte im Widerschein des Wassers etwas zu erkennen. Ob da einer der Meermänner an den Rumpf des Schiffes geklatscht hatte?

      Old Donegal schrak heftig zusammen, denn ganz plötzlich war da ein Rauschen dicht neben ihm in der See. Mächtige Schwingen schlugen aufgeregt, und dann erblickte er einen monströsen Schatten, der ihm ein Stöhnen entlockte. Der Schatten war riesengroß und flog genau auf ihn zu.

      Der Alte ließ die Pinne sausen, stieß einen leisen Fluch aus und ging hinter dem Schanzkleid in Deckung.

      Hart schluckend sah er aus den Augenwinkeln, daß der Schatten genau Kurs auf ihn nahm, die Schwingen zusammenfaltete und auf dem Handlauf des Schanzkleides Platz nahm.

      „Misericordia“, stammelte er entsetzt. „Hinweg, Satan!“ Die letzten Worte brüllte er laut.

      Der Schatten nahm davon jedoch keine Notiz. Er blieb hocken und schien ihn genau zu betrachten.

      Von dem Gebrüll erwachten die Zwillinge und fuhren hoch.

      „Was ist denn los?“ fragte Hasard, der mit einem Satz auf den Beinen war. Philip war ebenfalls blitzschnell aufgesprungen.

      „Da!“ rief der Admiral. „Der Satan oder ein Seeungeheuer! Es will mir die Augen auskratzen.“

      Im schwachen Widerschein der Deckslaterne erkannte Hasard einen großen Vogel, dessen Oberschnabel gekrümmt war. Aus dem Gefieder des Vogels troff Wasser an Deck. Das Tier schüttelte sich und plierte Old Donegal von der Seite her an.

      „Dein Seeungeheuer ist ein Kormoran“, sagte Hasard. „Wahrscheinlich hat ihn das Licht der Laterne angelockt. Seltsam, daß er so weit draußen auf See ist.“

      „Ein Kormoran?“ fragte Old Donegal ungläubig. „Dann hat er sich verwandelt. Vorhin hatte er eine andere Gestalt, das weiß ich genau.“

      „Kormorane tun das öfter“, murmelte Hasard. Dabei zwinkerte er seinem Bruder zu, der sein Grinsen mühsam verbarg.

      Er näherte sich dem Vogel, der ruhig sitzenblieb, ihn aber etwas furchtsam anblickte. Philip drehte den Docht der Laterne etwas höher, um das Tier besser sehen zu können.

      Es war tatsächlich ein Kormoran mit den typischen Watschelfüßen und dem stark gekrümmten Oberschnabel. An den Stirnseiten des Kopfes hatte er weiße Flecken.

      Old Donegal betrachtete ihn mehr als mißtrauisch. Er glaubte sicher zu sein, daß der Vogel vorhin eine andere Gestalt gehabt hatte. Aber die Zwillinge wollten das natürlich nicht wahrhaben.

      Als Hasard den Vogel vorsichtig berührte, öffnete der nur warnend den großen Schnabel, biß aber nicht zu. Nach einer Weile ließ er sich sogar streicheln.

      Old Donegal stand inzwischen wieder an der Pinne und korrigierte den kleinen Schlenker, der sie etwas vom Kurs gebracht hatte. Ganz geheuer war ihm der nächtliche Besuch jedoch nicht.

      „Wie schmecken Kormorane eigentlich?“ fragte er. „Der würde doch einen schönen Braten abgeben.“

      „Die schmecken tranig, wie uralte Fische“, sagte Hasard. „Außerdem bringt es Unglück über ein Schiff, wenn man einen Kormoran abmurkst.“

      Für Old Donegal war das Thema damit augenblicklich erledigt. Unglück wollte er sich nicht unbedingt einhandeln. Sie waren in letzter Zeit sowieso nicht gerade vom Glück begünstigt.

      „So, so, Unglück bringt das. Na, dann lassen wir ihn eben in Ruhe.“

      Der große Vogel war sichtlich erschöpft und wollte sich vermutlich nur eine Weile ausruhen.

      Sie ließen ihn in Ruhe, wie Old Donegal gesagt hatte.

      Hasard übernahm nach einer Weile die Pinne, während der Admiral noch etwas unschlüssig an Deck stand.

      „Willst du dich nicht ein bißchen aufs Ohr legen, Sir?“ fragte Philip. „Du kannst dich jetzt ausruhen. Hasard und ich übernehmen bis zum Morgen.“

      „Ich dachte eigentlich noch an einen kleinen Schlummertrunk. Auf den Schreck hin natürlich. Solche unerwarteten Gäste hat man ja nur sehr selten an Bord.“

      „Dagegen ist nichts einzuwenden. Zur Stärkung für den Rest der Nacht könnten wir auch einen kleinen vertragen.“

      Old Donegal holte die unvermeidliche Buddel und hielt sie den Zwillingen hin.

      „Aber nur einen kleinen Schluck für den Rudergänger. Zur Kräftigung.“

      Die kleinen Schlucke arteten nie in eine Sauferei aus. Old Donegal betrachtete das eher als Medizin, die Geist und Körper wachhielt, wenn man sie mäßig genoß. Und sie genossen sie auch nur mäßig, was so viel hieß, daß jeder nur einen kleinen Schluck nahm.

      Er aber nahm drei kräftige Schlucke, weil er ja seinen Schlummertrunk brauchte und nicht mehr am Ruder stand, jedenfalls nicht vor dem Morgengrauen.

      Eine halbe Stunde später ging er nach unten. Er wollte zuerst an Deck schlafen, aber da fand er keine Ruhe, weil er meinte, der Kormoran blinzele ihm dauernd zu und beobachtete ihn.

      In der Frühe des nächsten Morgens, als noch kurze Dämmerung herrschte, erschien Old Donegal frisch und ausgeruht wieder an Deck. Er wünschte seinen Enkeln einen guten Morgen. Da sah er, daß der Kormoran zusammenschrak, die Flügel ausbreitete und davonflog.

      „Der kann mich wohl nicht leiden“, brummte er. „Kaum sieht er mich, da haut er auch schon ab.“

      „Er war bereits seit ein paar Stunden unruhig und watschelte auf dem Handlauf hin und her“, berichtete Hasard. „Er fliegt auch seltsamerweise nicht zum Land hin, sondern nimmt Kurs auf See. Das ist schon seltsam.“

      Der Kormoran vollführte einen Schlenker nach dem anderen in der Luft, als könne er sich über sein Ziel nicht schlüssig werden. Dann drehte er nach Südwesten ab und entschwand langsam ihren Blicken.

       2.

      Als die Sonne aufging, war die Kimm dunstig und in feine neblige Schleier gehüllt. Der Sonnenball tauchte scheinbar aus der See und war erst orangerot. Dann wurde er zusehends fahler und verblaßte.

      Mit dem Farbenspiel nahm auch gleichzeitig der Wind ab. Er wehte nur noch schwach.

      „Das Vieh war ein Unglücksbringer, sage ich euch“, erklärte Old Donegal sinnend. „Oder er hat uns etwas verkünden wollen. Wenn ein Vogel an Bord erscheint und dann auch noch nachts, bedeutet das nichts Gutes. Ich weiß diese Zeichen zu deuten.“

      „Sturm?“ fragte Philip sachlich.

      Old Donegal schüttelte bedächtig den Kopf. „Nein, diesmal ist es was anderes, kein Sturm.“

      „Dann bliebe noch ein Seebeben oder ganz einfach ein Unwetter“, meinte Philip. „Oder der Holzbohrwurm frißt unser Schiff auf.“

      Der Admiral starrte auf die rostfarbenen Segeln der Karavelle. Sie blähten sich noch, aber nicht mehr so stark wie zuvor. Auch die Bugwelle war merklich kleiner geworden. Es war ein schmaler Bart, der an beiden Seiten des Rumpfes vorbeigluckerte und achteraus ein schmales Kielwasser bildete.

      „Grinst euch nur eins“, sagte er mit einem kurzen Auflachen. „Ich bin sicher, daß es euch noch vergehen wird. Wir sollten darüber aber das Frühstück nicht vergessen.“

      Hasard und Philip warfen sich einen Blick zu. Philip nickte schließlich und ging in die kleine Pantry.


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